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1. November 2011, 20:45 Konzert Music

Roxette demontieren ihren eigenen Kultstatus

Patrick Holenstein - «Das war das schlechteste Konzert, das ich je gesehen habe», machte sich eine Zuschauerin nach dem Konzert von Roxette Luft. Eben hatten Per Gessle und Marie Fredriksson nach zehn Jahren wieder im Hallenstadion gespielt. Sollte das erwartete Comeback etwa nicht nach Wunsch gelaufen sein?

Nostalgie liegt in der Luft. Das Hallenstadion wird bevölkert von einem buntgemischten Völkchen. Mittdreissiger mit Bier in der Hand tummelten sich zwischen blutjungen Neufans und mitten drin liegt sich ein Ehepaar in den Armen, das wahrscheinlich seinen Nachwuchs zur einen oder anderen Ballade von Roxette gezeugt hat. Alle verbindet die Vorfreude auf Marie und Per. Selbst die Musik, die aus den Boxen strömt, verrät die Richtung und spätestens mit «Unbelievable» von EMF war klar: das Ziel würden die 90er sein, ein Nostalgie-Trip also.

Dann geht es los, Roxette enterten die Bühne und ... Resignation macht sich breit. «Dressed For Success» klingt nach gar nichts, ist bloss ein so undurchdringlicher, flacher Brei aus Instrumenten, dass manchen Besuchern auf den Premium Plätzen glatt der Spass am Klatschen vergeht. Wirklich besser wird der Sound in der Folge nicht mehr. Dazu kommt, dass die Band zwar routiniert wirkt, aber – mal abgesehen von Per, der sich dauerfreut – eher Langeweile ausstrahlt. Die Frage ist dann auch eher, ob die Stimme von Marie Fredriksson noch stabil genug ist? Die an einem Hirntumor erkrankte Sängerin kämpfte jahrelang um ihr Leben und zog sich komplett aus der Öffentlichkeit zurück. Umso erfreulicher ist natürlich, dass sie wieder genesen ist und auf der Bühne stehen kann. Ihre Stimme hat hörbar gelitten. Sie singt gewisse Passagen nicht mehr ganz so präzise und man fragt sich, wieso man ihr nicht zwei, drei Backgroundsängerinnen zur Seite gestellt hat, die sie unterstützen. Aber das wäre nicht weiter tragisch, wenn der Rest der Performance stimmen würde. Tut er aber nicht.

Deutlich wird das Problem am Beispiel von «Fading Like A Flower». Marie eröffnet den Song alleine, singt souverän und mit dem für sie typischen Charakter in der Stimme. So weit alles wunderbar. Dann setzt die Band ein und das noch immer undurchdringliche Mus, das sie produziert, ruiniert die Ballade komplett. Zudem ist Marie teilweise kaum zu hören, weil Schlagzeug und Keyboard zu laut sind. Schade, aber da steckt deftig der Wurm drin und das zieht sich durch das ganze Konzert. Der nächste Songtitel könnte glatt als Metapher für den ganzen Abend verstanden werden: Crash! Boom! Bang!

Natürlich muss man festhalten, dass Roxette mit dem Faktor Nostalgie und mit Klassikern wie «It Must Have Been Love» oder «Joyride» trotz der viel zu faden Leistung für Stimmung im Stadion sorgen. Allerdings bleibt als bitterer Nachgeschmack die Frage, ob es für Roxette nicht besser gewesen wäre, die Band ruhen zu lassen. So kann man im Hallenstadion – fast mitleidend - ein wenig der Demontage einer Kultband zuschauen. Und um den Kreis zur enttäuschten Konzertbesucherin zu schliessen: Das schlechteste Konzert war es zwar nicht, aber leider nicht sehr weit davon entfernt.

Alle Bilder von Usgang.ch. Weiter Bilder gibt es in der Galerie.

