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10. Mai 2011, 21:07 Music Interview

Von ABBA bis Zappa ... mit Markus Kavka

Patrick Holenstein - Markus Kavka war lange das Gesicht von MTV und zählt zweifelsfrei zu den profiliertesten Musikjournalisten im deutschsprachigen Raum. Kavka hatte sie alle vor dem Mikro, von Depeche Mode bis zu Phil Collins. Wieso letzterer ihn unglaublich überrascht hat, erzählt Kavka im musikalischen Interview.

Für die Generation MTV ist Markus Kavka untrennbar mit dem deutschsprachigen Musikfernsehen verbunden. Schliesslich war er lange Zeit das Gesicht von MTV Deutschland. Inzwischen ist der passionierte Blogger für das ZDF als Berichterstatter in Sachen Politik unterwegs und hat daneben noch die Zeit gefunden, sein Romandebüt, Rottenegg, zu vollenden. Seine grosse Leidenschaft bleibt aber die Musik. Sie ist sein Metier, seine Berufung, da kennt er sich aus, da fühlt er sich pudelwohl. Das zeigt das Glänzen in seinen Augen, wenn er über Musik spricht. Beste Voraussetzungen also, um ein musikalisches Interview zu führen.

  • Kraftwerk – Computerliebe
  • Computerwelt (1981)


Kraftwerk? Genau. Computerliebe.

Kraftwerk waren für dich nicht unwichtig.

Die waren tatsächlich nicht unwichtig für mich. Es war so Ende der 70er, Anfang der 80er, als ich allmählich elektronische Musik für mich entdeckt habe. Gross geworden bin ich schon eher mit Gitarrenmusik und habe Bands wie The Ramones oder Sex Pistols gehört. Dann bin ich auf Sachen wie Ultravox, Cabaret Voltaire, Soft Cell und Ähnliches gestossen. Bevor ich Kraftwerk für mich entdeckt habe, habe ich eher diese britischen Elektronikgeschichten gehört. Ich habe damals viel englische Musikzeitschriften gelesen und die haben alle gesagt: „Kraftwerk sind die Coolsten.“ Dann kam Das Model und von diesem Song ausgehend habe ich mir die alten Sachen von Kraftwerk zugelegt und langsam angefangen zu verstehen, wo es herkommt. Tatsächlich ist es so, dass sich viele Sounds, die ich heute bei aktuellen Technoreleases bemerke oder Stimmungen, die transportiert werden, darauf zurückführen lassen. Wahrscheinlich sind Kraftwerk die wichtigste Elektronikband, die es jemals gab.

Auch für die Popmusik ist die Band wichtig. Das sieht man auch daran, dass Coldplay ein Sample von Computerliebe für ihren Song Talk verwendeten.

Ja, das ist auch unbestritten. Es wird nie mehr passieren, aber wenn Kraftwerk mal wieder in Urbesetzung auf der Bühne stehen, würde ich mir das ansehen.

Karl Bartos (Ex-Mitglied von Kraftwerk, Anm. d. Red.) hält Autobahn für das wichtigste Kraftwerkalbum.

Autobahn? Ja. Ich muss kurz überlegen. Oder Tour de France? Aber unbestritten sind sie eine wichtige, wenn nicht sogar die wichtigste, Band aus Deutschland.


  • Beady Eye – The Roller
  • Different Gear, Same Speed (2011)


Ich habe jetzt kurz überlegt, ob es eine Oasis-B-Seite ist oder tatsächlich Beady Eye. (Lacht laut). Ja, kenn ich als Oasisfan. Ich bin aber eher aus der konservativen Oasis-Fraktion und ich würde mir schon wünschen, dass es die Band wieder mit Noel und Liam gibt.

Hältst du das für realistisch?

Leider nein, weil ... ich weiss nicht, was die Arschlöcher für ein Problem haben, aber es scheint echt sehr tief zu sitzen. Selbst wenn die sich für nur für ein Konzert oder eine Platte wieder zusammen tun, würden wieder die Fetzen fliegen. Ich bin da sehr pessimistisch. Aber ich mag einfach Liams Stimme wahninnig gern, halte ihn aber nicht für den begnadetsten Songschreiber. Insofern waren Oasis schon die perfekte Symbiose aus Liam und Noel. Was da für grossartige Songs entstanden sind. Beady Eye ist nett, aber auch wenn ich versuche relativ unvoreingenommen heran zu gehen, grossartig berührt es mich nicht. Ich habe die Platte zweimal gehört und dachte mir so: „Zur Kenntnis genommen und für OK befunden.“


  • Lena - Satellite
  • My Cassette Player (2010)


Iiihhh! Lena.

