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16. September 2011, 08:20 Kolumnen

SPIEGEL goes Wirtschaftsgymnasium / Teil 3

- In Teil eins und zwei der dreiteiligen Serie, wurde gezeigt, dass der Spiegel doch kein auktorialer Erzähler ist, auch wenn der Schreibstil diesen Eindruck erweckt. Jetzt erfährt ihr wie man -in 10 Schritten - genau so schreibt. Ein Einblick in die SPIEGEL-DNA.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Hallo FDP Wähler ( By the Way : Gibt es euch noch !? Hallo ? )

In den ersten beiden Teilen habe ich aufgezeigt, dass Spiegel-Redakteure doch nicht allwissend sind, auch wenn sie so schreiben, als seien sie es.Des weiteren habe ich phasenweise darauf hingewiesen, wie sich die Instanz des deutschen Journalismus immer mehr dem Boulevard nähert, was scheinbar allgemeiner Trend in der Medienwelt zu sein scheint. ( Diesem Trend zu reisserischen Formulierungen und partiellem Populismus, konnte ich mich auch nicht entziehen, wie einige aufmerksame Leserinnen und Leser mit Argusaugen festgestellten haben.)

Das der SPIEGEL heftigst mit dem Boulevard flirtet, sollte spätestens nach dem Leitartikel über den Sturz des tribiegen Dominique Strauss Kahn, allen klar geworden sein. Dieser Leitartikel soll für das Folgende als Basis dienen.Nun möchte ich einen Einblick in die SPIEGEL-DNA geben und zeigen, dass es keine Mutanten sind, die dort schreiben. Diesen Stil kann sich jeder aneignen, der folgendes befolgt.

Here we go :

In 10 Schritten zum Ich-schreib-wie-der-SPIEGEL Text

1.) Denk an den Focus-Slogan und fang immer an mit wahllosen Fakten. Das macht den Eindruck, dass du tiefgründig recherchiert und somit den totalen Durchblick hast. Der Spiegel macht das nämlich so :

„Rikers Island liegt im East River direkt in den Flugschneisen des New Yorker Airports La Guardia, die Tage auf der Gefängnisinsel beginnen und enden im Lärm sehr nahen Flugverkehrs, um 5 Uhr gehen die Lichter an in den Zellen und Baracken von 14 000 Häftlingen“

2.) Laufe lachend in das Labyrinth der Details und Nebensächlichkeiten und verliere dich dort. Der ahnungslose Leser wird begeistert staunen, was und woher du alles weisst. Auch wenn der Inhalt total belanglos ist.Der SPIEGEL macht das so :

„Strauss-Kahns Frühstück bestand aus einer Minibox Cornflakes, Milch, zwei Scheiben Toast, Obst, Kaffee oder Tee. Mittags gab es auf Rikers Island Gemüsechili mit Reis und Bohnen, zum Abendessen um 17 Uhr wurden Truthahnburger mit Kartoffelstampf gebracht. Um 23 Uhr ging in der Anlage, wie an allen Tagen, das Licht aus, aber nicht in Strauss-Kahns 3,40 mal 4 Meter großer Einzelzelle.“

3.) Auch äusserst wichtig : Tu so, als ob du jede Gegend auf der Welt kennst, wie deine Westentasche. Der SPIEGEL manifestiert das dann durch solche Sätze:

„DSK war in der Luxussuite des Sofitel Manhattan an der 44. Straße, wo im Nachbarhaus der verrückte Koch des „db Bistro Moderne“ schwarze Trüffeln über Hamburger hobelt, die mit Entenstopfleber gefüllt sind.“

4.) Habe bloß keine Angst vor schiefen und plumpen Metaphern. Rhetorische Figuren sind immer gut, schliesslich gabs doch dafür früher immer Pluspunkte im Deutsch-LK...

„Spiegel :// Der Zirkus der Gerüchte, der Zitate und wilden Theorien füllt jetzt die globale Manege (…)“

5.) Schau auf Twitter ob sich nicht irgendjemand zum Thema geäussert hat.

Könnte ja sein das zum Beispiel der User : „AMG_Ghetto_Player_950.000“ was prägnantes getwittert hat.

6.) Parallelen sind immer gut ! Sieh´ zu, dass du einen coolen Vergleich hinkriegst. Wenn nicht, egal macht nix. Die griechische Mythologie zieht immer.

Spiegel : „Strauss-Kahns Absturz aus den Höhen der Weltpolitik in eine Einzelzelle ist das harte Material, aus dem auch schon die griechischen Tragödien gemacht waren.“

7.) Du findest plötzlich keine wissenschaftlichen Erkenntnisse, um dem Text Substanz zu verleihen ? Hey, keine Panik! Denk einfach an den letzten Old-School-DVD-Abend mit deinen Freunden.

Spiegel : „(...) Wer eine Krücke sucht, wird am ehesten noch in der Kunst fündig, die ein paar gute Formeln zur Aufhellung bereithält. Im Film „Scarface“ sagt Al Pacino als Tony Montana: „In diesem Land“, gemeint ist natürlich Amerika, „musst du zuerst Geld machen. Wenn du das Geld dann hast, bekommst du die Macht. Und wenn du die Macht hast, kriegst du die Frauen.“ Ist das die Formel? Die Lösung des Rätsels Strauss-Kahn?“

8.) Wo es ein Wort tut, tun es auch vier. Oder auch mehr. Schliesslich sind wir ja nicht bei der BILD !

SPIEGEL : „Diese sind die direkten, sofort erreichbaren Untertanen, die Referenten, Pressesprecher, Sekretärinnen, Praktikantinnen (...)“.

9.) So langsam hast du aber keinen bock mehr, den Text in die Länge zu ziehen & im Archiv nach ähnlichen Geschichten zu stöbern. Es ist ok, du brauchst jetzt kein schlechtes Gewissen haben. Tu einfach so, als ob du dem Leser noch viel mehr aufzeigen könntest.

Denn der Spiegel macht das so : „So ließe sich die Welt abklappern nach lokalen und regionalen Gepflogenheiten im Umgang mit Sex und Macht, und wer die Geschichte studiert, kann sich für den Rest seines Lebens Gedanken machen über die moralische Integrität früherer amerikanischer Präsidenten und deutscher Bundeskanzler, über die Gastfreundschaft chinesischer Firmen, die ihren Geschäftspartnern gern Mädchen aufs Hotelzimmer schicken (...)“

10.) Zum Abschluss ganz wichtig : Der Leser darf nicht merken, dass du Geschwafelt hast. Also garniere deinen Wörter-Eintopf mit ein paar „hard facts“. Dadurch zementierst auch noch deinen Status als König der Recherche.

Königlich macht das der Spiegel : „Das Paar Strauss-Kahn-Sinclair verfügt über eine Sechszimmerwohnung im 16. Arrondissement von Paris und unterhält ein 240-Quadratmeter-Appartement an der Place des Vosges. Es gibt eine 380-Quadratmeter-Villa in Washington und eine Residenz in Marrakesch, deren Küche allein 160 000 Euro gekostet haben soll.“

Sakib Mehanovic

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