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29. September 2012, 16:39 Kultur Movie Zurich Film Festival

Anfang 80 @ Zurich Film Festival

Claudia Maag - Nach der Diagnose Krebs möchte Rosa ihre letzten Monate zuhause verbringen. Sie beschliesst, diese Zeit ausgiebig zu geniessen. Als sie Bruno trifft, schlägt es bei beiden ein wie der Blitz. Mit viel Gefühl werden ihr Lebenshunger und die Intoleranz des Umfeldes dargestellt.

Alte Menschen werden oft übersehen. Rosa weiss, wie das ist, und sie weiss sich zu helfen, damit sie in Erinnerung bleibt. Als das weibliche Personal sie im Röntgenraum vergisst, tritt sie in die Kabine der jungen Frau und klatscht ihr eine.
Vom Arzt erhält sie anschliessend die damoklesschwertartige Diagnose: Krebs. Die Metastasen sind überall. Rosa will keine Chemo, sie beschliesst, das halbe Jahr, das ihr bleibt, daheim zu verbringen. Doch als sie mit ihrem Koffer vor der Wohnung steht und aufschliessen will, öffnet ihr eine junge, ihr unbekannte Frau. Ihre Nichte hatte ungefragt die Wohnung der alten Frau gekündigt und neu vermietet.

Als sie fassungslos und aufgelöst auf der Strasse steht, trifft sie auf Bruno, der seine eingeschläferte Katze Gassi führt. In einem Park vergraben sie die Katze. Rosa checkt in einem Hotel ein und der unbeholfene Gentlemen bringt sie bis zur Tür. Dort waschen sie sich die mit Erde verschmutzten Hände. Da passiert es: Bruno küsst die ihm fremde Frau. Er erschrickt und flüchtet. Er ist über 50 Jahre mit Herta verheiratet. Um seine Ehe, die längst Routine ist, wiederzubeleben, schlägt er eine Wellness-Reise vor. Doch er kann die kurze Begegnung mit der lebenslustigen Frau nicht vergessen.

Der Zufall will es, dass sie sich noch einmal über den Weg laufen. Die Nichte überredet Rosa, in ein Altersheim zu ziehen. Rosa und Bruno, die dachten mit Anfang 80 längst alles hinter sich zu haben, beginnen eine Affäre. Da dies nicht unbemerkt bleibt, sehen sie sich im Altersheim mit Intoleranz und Missachtung der Privatsphäre konfrontiert.
Natürlich kommt es nach kurzem raus. Das Beichten bei der (schon informierten) Gattin wäre soweit normal, aber zudem wird der Familienrat mobilisiert. In dieser Szene wird gezeigt, wie hilflos die erwachsenen Kinder reagieren und solch unvernünftiges Verhalten als widerlich und unnatürlich ansehen.

Doch die Liebe macht vor dem Alter nicht halt. Wie zwei Teenager albern die Verliebten herum, sind aktiv und Bruno wird von Rosas Hunger, in der ihr bleibenden Zeit wirklich zu leben, angesteckt.
Mittlerweile wird Rosa ins Pflegeheim verfrachtet. Wie draufgängerische Jugendliche hauen sie ab. Brunos Sohn hat die Kapriolen satt, er lässt ihn kurzerhand entmündigen. Herrlich ist die Szene, in der Bruno quasi einen Sitzstreick hinter einer Ambulanz vollführt, als Rosa gegen ihren Willen mitgenommen wird, damit der Wagen nicht wegfahren kann.

Gegen Ende des Films wohnen sie in einer gemeinsamen Wohnung. Beide geniessen ihre Freiheit, sie reden und tanzen. Und chillen einmal mit einem Joint. Nicht so einfach zu verdauen sind die Szenen, kurz bevor Rosa stirbt. Die benötigten Morphiumspritzen, Rosas Schmerzen und ihren Verfall, das Erbrochene, das Bruno wegmachen muss und wie viel Kraft es den alten Mann kostet sie hochzuheben und den Verfall zu ertragen, zeigen die Regisseure Sabine Hiebler und Gerhard Ertl auf ehrliche und unspektakuläre Weise.

Ein mutiger, tief berührender Film, der einen überlegen lässt, wie man selbst die letzten Jahre verbringen und einmal Sterben möchte. Ohne moralisch zu wirken, wird Selbstbestimmung, Liebe, Intoleranz, Sterben und die Unfähigkeit einer Gesellschaft, Menschen am Ende ihres Lebens - die es konsequent selbst gestalten - nicht als trottelig und senil abzustempeln, thematisiert. Karl Merkatz (Bruno) und Christine Ostermayer (Rosa) spielen ihre Rollen in der Tragikomödie derart überzeugend, als wäre es tatsächlich ihre Geschichte. Hiebler und Ertl wagen es, die Szenen sehr langsam und still zu drehen, was den Witz des Filmes verstärkt, ebenso wie die Dramatik des Sterbens. Die Szenen, in denen Bruno versucht sie daheim zu pflegen und langsam klar wird, dass er überfordert ist, treffen mitten ins Herz. Nach Ende des Films wurde denn auch ausgiebig geschnäuzt.

Weitere Spielzeiten:
Sonntag, 30.09.2012, 15.30, Corso 2 (D/E)

Anfang 80 lief als Deutschsprachiger Spielfilm

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