Lena, weil der Eurovision Song Contest ansteht. Was hältst du von der Mission Titelverteidigung?

Ich möchte nicht altklug klingen, aber ich konnte schon verstehen, dass man aus einer gewissen Euphorie heraus nach dem Sieg im letzten Jahr, gesagt hat: „Machen wir einfach noch mal.“ Ich persönlich hätte es aber besser gefunden, wenn man Lena die Chance gegeben hätte, sich behutsam als Künstlerin zu entwickeln. Die sollte ihre erste Platte gemacht haben, dann hätte man sie aber erstmal auf Tour schicken sollen und dann hätte sie mit Bedacht eine zweite Platte machen sollen, die vielleicht erst zwei Jahre später kommt. Nun ist sie halt jetzt schon auf dem Markt und ich finde das Material darauf nicht so wirklich gut. Aber tatsächlich habe ich mich auch nie wirklich für den Eurovision Songcontest interessiert. Vielleicht gewinnt sie ja wieder.

Glaubt man den Prognosen von Google, die als zuverlässig gelten, hat sie ja gute Chancen.

Ja. Letzten Endes muss man sich auch mal vor Augen führen, was da sonst immer für Scheisse dabei ist. Da ist dann wirklich die Einäugige Königin unter den Blinden und das hat sie allemal drauf. Lena ist schon... Was sage ich jetzt über Lena? Ich kann es zum Beispiel nicht haben, wenn Leute sagen „Ach, die Lena ist ja so natürlich und erfrischend“, weil: ist sie nicht. Das ist schon alles schön aufgesetzt und die weiss ganz genau, was sie tut. Insofern würde ich aber sagen, die ist sehr professionell und sie hat Potenzial, eine Künstlerin zu sein, die uns dauerhaft erhalten bleibt. Aber ich habe kürzlich die ersten paar Konzertberichte gelesen. Die spielt ja direkt mal in den grössten Hallen Deutschlands und hat zum Beispiel in Berlin in der O2-World gespielt. Es wurden die oberen Ränge mit Vorhängen abgehangen und es waren nicht 14'000, sondern nur 6’000 oder 7'000 Leute da. Da gehen dann Mütter mit ihren Töchtern hin, die Lena halt putzig finden. Oder Omas, die gern so ein Enkelchen hätten. Es ist jetzt aber nicht so, dass Lena ein in allen Breiten akzeptierter Popstar wäre. Der Eindruck wurde, glaube ich, fälschlicherweise ein bisschen vermittelt. Mein Gott, die ist niedlich, kann einem aber auch ganz schön auf die Nerven gehen.

Wird sie nicht auch ein wenig von Leuten dahinter, wie zum Beispiel Stefan Raab, benutzt, weil die das Geld sehen, das Lena einbringt?

Ja, das könnte man natürlich als Verantwortungsbewusster im fortgeschrittenen Alter annehmen. Ich glaube aber nicht, dass es so ist. Ich denke, sie weiss schon ganz genau, was sie tut. Es ist auch nicht so, dass Lena vom Himmel gefallen wäre, die wollte schon ins Licht und letzten Endes hat sie es eben relativ stringent geschafft. Raab versucht ja weitestgehend schon, ihr Privatleben aus der Geschichte herauszuhalten und sie zu schützen. Aber klar hat der auch die Eurozeichen in den Augen, wenn sie auf irgendeiner Bühne steht. Es ist allerdings ein Geschäft, daher ist ihm das nicht zum Vorwurf zu machen. Ich hätte ein Problem damit, wenn sie erst 12 wäre, aber ich glaube, dass man der das schon zumuten kann.


  • Black Country Communion - Song Of Yesterday
  • Black Country Communion (2010)


Kann ich das kennen?

Dir als Musikjournalist könnte die Band schon begegnet sein.

(Hört weiter).

Es sind Black Country Communion.

Ah, da habe ich viel drüber gelesen, aber gehört habe ich noch nichts. Ist ja ganz schön.

Ich hab die Band gewählt, weil du jemand zu sein scheinst, der mit Sachen wie Led Zeppelin etwas anfangen kann. Immerhin sitzt mit Jason Bonham der Sohn des Led Zeppelin-Drummers am Schlagzeug...

