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3. November 2011, 19:36 Konzert Music

Monsieur Tiersen: Où est Amélie?

Ramon Göldi - Von wegen die Woche "langsam" starten. Etwas Klassisches erwartet? Tja, dann, Zeit die Meinung zu revidieren. Der instrumentale Alleskönner hat die ganze akustische Spannweite ausgereizt. Zum Vergnügen gebildeter Musiker und zum Missfallen der unwürdigen Soundtrack-Hörer.

Man stelle sich den einladend grossen Saal des X-TRA vor: Es ist Montagabend, der Weisswein gekühlt und die - zugegeben etwas älteren - Zuschauer voller Vorfreude und mit seligem Lächeln im Gesicht, harrend der lieblichen Piano- und Geigenklänge des Yann Tiersen.

Leise und artistisch ausgeklügelt beginnt der Komponist der Soundtracks "Die fabelhafte Welt der Amélie" und "Good Bye, Lenin" seine Stücke, zunächst, auf der Gitarre vorzutragen. Begleitet von diesmal (er ist dafür bekannt in verschiedenen Formationen aufzutreten) fünf Kumpanen lotet er die Grenzen immer weiter aus, um endlich dann die Weisswein-Stimmung in bierseligen Hard Rock zu verkehren.

Die eingangs beschriebene Zweiteilung zeigt sich spätestens jetzt. Während die vorbereiteten, 'richtigen' Fans des Monsieur Tiersen hörig mehrere Oktaven geradezu aufsaugen, klappen die Münder der Alternative-Filme-Gucker (zu welchen ich mich, Asche auf mein Haupt, auch zähle) immer weiter auf. "Ach, der spielt jegliche Art von Musik? Wusste ich gar nicht" wäre wohl die kollektive Aussage dieser Hälfte des Publikums.

Nach ersten Adaptionsproblemen der ungebildeten Menge und in Kombination mit seiner Geige trumpfte Yann Tiersen dann aber auf. Man feierte die akrobatischen Fingerübungen und Instrumentalteile, die wirklich wunderschön waren, mit tosendem Applaus. Leider blieb er nicht auf dieser Welle, sondern änderte seine Stossrichtung abermals. Im letzten Viertel des Konzerts versuchte er dann begleitet von seiner Band wildeste Kompositionen auf seiner Gitarre. Eher ein Musiklabor denn eine Vorstellung.

Dass ein gestandener Virtuose wie erwähnter Franzose in erster Linie den Hardcore-Fans gefallen möchte, erstaunt wenig. Die ganze Masse dann aber mit experimentellen Elementen, die bald an Dschungel, bald an Schwerindustrie erinnerten, herauszufordern ist fragwürdig. Sogar diese Versuche waren, rein handwerklich, von höchster Qualität – keine Frage. Nur ein, zwei Stücke mehr Mainstream, wenigstens einen Amélie-Track, hätten wir uns schon gewünscht.

YouTube Video - Aufnahme eines Livekonzerts, in etwa dem oben beschriebenen, fantastischen Mittelteil entsprechend:

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