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10. April 2007, 00:00 Interview

Joe Cocker

Silvan Gertsch - Die Woodstock-Legende Joe Cocker veröffentlichte vor kurzem sein neues Album 'Hymn For My Soul'. Im Interview sprach er über den iPod, seine Erinnerungen an Woodstock und über seine baldigen Auftritte in der Schweiz. Mr. Cocker, Ihre Stimme klingt auf 'Hymn For My Soul' stärk...

Die Woodstock-Legende Joe Cocker veröffentlichte vor kurzem sein neues Album 'Hymn For My Soul'. Im Interview sprach er über den iPod, seine Erinnerungen an Woodstock und über seine baldigen Auftritte in der Schweiz.

Mr. Cocker, Ihre Stimme klingt auf 'Hymn For My Soul' stärker als je zuvor. Haben Sie versucht, sie mehr ins Zentrum der Songs zu rücken?

Joe Cocker: Als wir beschlossen, dieses Album zu machen, Ethan Johns (Produzent) und ich, sagte er mir, wie er es aufnehmen möchte. Er wollte überhaupt keine Tricks einsetzen dafür. Ich benutzte auch ein Mikrofon, das er mir empfahl. Ich erinnere mich nicht einmal mehr, was es genau für eines war. Er wollte einen 'present sound', wie wir ihn seit einiger Zeit vermissten. Ich war sehr zufrieden damit.

Entspricht das Resultat Ihren Erwartungen?

Ja. Ich wusste nicht genau, in welche Richtung ich mit dem Album gehen möchte, als ich mit Ethan darüber sprach. Und er sagte mir, dass er das bevorzugte, was ich in meinen frühen Jahren gemacht habe - in den späten 60ern. Wir machten deshalb bewusst ein Album, das als Ganzes daher kam, so wie damals. Wir dachten nie an Hits, sondern nur an das Album und an die Reihenfolge der Songs, damit der Hörer auf eine Reise genommen wird (lacht). Wir haben bewusst diese Art von Platte gemacht.

Was bedeutet Ihnen 'Hymns For My Soul'?

Als wir begannen, realisierte ich, dass ich viel mehr Blues und Gospel machen würde als ich es in der letzten Zeit getan habe. Viele Leute fragten mich, ob ich diese Art von CD machen könne. Es ist in Ordnung, wenn du Balladen singst, Joe, aber du musst etwas machen, was du dir gewohnt bist. Wie ich schon gesagt habe, mir war wichtig, dass man das Album als Ganzes anhören kann.

Was ist Ihre Motivation, auch nach über vierzig Jahren in der Musikbranche CDs aufzunehmen und zu touren?

(lacht) Das ändert von Tag zu Tag. Im letzten Jahr war ich so müde nach der Tour, dass ich mir sagte, dass ich ein Jahr Pause machen müsse. Ich war ziemlich froh, nichts tun zu müssen. Gleichzeitig dachte ich mir: Die Strasse ist immer noch hier. Jedes Mal wenn man ein Album aufnimmt, weiss man nicht, ob die Leute es hören wollen und ob sie an die Konzerte kommen. Es ist eine Geschichte mit mir, die immer weiter geht. Und ich denke, wenn ich mich für drei oder vier Jahre von der Musik zurückziehen würde, dann käme ich nie mehr zurück. Irgendetwas in mir, es kann Angst sein, bringt mich dazu, weiterzumachen.

Gab es einen Moment in Ihrer musikalischen Karriere, den Sie als Höhepunkt bezeichnen würden?

Nein. Die Leute denken dabei immer an Woodstock. Ich verstehe, warum dieser Eindruck entstehen kann, weil wir damals ziemlich gut gespielt haben. Viele andere Bands waren nicht so gut wie wir. Aber ich hatte viele Höhen und Tiefen in meiner Karriere. Ich denke nicht an irgendeinen Supermoment.

In einem Interview mit der 'Weltwoche' sagten Sie, dass es Momente gegeben habe, in denen Sie auf der Bühne beinahe kollabiert wären. Wie kann man sich das vorstellen?

Als ich jünger war und wir 'With A Little Help From My Friends' gespielte haben, wurden wir gegen Ende immer schneller. Ich wurde gefangen, wie die Sänger in der Kirche, die Gospel singen. Man verliert sich, ohne sich darüber bewusst zu sein. Heute kommen Leute zu mir und fragen mich, ob ich das nicht wieder mal tun können. Und ich erkläre ihnen dann, dass ich das nicht planen könne.

Passiert es Ihnen heute nicht mehr?

Doch, immer noch. Aber es ist kontrollierter als es damals war.

Sprechen wir über Woodstock. Wenn Sie heute jemandem erklären müssten, was damals abging, wie die Atmosphäre dort war. Was würden Sie erzählen?