Genau, da war doch was. Ist das alles in der Art?

Teilweise sind sie noch etwas härter, aber sie sind schon auf den Spuren von klassischen Rockbands wie eben Led Zeppelin.

Ich war ja nie der Hardrock- oder Metaltyp, ich mochte lieber die psychedelischen Momente von solchen Bands. Mir waren tendenziell auch die Doors immer lieber als Led Zeppelin und wenn ich Led Zeppelin gehört habe, dann nicht die Knüppelsongs von denen, sondern eher die ein bisschen zurückgenommenen und versponnenen. Ich bin in dem Sinn kein versierter Classic-Rock-Hörer. Ich kenne das Zeug, weil es ein wichtiger Teil der Musikhistorie ist und weil mal natürlich, wenn man das Frühwerk von Black Sabbath kennt, auch Bescheid weiss über Soundgarden und tausend andere Bands und wenn man alten Bluesrock hört, weiss man Bescheid über die White Stripes. Tatsächlich ist aber Musik, wie ich sie konsumiere, eher nach vorne gerichtet. Ich will und muss als Musikjournalist wissen, wo das alles herkommt, aber ich war nie jemand, der gesagt hat, das alte Zeugs sei besser. Es gibt immer noch sehr viel neues, geiles Zeugs.

Ich habe das Stück gewählt, weil es neu ist und zeigt, dass handgemachte Musik noch Qualität haben kann.

Das sowieso, ist ja unbestritten und wenn die Jungs nicht wissen, wie es geht, wer denn sonst? Trotzdem habe ich aber im ersten Moment gedacht, das könnte auch eine Neo-Folkband von Anfangzwanzigjährigen Typen aus dem mittleren Western sein, weil die sich auch oft darauf beziehen.

Stimmt, bei dem Song könnte man eine Folkband vermuten. Warte, ich spiel dir noch ein anderes Stück vor. Der Song heisst Black Country.

Auch schon lange nicht mehr so einen Bass gehört. Ja, das klingt jetzt natürlich schon schwer nach 70ern.

Aber lassen wir das. Ich wollte einfach eine Band bringen, die neu ist und doch alt klingt.

Klar, aber da gibt es natürlich einiges. Man könnte wahrscheinlich jemandem, der sich nicht so 100 Prozent auskennt, erzählen, dass Kings of Leon eine Band aus den 70er-Jahren sind.


  • Jochen Distelmeyer - Hiob
  • Heavy (2009)


Jochen Distelmeyer. Es ist aber kein Blumfeldsong, oder?

Nein, es ist von seiner ersten Solo-CD.

Supertyp. Einer, der es sehr, sehr würdevoll geschafft hat, sich eine Punk- und Anarchie-Ethik zu bewaren, ein wenig gegen den Strich und gegen die Gesellschaft, und dabei trotzdem vollkommen unpeinlich den ganz grossen Popentwurf hinkriegt. Über seine Texte brauchen wir eh nicht zu reden. Er ist einer der von mir am meisten geschätzten deutschen Künstler überhaupt. Ich finde es natürlich etwas schade, dass es die Band nicht mehr gibt, aber wahrscheinlich war im Blumfeld-Kosmos alles gesagt. Ich bin natürlich umso froher, dass der Jochen noch weiter macht.

Und die Blumfeldsongs spielt er ja auf seinen Konzerten noch immer.

Genau. Natürlich wird man seine Solo-Platten immer mit einer Blumfeld-Platte vergleichen, aber die hält dem Vergleich auch stand. Der kann gar keinen schlechten Song schreiben.

Kennst du ihn persönlich?

Ja. Was heisst persönlich? Ich habe sie halt ein paar Mal interviewt und habe doch einen ganz guten Draht gefunden, weil wir schon in vielen Bereichen ähnlich ticken und viele Themen hatten, die wir dann leidenschaftlich diskutiert haben. Man kann mit denen ganz wunderbar Interviews machen und sich mit denen unterhalten.

Du hast ja eh viele Musiker interviewt. Auch die folgende Band.


