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15. Januar 2012, 16:36 Kultur

Ganz im Gegenteil I

Junges Schauspielhaus - Die Proben zu „Der Hund mit dem gelben Herzen oder Die Geschichte vom Gegenteil“ am Jungen Schauspielhaus Zürich haben begonnen!

„Am Anfang war das Wort“, heisst es in der Bibel. „Am Anfang war ein Buch“, sagte die Dramaturgin des Jungen Schauspielhauses Zürich Petra Fischer als ich sie vor einigen Monaten in der Kantine traf, um über meine Dramaturgie-Hospitanz zu sprechen. Jutta Richters Roman „Der Hund mit dem gelben Herzen oder Die Geschichte vom Gegenteil“... Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine Schauspieler, noch kein Textbuch und kein Bühnenbild. Aber eine Geschichte.

Zum Probenbeginn am 4. Januar sieht das schon ganz anders aus. Mindestens 15 Personen drängen sich um einen Tisch. Vier Schauspieler: Judith Cuénod, Oliver Krättli, Fabian Müller und Peter Zimmermann, der Regisseur (Philippe Besson), die Bühnenbildnerin (Karoline Young), die Dramaturgin (Petra Fischer), Theaterpädagogen, Assistenten, Praktikanten, Mitarbeiter der Öffentlichkeitsarbeit und ich. Alle sind in den kommenden Wochen dran beteiligt, aus Jutta Richters Geschichte eine Theaterinszenierung zu machen. Es gibt nun ein Bühnenbildmodell, ein Textbuch, ein Regiekonzept und die Schauspieler lesen den Text nun zum ersten Mal in ihren Rollen. Sie lesen die Geschichte von G. Ott, dem grössten Erfinder der Welt. Grösser als Thomas Edison, Galileo Galilei und James Watt zusammen, denn G.Ott hat eigentlich alles erfunden, was man sich vorstellen kann.

Während die Schauspieler ihre Texte sprechen, kann man manchmal schon ahnen, wie sie vielleicht am Ende einmal sein könnten, ihre Figuren in der Inszenierung.Also eigentlich ist schon fast alles fertig, könnte man denken. Aber am zweiten Probentag beginnt auch bei uns das Erfinden. Scheinbar aus dem Nichts schöpfen die Schauspieler ihre Figuren. „Wie spiele ich einen Hund, obwohl ich ein Mensch bin?“, fragt sich Olli. „Wie spielt man ein Kind, obwohl man Mitte zwanzig ist?“, fragen sich Fabian und Judith. „Und wer oder was ist eigentlich ein ‚Lobkowitz’?“, fragt sich Peter.

In der folgenden Woche erfinden Philippe und die Schauspieler fast g.ottgleich Figuren und Szenen, probieren aus und verwerfen wieder, entscheiden sich für etwas und überprüfen es erneut. Dabei konzentrieren sie sich zunächst nur auf eine einzige Szene. Wie laufen die Figuren und wie sprechen sie? Wie bewegen sie sich im Raum und wie ist ihr Verhältnis untereinander? Das sind Fragen, die immer wieder auftauchen. Zunächst machen die Schauspieler „Angebote“, das heisst sie spielen die Figur erst einmal so, wie sie sie sich vorstellen. Dann macht Philippe weitere Vorschläge, beginnt manchmal selbst zu spielen und macht eine Bewegung, einen Gang oder eine Stimme vor. Diese „Beta-Versionen“ der Figuren entwickeln die Schauspieler weiter, machen neue Angebote und schöpfen so eine ganz eigene neue Welt. Manchmal muss man dabei aber aufpassen, dass alle auf dem Boden bleiben, denn Fabian hat gestern schon gefragt: „Ich war jetzt kurz Gott, hab ich das richtig gesehen?“.

Fortsetzung folgt nächste Woche...

Von Sinja Marie Krüger

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