Kommentare
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Guschi 04.11.2011 um 08:30
Hallo Patrick
Danke für das Kompliment. Im gegensatz zu anderen Konzerten war es auch recht einfach. So viel licht hatte ich noch selten. Bin demzufolge auch sehr zufrieden mit den Bildern.
Argosasas
Argosasas 04.11.2011 um 01:08
Ich fand es so schlecht, ja, andere - auch aus meinem Umfeld - waren begeistert.
Wobei den Bericht zum Yann nach einem überzeugenden Konzert klingt. Ok, etwas von Amelie hätte sein müssen, recht hast du, aber sonst scheint dein Eindruck ganz ok gewesen zu sein.
foxtrott 04.11.2011 um 00:38
Ach du Schande... so schlimm? Dann war ja mein Yann im Vergleich geradezu fantastisch
Argosasas
Argosasas 04.11.2011 um 00:29
Hey Guschi
Spannend, weil ich in meiner Zeit bei Students ca. 200 - 250 Konzerte in allen Grössenordnungen gesehen habe und Roxette klar unter den Top 20 der schlechtesten Konzerten zu finden ist.
Zum Glück sind ja die Geschmäcker verschieden und das ist gut so.
Dafür von mir als fotografischen Laien ein Kompliment für die Bilder, die ich sehr gelungen finde.
Bis demnächst bei einem Bier.
Guschi 03.11.2011 um 01:19
Hallo Patrick
Wie gesagt ich bin kein Musiker Aber in meiner Zeit als "Konzert Fotograf" für Usgang habe ich schon einige (ca 300) grössere und kleinere Acts gesehen. Und ich fand Roxette ganz ehrlich etwas vom besten.deshalb erstaunte mich Deine Ansichten so.
Das Du nach Negativem gesucht hast will ich Dir nicht unterstellen.
Das ist eben der Unterschied beim Schreiberling und dem Knipkasten Typ Ich sehe die Motive das funkeln in den Augen. Du konzentriert Dich auf die Musik und das drum herum. Das sind zwei komplett verschiedene Blickwinkel.
Ich lasse mir übrigens den Eindruck nicht verderben. Ist doch toll wenn nicht alle die gleiche Meinung und den gleichen Eindruck haben.
Die Idee mit dem Bier finde ich super. Das gehört mittlerweile schon zum Ritual im Hallenstadion. Zuerst die Arbeit und dann ja eben Prost.
Bis Bald
Guschi
Argosasas
Argosasas 03.11.2011 um 00:54
Lieber Guschi
Ich glaube schon, dass wir am gleichen Konzert waren. Meine Aufgabe ist natürlich, ein Konzert möglichst sachlich zu bewerten. Ich kann auch jetzt noch zu den Kritikpunkten stehen, die ich anbringe. Einzig, der Punkt mit der gelangweilten Band könnte man als subjektiv beurteilen, da ich - wie Du ja weisst - nicht in der ersten Reihe gestanden habe. Ich habe es aber so empfunden und in den Text eingebaut.
Als nichts für ungut, es ging mir überhaupt nicht darum, Roxette runter zu machen, sondern um einen sachlichen Bericht. Es ist ja auch nicht so, dass ich mit dem Anspruch ins Stadion gegangen wäre, möglichst viel Negatives zu finden.
Stellt sich die Frage, ob es denn reicht, "nur" Freude auf der Bühne zu haben, wenn sonst so wenig stimmt. Schliesslich bewegen sich Roxette im hochprofessionellen Sektor und die Leute zahlen ziemlich viel Eintritt für das Konzert.
Natürlich muss es nicht immer U2 oder DJ Bobo sein und eine so grosse Show ist nicht immer zwingend, da bin ich Deiner Meinung, aber man muss auch nicht gleich alles schlucken, nur weil die Band auf der Bühne einen grossen Namen hat.
Es ist mir in meiner Zeit bei Students auch noch selten passiert, dass ich ein Konzert so negativ bewerten musste und ich versuche immer, fair zu beurteilen.
Aber irgendwo sind Konzerte doch eh subjektiv und wenn es Dir gefallen hat und Du einen super Abend hattest, dann ist das perfekt und lass Dir das bitte nicht von meinem Eindruck verderben.

Vielleicht sieht man sich beim nächsten Mal, wenn wir gemeinsam über ein Konzert berichten, für ein Bier.

Liebe Grüsse vom Schreiberling
Guschi 03.11.2011 um 00:05
Lieber Patrick
Dein Bericht überrascht mich jetzt ein bisschen. Waren wir wirklich am selben Konzert???
Klar die Show war nicht in den Sphären von den U2 oder Dj BoBo. Aber so grotten schlecht wie Du es beschreibst fand ich es dann doch nicht. Es war halt eben kein grosses Drum herum sondern Musik pur.
Klar ob jetzt da jeder ton sitzt oder nicht kann ich nicht beurteilen da ich selber nicht singen und völlig Unmusikalisch bin. Aber als ich die Bilder machte, die man oben sieht merkte ich wie die Leute auf der Bühne einfach Freude hatten wieder Musik zu machen.
Ich für meinen Teil hatte einen fantastischen Abend den ich nicht so schnell vergessen werde.
Liebe grüsse vom Typ mit dem Knipskasten
Guschi