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11. November 2012, 19:38 Bücher Kultur students.ch

Dinner Littéeraire

Annekatrin Kaps - Wer was las und was im Birseckerhof in Basel aufgetischt wird, könnt ihr hier lesen. Vorher etwas gegessen zu haben, ist allerdings sehr zu empfehlen!

„Kommen Sie doch näher, setzten Sie sich hier hin, das sind ganz nette Leute aus Sent!“ Die quirlige, kleine Frau mit den kräftigen, schwarzen Haaren wirbelt durch den Birseckerhof. Ich nehme neben dem älteren, freundlichen Paar aus Sent Platz, plaudere ein wenig mit ihnen und den deutschen Buchhändlern zu meiner Linken. Der festliche Saal mit den schön gedeckten Tischen, den holzgetäfelten Wänden und den eleganten weissen Stucksäulen tut gut nach dem ungemütlichen Novemberwetter.

Ich lese das Menü und bin gespannt. Auf Ingwerkarottensuppe nach Katrin de Vries, Quatabi mit Kräuter Pfannkuchentaschen mit Spinat und Ricotta, Kräutern mit Frühlingszwiebeln nach Olga Grajanowa, Saltimbocca vom Schwein mit Auberginengratin und Risotto nach Alain Claude Sulzer und Apfelkuchen mit Vanilleeis nach Ulrike Draesner.

Die quirlige, kleine Frau ist niemand anderes als Angelika Overath, die in „Alle Farben des Schnees. Senter Tagebuch“ ihre Wahlheimat so hinreissend beschrieb. Jetzt erzählt sie von ihrer Idee, Schriftsteller um ein Lieblingsrezept und eine Geschichte dazu zu bitten. Siebenunddreissig folgten der Bitte, drei davon sitzen heute Abend hier und lesen aus „Tafelrunde“.

Terézia Mora beginnt für die abwesende Katrin de Vries mit der Suppe. „Gross ist die Stadt und laut ist sie. Gesine sinkt müde in die Polster…“ Warum sie für die Mönche kocht und welche Gedanken ihr dabei durch den Kopf gehen, erfahren wir, bevor wir die herrlich sämige Ingwerkarottensuppe probieren. Dann liest die Autorin von Leber, Kalbshirn und anderen Innereien und dem Hof ihrer Grossmutter, Erleichterung macht sich breit, dass es nicht diese Suppe gab.

Olga Grajanowa liest als nächstes von der Küche ihre Eltern in Baku, in die aserbaidschanische, jüdische, russische und muslimische Rezepte einflossen. Ich verspüre Sehnsucht nach einer solchen Kindheit und lausche den Schilderungen, wie man Quatabi, die Taschen aus Brotteig, füllt. „Mit dem Gemüse, was da ist“, bemerkt die junge Autorin mit dem seidig glänzenden, langen Haar lakonisch. Später schaut sie entgeistert das Kunstwerk aus der Küche an und versucht die Quatabi darin zu entdecken. Es schmeckt himmlisch.

Allzu hungrig darf man nicht sein, es geht schon gegen zehn, die drei Köche sind schwer beschäftigt. Alain Claude Sulzer schildert, wie er einmal in einer Kölner Bierkneipe eine Flasche Rotwein bestellte, das Publikum ist derart amüsiert, dass er einmal „Das ist alles wahr!“ einwirft. Was sich so lustig anhört, ist ein gewagtes Experiment, nachahmen nicht unbedingt angezeigt. Auch das Saltimbocca vom Schwein ist ausgezeichnet. Am Tisch der Literaten in der Mitte steigt der Stimmpegel, nachdem der Autor eine Flasche Rotwein offeriert hat.

Dann folgt nochmal Terézia Mora, sie liest von aus einer Erzählung über Mohnkuchen, einer Pflanze zwischen Schlaf und Erfüllung. Der Apfelkuchen dazu ist ein Gedicht. Glückliche Gesichter sieht man die letzten Bissen geniessen, andere kaufen gleich das Buch.

Ein wunderbarer Abend mit einer ausgezeichneten Küche und anregenden Geschichten ist Geschichte.

Angelika Overath, Tafelrunde, Luchterhand Literaturverlag, 31,90 CHF

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