  • Depeche Mode - Everything Counts
  • Construction Time Again (1983)


(Nach zwei Takten). Ja, die habe ich auch schon ein paar Mal getroffen. Das sind halt Helden meiner Jugend, aber eben nicht nur. Depeche Mode ist eine Band, die mich bis zum heutigen Tag konsequent und stetig begleitet und auch eine der wenigen Bands, die mich in ihrem Output bis zum heutigen Tag nicht enttäuscht hat. Ich habe mir jede neue Platte gekauft und immer etwas gefunden, was mich begeistert hat. Ich gehe immer wenn sie auf Tour sind zu mindestens drei, vier Konzerten und finde es immer toll. Sie interviewen zu dürfen, war für mich ganz, ganz lange ein grosser Wunschtraum. 2001 ist es dann endlich passiert und seither habe ich sie vielleicht noch fünf, sechs oder sieben Mal getroffen. Das Tollste für mich war, in diesen Interviews festzustellen, dass es eine Grundlage dafür gibt, dass ich ein so grosser Fan bin. Man hat ja bei Leuten, die einem viel bedeuten immer Angst, dass das eigene Fansein im Nachhinein etwas korrumpiert wird, falls das Interview aus irgendeinem Grund scheisse läuft und man danach die Musik nicht mehr so mag.

Oder anders herum. Wenn du die Musik eines Künstlers nicht magst und er total nett ist, wirkt die Musik plötzlich nicht mehr so schlimm.

Das ist mir tatsächlich bei extremen Beispielen wie den Bee Gees oder Phil Collins so ergangen. Phil Colllins war für mich die Hassfigur schlechthin, damals in den 80ern, also musikalisch gesehen. Dann habe ich ihn interviewt und er war so ein wahnsinnig netter und auch interessanter Typ, der so tolle Geschichten zu erzählen hatte. Daraufhin habe ich mir wenigstens sein erstes Soloalbum, Face Value, noch einmal ganz angehört und mir gedacht: Ist ja gar nicht mal so schlecht.

Gibt es denn noch Bands, Künstlerinnen oder Künstler, die du gerne treffen würdest?

Ich hätte wahnsinnig gerne Johnny Cash getroffen. Zu Lebzeiten natürlich, aber das ist ja jetzt nicht mehr möglich. Auch Michael Jackson hätte ich gerne getroffen, einfach aus einer gewissen Neugier heraus. Sonst habe ich alle, die ich ganz dringend treffen wollte, bereits getroffen. Es gibt noch ein paar Leute wie zum Beispiel Mick Jagger, Paul McCartney oder Elton John. Leute, die eher aufgrund ihrer Lebensgeschichte und ihres Gesamtwerks interessant sind und nicht für mich persönlich, weil ich ihre Musik verehre. Klar habe ich auch die Beatles gehört, aber Elton John und die Stones habe ich nie wirklich gehört. Aber so jemanden zu treffen, das ist Wahnsinn. Auch habe ich jetzt für die TV-Sendung Number One Rod Stewart oder Ozzy Osborne interviewt. Das sind halt alles Leute, so Mitte, Anfang Sechzig, die eine unfassbare Historie haben und wenn die mal anfangen, aus ihrem Anekdotenfundus auszupacken, dann legst du aber wirklich die Ohren an. Das ist deutlich substanzieller, als eine junge Amiband, die eine Platte draussen hat, im Interview den dicken Max macht und nix zu erzählen hat.


  • Bonaparte - Too Much
  • My Horse Likes You (2008)


Dann etwas Musik von einer Band, die ein Schweizer leitet.

Ach so, Bonaparte. Ja, Wahnsinn. Die habe ich kennengelernt, als die MTV Europe Music Awards 2009 in Berlin waren. Da hat es im Rahmen der Music Week, in der Woche vor den Awards, jeden Tag ein Konzert gegeben, das von MTV veranstaltet wurde. Ich habe eine Veranstaltung moderiert, die „Meet The Migrants“ hiess. Politisch war das eine Veranstaltung für die Völkerverbindung. Da waren auch einige Organisationen dabei, die sich in dem Bereich engagieren. Es haben nur Bands von Ausländern gespielt, die jetzt in Berlin leben und Musik machen. Und Bonaparte waren als Headliner dabei. Ich habe sie aber schon vorher einmal zufällig gesehen. Es muss jetzt ungefähr drei Jahre her sein, da spielten sie in einer ganz kleinen Location und ich dachte echt, ich seh nicht recht. Was die da auf der Bühne veranstaltet haben, war schon Wahnsinn. In der letzten Zeit, als ich noch bei MTV war, hatte ich die Gelegenheit, ein paar ihrer Videos zu spielen, die ja auch total Dada sind. Ich schätze die Band sehr, sehr hoch. Es gibt nicht viele, die es schaffen, musikalisch substanziell zu sein und gleichzeitig auf der Bühne etwas komplett Besonderes zu machen. Auch die Idee, dass es nicht nach Schema F abläuft, sondern dass sie ein Künstlerkollektiv sind, das ständig im Fluss ist, bei dem ständig Leute Neues einbringen und das dann von ihm (Frontmann Tobias Jundt, Anm. d. Red.) als Impresario geleitet wird, find ich super.

