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13. September 2011, 00:00 Movie

Die Katze des Rabbiners

Gregor Schenker - Mit "Gainsbourg (Vie héroïque)" hatte Joann Sfar den besten Film von 2010 inszeniert. Nun adaptierte er seine äusserst erfolgreiche und preisgekrönte Comicserie "Die Katze des Rabbiners" für die grosse Leinwand. Kann sich der Animationsfilm mit "Gainsbourg" messen?

Algier, 1920: Nachdem die Katze des Rabbi Sfar (Maurice Bénichou) dessen Papagei gefressen hat, kann sie plötzlich sprechen und stellt ihr Herrchen damit auf eine harte Probe, denn der pelzige Vierbeiner ist verlogen, frech und respektlos. Kein Wunder also, dass der Gelehrte seiner Tochter Zlybya (Hafsia Herzi) den Umgang mit dem unverschämten Tier verbietet. Der Kater (François Morel) will aber keinesfalls auf die Streicheleinheiten seiner geliebten Herrin verzichten, also verspricht er, ein guter Jude zu werden – der Rabbi soll sein Lehrer sein.
Da trifft eine Kiste mit religiöser Literatur aus Russland ein. In dieser steckt ein jüdischer Maler, der vor kommunistischen Repressalien floh und ausserdem nach Nordafrika kam, um nach dem sagenumwobenen äthiopischen Jerusalem zu suchen. Rabbi Sfar und seine Katze begleiten ihn auf seiner Reise.

Die unabhängige zeitgenössische Comicszene in Frankreich, die sich um Künstler wie Lewis Trondheim, Christopher Blain oder Joann Sfar dreht, ist sehr lebendig. Dass sich diese Zeichner auch in den Bereich des Zeichentricks vorwagen, liegt eigentlich nahe – ein prominentes Beispiel ist Marjane Satrapis oscarnominierter Persepolis. Joann Sfar hat zusammen mit Kollegen gleich ein eigenes Studio gegründet, Autochenille Production, das sich bisher auf die Adaption von Comicvorlagen spezialisiert. Le chat du rabbin, der seine Deutschschweizer Premiere am Fantoche feierte, war das erste Projekt, die Verfilmung von Aya de Yopougon wird demnächst veröffentlicht.

Man merkt durchaus, wie viel Ambition dahinter steckt: Le chat du rabbin ist nicht einfach irgendein Kinderfilm. Sfars Zeichenstil wurde für den Film geglättet, gewinnt aber durch den abwechslungsreichen Animationsstil eine ganz eigene Dynamik – es macht einfach Spass sich anzusehen, wie die Filmemacher mit den visuellen Gestaltungsmöglichkeiten des Zeichentricks spielen, sowohl dem Realismus als auch dem Cartoonesken zusprechen und verschiedene Stile ausprobieren. Manchmal ist der Film sehr kindlich, manchmal ist er düster und brutal.
Ebenso begeistern die Spielfreude der Sprecher (vor allem in den Wortgefechten zwischen dem Rabbi und dem Kater) oder die subtile, arabisch angehauchte Filmmusik von Olivier Daviaud, der schon Sfars Gainsbourg (Vie héroïque) vertonte.

Da kann die Geschichte nicht ganz mithalten. Sfar hat für Le chat du rabbin mehrere Bände seiner Comicserie verschmolzen, was wohl den sprunghaften und etwas chaotischen Eindruck erklärt, den der Film hinterlässt. Fängt dieser mit den Auseinandersetzungen zwischen dem religiösen Gelehrten und dem ungläubigen Frechdachs an, folgen einige seltsam allein stehende Episoden um ein Französischexamen oder den Besuch eines Löwenbändigers, bevor zur Halbzeit mit dem russischen Maler und der Suche nach Jerusalem plötzlich eine richtige Geschichte in die Gänge kommt.
Der Film greift dabei viele verschiedene Aspekte auf: Religionen und ihr Wahrheitsanspruch, die Kulturen in Nordafrika, verschiedene Formen des Antisemitismus, das Verhältnis von Religion und Kunst oder das Verhältnis zwischen Religion und Weltlichkeit (der einzige explizite Atheist ist übrigens ein reicher Russe, der säuft, schwitzt, sich über wahre Liebe lustig macht und aus Spass tötet).
Dass Sfar viele verschiedene Elemente antippt, statt sich auf ein paar zentrale Aspekt zu konzentrieren, geht zwangsläufig auf Kosten des Inhaltes. So sind die Gespräche zwischen dem Rabbi und der Katze im Vergleich zum Comic gekürzt und tendieren dafür ein bisschen zum Clownesken (im Film fängt zum Beispiel der Rabbi des Rabbi plötzlich an zu singen). Die philosophischen Auseinandersetzungen der Vorlage findet man im Film nicht im selben Masse wieder.

Vielleicht ist diese inhaltliche Zersplitterung und Verkürzung in einem Werk, das von so viel gestalterischem Übermut durchdrungen ist, unvermeidlich. Als Animationsfilm ist Le chat du rabbin jedenfalls eine Augenweide und ein Hörvergnügen. Als Film, der eine Geschichte erzählen und dem Publikum ein philosophisches Thema näher bringen will, holpert er ein bisschen – aber das lässt sich ganz leicht verkraften.


Bewertung: 4 von 5


  • Titel: Le chat du rabbin
  • Land: Frankreich/Österreich
  • Regie: Joann Sfar, Antoine Delesvaux
  • Darsteller: François Morel, Maurice Bénichou, Hafsia Herzi, Sava Lolov
  • Verleih: Pathé Films
  • Start: 15. September 2011
Fotos von Pathé Films

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Kommentare
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cruloff 13.09.2011 um 02:36
Muss ich sehen - allein schon wegen dieses Katers!!