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29. November 2011, 00:00 Kultur Movie

Kino: Carnage - Der Gott des Gemetzels

Gregor Schenker - Roman Polanski hetzt für seinen neusten Spielfilm vier erstklassige Schauspieler aufeinander – und stellt die Werte der westlichen Gesellschaft in Frage. Das Ergebnis ist zu gleichen Teilen niederschmetternd und witzig.

In einem Park spielen Kinder. Zwei Jungen streiten sich, schliesslich schlägt der eine dem anderen einen Ast ins Gesicht. Die Eltern der beiden treffen sich: Auf der einen Seite die des Opfers, Penelope Longstreet (Jodie Foster) und ihr Mann Michael (John C. Reilly). Auf der anderen Seite Nancy und Alan Cowen (Kate Winslet und Christoph Waltz), die Eltern des Täters. Auf der einen Seite ein Haushaltwaren-Händler und eine engagierte Schriftstellerin. Auf der anderen Seite eine Maklerin und der Anwalt eines Pharmakonzerns.

Mit dieser Versuchsanordnung beginnt Roman Polanskis neuer Film Carnage, ein Kammerspiel, das sich fast durchgehend auf vier Schauspieler und ein Wohnzimmer konzentriert – tatsächlich handelt es sich bei der Vorlage um ein Theaterstück, nämlich um Le dieu du carnage der französischen Schauspielerin und Autorin Yasmina Reza. Zusammen mit Reza hat Polanski das Stück für die Leinwand adaptiert und von Paris nach New York versetzt.

Sieht es zu Anfang aus, als würden sich diese vier Leute vernünftig einigen können, zeigen sich bald Risse in der Fassade gegenseitigen Respekts. Aus kleinen Anspielungen werden immer heftigere Vorwürfe. Grenzen werden überschritten. Bald eskalieren die Angriffe.
So geht dem gutmütigen Michael das politische Engagement seiner Frau, die an einem Buch über das Massaker in Darfur schreibt, insgeheim auf die Nerven. Penelope hingegen suhlt sich in ihrer moralischen Überlegenheit. Der zynische Anwalt Alan erweist sich als hilfloser Sklave seines Smartphones. Und unter der freundlichen Maske von Nancy kommt ein spitzzüngiges Monster hervor.

In stets wechselnden Fronten hackt hier jeder auf jedem rum. Westliche Werte, zivilisatorische Errungenschaften, Vorstellungen von Ehe und Erziehung werden infrage gestellt. Vorurteile und Doppelmoral werden entlarvt. Der Film bleibt durchgehend satirisch überspitzt und brüllend komisch – nicht zuletzt dank vier erstklassiger Darsteller (immerhin drei davon oscarprämiert), die ihre Rollen mit viel Freude an kleinen Bösartigkeiten und hysterischem Jähzorn verkörpern.

Polanski und Reza verweigern ihren Helden jegliche Tragik und stellen stattdessen ihre Lächerlichkeit heraus. Die Streithähne versinken in Selbstmitleid. Auf ein Gemetzel wartet man vergebens – die Protagonisten sind bloss Maulhelden. Nicht einmal ein richtiges Ende wird ihnen zugestanden.


Bewertung: 4 von 5


  • Titel: Carnage
  • Land: Frankreich/Deutschland/Polen
  • Laufzeit: 79 Min.
  • Regie: Roman Polanski
  • Darsteller: Jodie Foster, Kate Winslet, Christoph Waltz, John C. Reilly
  • Verleih: Ascot Elite
  • Start: 1. Dezember 2011
Fotos von Ascot Elite

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