Warst du auf dem Konzert, als Die Ärzte den Support gemacht haben?

Nein, war ich nicht. Aber bei Bonaparte ist das Potenzial da, dass daraus noch grosses erwächst. Wobei ich mich frage, ob sie das überhaupt wollen. Ich schätze die nämlich eher so ein, dass an irgendeinem Punkt eine Verweigerungshaltung eintritt, um nicht dem ganz grossen Kommerz zum Opfer zu fallen. Dafür sind sie dann wahrscheinlich doch zu off-mainstream. Im Underground haben sie sich ja eh schon einen exzellenten Ruf erspielt und konnten eine riesen Fanbase erobern. Aber ob die wirklich irgendwann auf Platz eins der Charts in Deutschland oder der Schweiz sind, weiss ich nicht.

Wenn alles passt, kann das schon passieren.

Wenn, dann nur aus Versehen.

Den Ärzten ging es ähnlich mit Ein Schwein namens Männer, das ungewollt Platz eins wurde.

Naja, Shit happens. (Lacht).


  • The Cure - Close To Me
  • The Head On The Door (1985)


The Cure zählt, neben Depeche Mode und Joy Division/New Order, zu den drei prägenden Bands aus meiner Jugend. The Cure ganz extrem in der Phase 1982 bis 1985. Da habe ich wie so viele Gothic-Kids versucht auszusehen wie Robert Smith: die Haare verwuschelt, verschmierten Lippenstift, Kajal, den Teint ein bisschen heller gemacht. Als Band hatten The Cure halt immer eine Sonderstellung, weil sie es geschafft haben, diesen Schwermut in Pop zu transferieren. Ihre grössten Hits waren ja lupenreine Popsongs. Dann haben sich die Leute das Album gekauft und da waren mehrheitlich Songs drauf, da wolltest du gleich von der nächsten Brüstung springen. Deswegen habe ich die Band so gemocht, nicht wegen den Songs, die in den Charts waren. Meine Lieblingsplatte von The Cure ist bis heute Pornography, von der jeder sagt, dass es ihr düsterstes Album sei. Als ich Robert Smith das erste Mal interviewt habe, merkte ich, dass mir dieses Fansein, dieses lückenlose Wissen über diese Leute, ungemein geholfen hat im Interview. Das erwarten die auch zu Recht. Jemand, der so eine Vita hat und solche grossen Sachen geschaffen hat, darf erwarten, dass da ein Journalist kommt, der Bescheid weiss. Der Respekt gebietet es auch, dass man sich vorbereitet und nicht einfach vorher kurz den Wikipedia-Artikel reinpfeift und denkt, man könnte ein gutes Interview machen. Bei Robert Smith, aber auch Bernard Sumner von New Order oder Morrissey war es halt so, dass all die Artikel, die ich verschlungen habe, eine ganz gute Grundlage für die jeweiligen Interviews waren. The Cure höre ich immer noch sehr gerne zwischendurch.


  • Johnny Cash - God's Gonna Cut You Down
  • American V: A Hundred Highways


Das ist der Mann, den ich treffen wollte. Das ist God’s Gonna Cut Me Down, oder?

Genau. Ein Teil seines Vermächtnisses.

