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26. August 2011, 16:28 Kultur Movie

DVD der Woche: Camp Armadillo

Christina Ruloff - Was ist ein Krieg? Ist das ein Krieg? Janus Metz begleitet eine dänische Truppe in den Krieg in Afghanistan und zeigt dabei nicht nur die dortigen Verhältnisse, sondern vor allem die Mechanismen des Krieges auf. In Dänemark hat das Werk eine Debatte über den Afghanistan-Einsatz ausgelöst.

„Mini“ hat sich entschieden. Er will in den Krieg. Geübt hat er lange genug. Das sei wie beim Fussball – nach der Plackerei des Trainings wolle man doch auch ein Spiel, einen Ernstkampf bestreiten. Seine gutbürgerliche Familie schaut konsterniert und unglücklich über den Esstisch, wagt aber nichts zu sagen. Es ist die erste von vielen Filmszenen, die einen in ihrer Direktheit fassungslos macht und zugleich die Beschränktheit der Akteure entlarvt.

Mini und seine mehr oder weniger kollegialen Kameraden haben sich den Krieg nämlich anders vorgestellt, heroischer, aufregender wenigstens oder zumindest körperlicher. Die Patrouille der Truppe sei langweiliger als das dämlichste Karussell im Tivoli, klagt einer. In der Tat schlagen sie den Grossteil ihrer Zeit verbarrikadiert im Titel gebenden Camp Armadillo in der afghanischen Provinz Helmand mit Warten und Nichtstun tot. Zur Gereiztheit und inneren Unruhe kommt die Hilflosigkeit der sogenannten Friedenstruppe; die Taliban warten im Hinterhalt und schaffen es immer wieder, die Dänen in Schwierigkeiten zu bringen. Viel mehr, als die Felder der Bauern niederzutrampeln und den Dorfältesten leere Versprechen zu machen, bringt die Kompanie nie zu Stande. Und als es dann endlich „Action“ gibt, läuft nicht alles regelkonform...

"Wie das dämlichste Karussell im Tivoli" - die Patrouille durch die Provinz Helmand bietet den Soldaten zu wenig Action - noch...

Janus Metz und sein Kameramann Lars Skree haben Mini und Co sechs Monate lang in Afghanistan begleitet, auch im Kriegsgefecht und im Panzer. Sie waren „mittendrin statt nur dabei“ und wurden nach den ersten Gefechten als „Teil der Truppe“ akzeptiert. Damit hatten die beiden „access all areas“ und waren in der Lage die ganze, groteske Klassenfahrt der dänischen Soldaten zu bebildern – den einzelnen jungen Männern geht es auch um Patriotismus (in Dänemark eine äusserst positiv konnotierte Eigenschaft), allen aber vor allem darum, sich als Mann und in der Truppe zu beweisen und dem Kameraden beizustehen. Dass dieses Soldatenleben faszinierend ist (und die bekennend pazifistischen Filmemacher fasziniert hat) , verschweigt die Dokumentation nicht.

Männlichkeit, Kameradschaft und Patriotismus - die Soldaten wissen angeblich genau, warum sie in den Krieg ziehen.

Das Werk wurde jedoch im monatelangen Schnittprozess in Kopenhagen von Metz so zusammengestellt, dass es zeigt, wie verblendet die Soldaten sind und wie sehr ihre (und unsere!) Idee vom Krieg von sogenannten (Anti)Kriegsfilmen geprägt ist. Der Einsatz der Musik, die Schnitttechnik und gewisse Motive (die aufsteigenden Helikopter bei Sonnenuntergang zu Beginn des Films) sind von Hollywood-Motiven geprägt – hier bilden sie aber die Realität und ihre verquere Rezeption durch die Soldaten ab. Armadillo hat in Dänemark eine grosse und leidenschaftlich geführte Debatte über Sinn und Rechtmässigkeit des Afghanistan-Einsatzes ausgelöst. Die dänische Öffentlichkeit war schockiert über die Sinn- und Wirkungslosigkeit dieses in jeder Hinsicht teuren Militäreinsatzes; insofern ist Camp Armadillo ein „Kriegsfilm“, der für ein Mal Wirkung gezeigt hat – nicht nur in den Köpfen der Zuschauern, sondern auch in der Realität.

"Camp Armadillo" ist neu auf DVD erschienen!

Kommentare
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dollarhyde 29.08.2011 um 17:57
Wie ich bei mir feststellen musste, kann man "Armadillo" schnell für einen Pro-Kriegsfilm halten - eben weil die Mechanismen des Kriegsfilms so gut funktionieren.