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16. März 2012, 19:01 Kultur Movie

Kino: The Hunger Games - Die Tribute von Panem

Patrick Holenstein - In den USA entsteht um The Hunger Games gerade ein riesiger Hype. Schon bevor der Film am nächste Woche startet, sind hunderte Vorstellungen ausverkauft. Was sind die Hunger Games und kann der Film der Buchvorlage gerecht werden?

«The Hunger Games – Die Tribute von Panem» spielt in einer fiktiven Zukunft. Die USA sind in zwölf Distrikte aufgeteilt. Der Kontakt untereinander ist den Distrikten streng verboten. Jedes Gebiet steht für eine Industrie. Von Luxusgütern in Distrikt 1 bis zu den Kohlebergwerken in Distrikt 12. Hier lebt Katniss Everdeen (Jennifer Lawrence, «Winter’s Bone») mit ihrer Mutter und der kleinen Schwester Prim. Seit der Vater bei einem Grubenunglück starb, sorgt Katniss für die Familie. So zögert sie keine Sekunde als Prim für die Hunger Games ausgelost wird und stellt sich an ihrer Stelle freiwillig der tödlichen Herausforderung. Die Hunger Games werden dem Volk als sportlicher Wettkampf verkauft, sind aber im Grunde nichts anderes als die alljährliche Strafe für einen gescheiterten Aufstand, den alle Distrikte vor Jahren gegen das Kapitol geführt und verloren haben. Aus jedem Distrikt werden jeweils ein Junge und ein Mädchen zwischen 12 und 18 Jahren per Los bestimmt: die Tribute. Sie werden in eine Arena gesperrt und in einer riesigen Spielshow aufeinander losgelassen. Ein blutiger Kampf, der so lange dauert, bis nur ein Tribut übrig ist.

Der Einzige, der jemals für Distrikt 12 die Hunger Games gewinnen konnte, ist Haywitch Abernathy (Woody Harrelson, «Zombieland»). Mit seinem Sieg verbunden ist die lästige Pflicht, die Tribute aus seinem Distrikt bei den Spielen zu betreuen. Doch Haywitch säuft lieber und murmelt zynische Sprüche in seinen schütteren Bart. Katniss erkennt schnell, dass sie von ihm nicht viel Hilfe zu erwarten hat. Genauso wenig traut sie ihrem Mitstreiter Peeta (Josh Hutcherson, «The Kids Are All Right»), obwohl sie eine gemeinsame Vergangenheit haben. Besser steht sie zu ihrem Stylisten Cinna (Rockstar Lenny Kravitz). Er ist für die Vorbereitung von Katniss im Kapitol zuständig und verhilft ihr durch seine extravaganten Outfits zu sehr viel Ansehen und Popularität. Cinna weiss sehr genau, dass je populärer ein Tribut, desto grösser die Chance auf Sponsoren ist, die dann während der Spiele kleine, aber lebensrettende Hilfestellungen wie Medizin oder Nahrung finanzieren dürfen. Kontrolliert werden die Sponsorengüter von Haywitch. Katniss zweifelt anfangs noch an seiner Kompetenz, merkt jedoch schnell, dass sie ihn ihm einen wertvollen Verbündeten hat. Denn jede Hilfe ist wertvoll, wenn es in der Arena um Leben und Tod geht.

«The Hunger Games – Die Tribute von Panem» basiert auf dem ersten Teil der gleichnamigen Roman-Trilogie der amerikansichen Schriftstellerin Suzanne Collins. Literaturverfilmungen haben grundsätzlich das Problem, dass Aspekte ausgeklammert und Details weggelassen werden müssen. Zum Teil aus dramaturgischen Gründen oder aber bloss, weil der Film sonst zu lange würde. Das Kunststück ist es, die Schere an der richtigen Stelle anzusetzen. Im Fall von «The Hunger Games - Die Tribute von Panem» gelingt die Umsetzung akkurat. Kinobesucher, die das Buch nicht kennen, werden der Geschichte problemlos folgen können, aber auch wer den Roman kennt, dürfte an der Verfilmung seinen Spass haben. Einige künstlerische Freiheiten erlaubt sich das Drehbuch trotzdem.