Es ist natürlich Wahnsinn, was in der Wahrnehmung hinsichtlich Johnny Cash durch die American Recordings passiert ist. Ich fand ihn zwar als Typ schon immer interessant, ich habe aber natürlich keinen Country gehört. Seine Stimme fand ich schon immer wahnsinnig markant und toll. Natürlich habe ich Sachen wie Ring Of Fire oder Folsom Prison Blues gehört, aber ich bin nie wirklich in die Materie Johnny Cash eingetaucht. Dann kam die Zusammenarbeit mit Rick Rubin. Was der aus dem Mann herausgeholt hat, dieser minimalistische Ansatz, nur die Stimme von Cash und eine Gitarre und manchmal noch ein bisschen Bandgefüge. Allein, wenn ich an seine Version von Hurt (Original von Nine Inch Nails, Anm. d. Red.) denke. Das ist eh schon ein toller Song, aber was Johnny Cash draus gemacht hat, auch mit dem Video, als dieser da ja schon dem Tode geweihte grosse, alte Mann in der letzen Szene des Clips den Pianodeckel runterklappt, das fand ich so extrem berührend. Das ist eines der ganz wenigen Videos, bei dem ich, als ich es das erste Mal gesehen habe, tatsächlich eine Träne im Auge hatte. Wenn Johnny Cash dann diesen Song interpretiert und der Text auch noch so wahnsinnig gut zu ihm passt, ist das schon extrem bewegend. Wirklich dermassen schade, dass ich keine Gelegenheit mehr hatte, ihn interviewen zu dürfen.

Aber Johnny Cash hat generell in American Recordings einige Covers, die komplett anders klingen. Personal Jesus oder One zum Beispiel.

Ja, selbst Bridge Over Troubled Water. Alle Coverversionen eigentlich, die er für die American Recordings eingespielt hat, sind mindestens so gut wie das Original. Es ist ja auch so, dass sich jeder Künstler, der von Johnny Cash gecovert wurde, extrem geehrt fühlt. Zu Recht natürlich.

Mich hat mal jemand gefragt, ob es wahr sei, dass U2s One im Original von Johnny Cash stamme.

(Lacht amüsiert). Im Zweifelsfalle ist alles erstmal von Johnny Cash.


  • Nick Cave - Let It Be
  • Soundtrack: I Am Sam (2002)


Nick Cave covert Let It Be. Ja, genau. Es ist ja überhaupt kein Wunder, dass es genau dieser Song ist. Das ist halt eine Verneigung, die in ihren Dimensionen schon kaum mehr zu ermessen ist, wenn jemand, der so gross ist wie Nick Cave einen Beatlessong covert.Da kann nichts anderes als etwas Grossartiges dabei herauskommen. Nick Cave verehre ich deshalb, weil er so eindringlich bewiesen hat, wie intelligent und gleichermassen berührend Musik sein kann. Er ist einer von denen, bei denen ich finde, dass man diese Verbindung kaum perfekter hinkriegen kann. Du merkst halt, was das für eine Tiefe hat, emotional und intellektuell. Als ich das erste Mal Nick Cave interviewt habe; ich habe mir in die Hosen geschissen. Nicht nur, weil ich damals schon The Birthday Party cool fand und alle Solosachen von ihm gehört, seine Bücher und Gedichte gelesen habe, sondern weil ich mir dachte: Jetzt kommst du Blödi dahin und interviewst Nick Cave – der wird dich so auseinandernehmen. Wie soll ich sagen? Ich hatte Glück, weil ich gewusst habe: ich kann ihm auf intellektueller Ebene nicht das Wasser reichen, also versuche ich das gar nicht erst. Ich habe mit Nick Cave dann eine besondere Ebene gefunden, eine menschliche quasi. Wir haben also über Sachen gesprochen wie Handtuchkämpfe in der Schule. Dass auch er nicht der supergut gebaute Sporttyp in der Schule war und permanent das nasse Handtuch mit einem Knoten drin in die Eier bekommen hat. Er hat also genau wie ich alles am eigenen Leibe erfahren müssen. Es war extrem unterhaltsam mit Nick Cave über diese Dinge zu sprechen. Nach dem Interview dachte ich mir: Puh, das ging ja noch mal gut. Aber Cave ist ein Mann, von dem habe ich jede Platte, jeden einzelnen Song und das Tolle ist, das Nick Cave vollkommen zeit- und alterslos ist. Der wird in zwanzig Jahren noch Platten machen, die ich hochspannend finde, da bin ich mir sicher.

Dann bedanke ich mich, dass du dir so viel Zeit genommen hast.

Sehr gerne. Ich spreche halt einfach sehr gerne über Musik und nutze jede Gelegenheit dazu.




Andi hat die Chance ebenfalls genutzt und Markus Kavka vor die Students-Kamera gezerrt. HIER klicken und schauen.


Die weiteren Gespräche: Abba bis Zappa mit...


Bild von Christian Dancker
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