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30. September 2011, 00:00 Kultur Movie Zurich Film Festival

Kriegerin @ Zurich Film Festival

Patrick Holenstein - Kriegerin ist hart. Kriegerin ist niederschmetternd und Kriegerin ist schlicht gut. Ein eindringliches und gnadenlos ehrliches Filmportrait, welches weder das Thema Neonazismus beschönigt noch mit dem moralischen Finger auf die Hauptfigur zeigt.

Marisa ist tief in der rechtsradikalen Szene einer ostdeutschen Kleinstadt verwurzelt. Alles ist schlecht, alles ist böse und schuld sind sowieso die Ausländer, das ist für die junge Frau klar. Sie führt ein tristes Leben, säuft, raucht, dreht Handy-Videos mit rechtspopulistischen Inhalten und prügelt wahllos auf Ausländer ein. Einzig die Arbeit im Lebensmittelgeschäft ihrer Mutter und die Beziehung zum Grossvater bringen etwas Ordnung in ihr Leben. Nach einem Angriff auf ein asiatisches Pärchen muss ihr Freund ins Gefängnis. Marisa verliert die Nerven und begeht eine Dummheit, die ihr schnell leid tut und ihrer Denkweise einen Schlag verpasst. Als sie wenig später den jungen Afghanen Rasul kennen lernt und Einblick in seine Situation als Asylbewerber bekommt, beginnt sie endgültig ihren Freundeskreis und ihre eigene Einstellung zu hinterfragen. Davon sind nicht alle begeistert.

Schon in der Anfangssequenz fällt Alina Levshin auf. Die Nachwuchsschauspielerin wurde 1984 in Odessa geboren, lebt aber heute in Berlin. Sie hat kürzlich für ihre Rolle in Kriegerin den Förderpreis deutscher Film verliehen bekommen. Levshin portraitiert die rechtsradikale junge Frau mit einer Kaltschnäuzigkeit, die erschreckt, fassungslos macht, auf gewisse Weise aber auch Empathie bewirkt. Nicht zuletzt gelang ihr dies, weil sie für die Rolle über 14 Stunden Videomaterial mit Interviews von realen Frauen, die der Bewegung angehören, studiert hat. Darüber hinaus traf sie sich mit einigen der Frauen persönlich, um sich in die Rolle einzufühlen. An einer der Frauen habe sie sich besonders orientiert, auch was Aussehen, Sprache und Ausdruck angehe, erklärte Alina Levshin im Anschluss an den Film.

Viel Mühe gemacht hat sich auch der Regisseur von Kriegerin. David F. Wnendt, er lebt ebenfalls in Berlin, erzählte nach dem Screening, dass er schon vor längerer Zeit bei der Arbeit an einer Fotostrecke gemerkt habe, wie viele jugendliche Neonazis es in Deutschland gäbe. „Darunter sind auch viele Frauen, die aktiv teilnehmen“, wie Wnendt weiter erklärte. Das Thema liess ihn nicht mehr los und so beschloss er es für Kriegerin aufzugreifen. Die Geschichte funktioniert über drei Handlungsstränge, die sich unweigerlich tangieren. Neben Marisa und Rasul ist da noch die 15-jährige Svenja, die unter ihrem herrischen Stiefvater leidet, bei den Neonazis Anschluss sucht und sich mit Marisa befreundet. Das Verhalten der Figuren ist zwar oft hart, manchmal dumm und wirkt gelegentlich karikiert, ist wohl aber sehr nahe an der Realität. Zumindest laut der Crew.

Interessant ist auch, dass die oft brachiale und mit propagandistischen Texten versehene Musik von einem Komponisten extra für den Film geschrieben und von Wnendt getextet wurde. Man wollte vermeiden, der rechtsgefärbten Musikszene eine Plattform zu geben. Im Wechsel mit dem ruhigen Score funktioniert die Musik ideal. Kriegerin ist ein sehr vielschichtiger Film, der das Thema Rechtsradikalismus direkt, roh und ungeschönt zeigt, aber dabei nicht den Fehler macht, zu verurteilen. Das soll man als Zuschauer mal schön selbst machen.

  • Bewertung: 4,5 von 5
  • Dauer: 103 Min
  • Regie: David F. Wnendt
  • Darsteller: Alina Levshin, Jella Haase u.v.m.


Picture Credit: Zurich Film Festival Press Picture
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Tags
, ZFF, Kriegerin