Besonders schade ist, dass die Aufstände, die während der Spiele in Distrikt 11 ausbrechen, in den Film geschrieben wurden. Ihre Funktion ist einzig, die Regimekritik zusätzlich zu unterstreichen. Das ist zwar narrativ halbwegs logisch nachvollziehbar, aber unnötig, da die Kritik auch so präsent ist. Im Roman von Suzanne Collins wird diese Thematik zudem deutlich subtiler gelöst, indem sich das Volk von Distrikt 11 über die vom Kapitol erzwungene Rivalität beziehungsweise das Kontaktverbot hinwegsetzt und mit Katniss solidarisiert. Eine weitere Abweichung vom Roman ist die Suche nach Wasser. Direkt nach dem Beginn der Spiele ist Flüssigkeit immens wichtig. Wo Katniss im Buch beinahe verdurstet und ihren Mentor verflucht, weil er ihr nicht hilft, findet sie im Film problemlos Wasser. Im Buch wird durch die gezielt verweigerte Hilfe von Haymitch das Vertrauen zwischen Mentor und Schützling untermauert, weil Katniss irgendwann realisiert, dass Wasser in der Nähe sein muss und so erkennt, dass ihr Mentor keine Ressourcen verschwendet, sondern ganz genau weiss, was er tut. Dadurch wird der Verstand von Katniss entscheidend geschärft. Hier vergibt der Film eine schöne Chance.

Die Stärke des Films beruht auf seinen jugendlichen Darstellern, die in die Rollen der Tribute schlüpfen. Jennifer Lawrence gibt der selbstständigen und mit einer gewieften Bauernschläue gesegneten Katniss ein Gesicht. Sie kämpft sich durch Feuer, wehrt sich gegen andere Tribute und darf durchaus Schwäche zeigen. Leider geht im Film die Figur der Rue (Amandla Stenberg), die sich mit Katniss verbündet, etwas unter. Der amüsante Handlungsstrang des Buches wurde für den Film etwas gekürzt, was schade ist, denn die flinke Rue ist ein Sympathieträger. Josh Hutcherson spielt seine Rolle gut und schafft es, mit dem Zuschauer zu spielen, allerdings liegt es in der Natur seiner Figur, dass er wenige Sympathien gewinnt. Peeta lässt sich einfach nicht einordnen, wirkt gar opportunistisch.

Ein wichtiger Faktor bei «The Hunger Games – Die Tribute von Panem» ist die Sozialkritik. Ein Regime, dass die Schere zwischen Armut und Reichtum bewusst so weit geöffnet hält, dass die Menschen in den «niederen» Distrikten an Hunger sterben, und so nachtragend oder wahlweise paranoid ist, dass es brutale Spiele, bei denen Kinder getötet werden, zur Volksbelustigung veranstaltet, ist plakativ, totalitär und auch nicht ganz unrealistisch. Das Team um Regisseur Gary Ross begreift aber, dass dieser kritisierende Aspekt im Buch sehr deutlich wird, indem die Dekadenz des Kapitols überzeichnet, fast als lächerlich beschrieben wird. Dem trägt der Film Rechnung. Durch überstylte Figuren wie Stanley Tucci, der als Moderator der Spiele sein Haar knallig blau trägt, oder Elisabeth Banks, die für ihre Rolle der Effie Trinket, welche die Tribute in Distrikt 12 auslost, in so grässlich grelle Kostüme gesteckt wurde, dass die Welten zwischen ihr und ihren Schützlingen nicht grösser sein könnten. Die überspitzte Beschreibung, die das Buch so lesenwert macht, und die Spiele ins Absurde kehrt, wird zumindest bei den Zeremonien rund um die Hunger Games sehr amüsant umgesetzt.

Die Kamera macht diese Eindrücke auf der Bildebene deutlich. So wird die Einführung in Distrikt 12 noch wacklig, schnell geschnitten und manchmal gewollt unscharf gezeigt. Dadurch wird das Gefühl von alltäglicher Bedrohung und herrschender Angst plastisch. Die Szenen im Kapitol sind dagegen ruhig und stoisch, wirken nicht mehr bedrohlich, sondern ressignierend. Die Tribute haben sich ihrem Schicksal gefügt und dies wird auf der Bildebene durch lange Einstellungen und geschickte Schnitte betont. Die Zeremonie, bei der alle Tribute vorgestellt werden, wirkt hingegen episch, unterstützt aber nur nochmals die verlogene Grausamkeit des Anlasses. Sicher ist: «The Hunger Games – Die Tribute von Panem» hält den Erwartungen, welche die Romanvorlage weckt, stand, kommt zwar nicht ganz an dessen Faszination und Detailreichtum heran, macht aber über fast zweieinhalb Stunden durchaus Spass.

Bewertung: 4 von 5


  • Titel: The Hunger Games - Die Tribute von Panem
  • Land: USA
  • Regie: Gary Ross
  • Darsteller: Jennifer Lawrence, Woody Harrelson
  • Verleih: Rialto Film
  • Filmstart: 22. März 2012


Bilder: © Impuls Pictures/Rialto Film

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