Es bedeutete das Ende der 60er. Deshalb ist es so symbolisch. Junge Leute sind immer fasziniert davon heute. Wenn sie so viele Leute auf einem Feld sehen... (lacht) Heute schaut man Fussball oder Football, überall hat man Logos, das gab es damals noch nicht. Es war einfach ein Symbol des Friedens, das zu seinem Ende kam. Die Maschine übernahm wieder.

Haben Sie seither ähnliche Momente erlebt?

Ich habe ja noch ein zweites Mal dort gespielt. Auch damals war wieder eine riesige Zuschauermenge anwesend. Es ist wirklich hart, vor so vielen Leuten zu spielen - vor mehr als 100'000 Leuten. Ich bin mal noch in Russland und in Polen vor so vielen Zuschauern aufgetreten.

Was ist das Schwierige daran?

Wenn man vor zehntausend Leuten eine gute Show spielt, schalten sie sich alle ein. Aber spielt man vor mehr Leuten, dann blickt man über diesen Ozean an Zuschauern. Darunter hats solche, die Sandwiches essen, es war halt Hippie-Zeit. Die machten alles damals und ignorierten die Bühne. Damals spielten wir mit der Grease-Band gegen Ende hin einen Song namens 'Let's Go Get Stoned' und 'With A Little Help From My Friends'. Dann erst schalteten sich die Leute richtig ein.

Bald treten Sie in der Schweiz auf. Was dürfen wir erwarten?

Wir werden natürlich wie immer die Hits spielen. Aber wir bieten mehr eine Back-to-the-roots-Show. Von der aktuellen Platte spielen wir vier oder fünf Songs und mixen sie zusammen mit dem Rest.

Wie hat sich ihr Publikum verändert über all die Jahre?

Das ist wie ich - es wird älter (lacht). Wir bringen aber immer noch jüngere Leute an Konzerte, das ist faszinierend.

Im Internet kursierte das Gerücht, dass Sie der Babysitter von Jarvis Cocker gewesen seien.

Ich habe kürzlich ein Interview gegeben, wo es auch um diese Geschichte ging. Die fragten mich dort: 'Wer ist Jarvis Cocker?' Aber nein, wenn du darüber nachdenkst, musst du dich fragen, wie ich sein Babysitter hätte gewesen sein sollen. Ich bin 63 Jahre alt, er ist wahrscheinlich um die Vierzig. Deshalb, nein. Ich habe Jarvis nie kennen gelernt (lacht).

Was denken Sie, wenn Sie Ihre Karriere heute gestartet hätten. Wären Sie genauso erfolgreich geworden?

Das ist ein interessanter Punkt. Die Zeiten haben sich so stark verändert. Es gibt heute viele Frauen wie Joss Stone oder Amy Winehouse, die wieder verstärkt in die Soul-Richtung gehen. Bei den Männern ist es John Mayer. Es wäre aber viel härter heute. Ich hasse all diese 'Idol-Shows'. Es dauerte fünf Jahre, bis ich einen Vocal-Stil entwickelt hatte. Ich habe in Sheffield in den Bars gespielt - so lernt man, aufzutreten. Ich spielte jeden Abend.

Was sind die wichtigsten Dinge im Musikbusiness, die sich über die Jahre geändert haben?

Es ist der iPod, der alles verändert hat (lacht).

Sie sind kein Freund des iPods?

Ich muss einer sein. Meine Frau lacht mich aus, wenn sie mich mit meinem CD-Player sieht. Niemand trägt heute mehr so einen mit sich rum. Ich sagte, hey, ich hab gerade eine neue CD gekauft. Aber sie war immer offen den neusten Geräten gegenüber. Sie kaufte mir einen iPod und zeigte mir, wie man herunterlädt. Aber ich war immer zurückhaltend gegenüber modernen Geräten. Eine weitere Änderung ist die, dass sich die Musikszene mehr in Richtung Pop wandelt. Das enttäuscht mich ein wenig. Aber ich weiss, dass es dort draussen Talente gibt.

Warum enttäuscht es Sie, dass die Musikszene in Richtung Pop geht?

Weil es einmal um Rock'n'Roll ging. Und heute geht es immer wie weniger darum. Es geht verstärkt ums Verkaufen. Ich vermisse den alten Rock'n'Roll-Spirit. Genesis gehen zwar wieder auf Tour, The Police ebenfalls. Die Dinosaurier-Herrschaft ist noch nicht vorbei (lacht).

Joe Cocker - Hymn For My Soul

Live: Am 5. Mai im Benissimo, am 20. Juli am Live @ Sunset in Zürich und am 29. September im Hallenstadion in Zürich.

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