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29. Januar 2013, 12:34 Kultur Movie

Solothurner Filmtage: Viele Alte und wenig Neues

Raphaël Rück - Die Filmtage sind in vollem Gange und die Schweizer Filmbranche wieder an der Aare versammelt. Neben den altbekannten Regisseuren wie Silvio Soldini sind auch jüngere Filmemacher vor Ort. Doch was schaffen sie Neues? Und wo bleibt das junge Publikum? Eindrücke eines Filmstudenten.

Silvio Soldini ist der diesjährige Ehrengast der Schweizer Werkschau. Zurecht, denn seine Filmographie ist spannend und erfrischend unschweizerisch. Ich konnte seine zwei ersten Kurzfilme sehen: Drimage und Giulia in ottobre. Der erste (1982) spielt in New York und zeugt von seinen Studienjahren und seiner Bewunderung für die französische Nouvelle Vague. Giulia in ottobre (1984) ist schon ein reiferer Film und erinnert mit seiner in Mailand umherirrenden Heldin eher an Taxi Driver.
Nach einem interessanten Gespräch zwischen dem Regisseur und dem neuen Direktor von Locarno, Carlo Chatrian, wurde am Samstagabend erneut der 2010 erschienene Cosa voglio di più gezeigt. Die scheinbar banale Geschichte einer Affäre, die Soldini überzeugend schlicht und realistisch verfilmt.

Mit Soldini liegt man bekanntlich selten falsch, doch was gibt es sonst noch zu sehen in Solothurn? Zum Beispiel Virgin Tales – ein erschreckender und zugleich packender Dokumentarfilm von Mirjam von Arx über eine neue evangelische Bewegung in den USA -, der beindruckende und mitleiderregende More than Honey von Markus Imhoof oder den rührenden Kurzfilm L'amour bègue von einem jungen ECAL-Studenten. Alle drei wurden schon letzten Sommer in Locarno gelobt.
Natürlich kam mit Ulrich Seidls Paradies: Glaube und Paradies: Liebe sowie mit dem in Cannes preisgekrönten Post tenebras Lux von Carlos Reygadas "radikaler" Wind in die kleine Aarenstadt. Doch was unterscheidet Solothurn von anderen Filmfestivals?

Meine Eltern erzählen mir gerne, wie sie vor 20 Jahren noch im Dachstock des Landhauses für 5 Franken übernachten konnten und wie sie den ganzen Tag in den Kinosälen verbrachten. Es herrschte eine Art Bohème an den Filmtagen, heisst es, und das Publikum sei immer sehr kritisch und politisiert gewesen.

Eine günstige Festivalschlafstätte gibt es schon lang nicht mehr, da habe ich mich vor zwei Jahren per E-Mail beim Festival erkundigt. Eine Alternative bietet die teure Jugi (32 Franken die Nacht im 10er-Schlafsaal). Die Kinos sind zwar immer noch gut besucht, doch das Durchschnittsalter liegt heute bei ca. 40-45 Jahren. Wo bleibt das junge Publikum? Wie soll Solothurn in einigen Jahren weiterbestehen, wenn diese finanzstarken Zuschauer nicht mehr imstande sind, die Reise nach Solothrun anzutreten?

Jung sind wenigstens ein paar Filmemacher und Filmemacherinnnen. Ihre Werke werden in Kurzfilmreihen vorgeführt, beispielsweise im Programm "Talent I". Dieses ist geradezu symptomatisch für das sterile, institutionaliserte Schweizer Filmschaffen aus unseren Kunsthochschulen. Die ZHdK ist in dieser Reihe mit zwei langweiligen bzw. nostalgischen Kurzfilmen vertreten, einmal mit einem bösen Bub, der seine Eltern ermordet (Finnland Helsinki) und einmal mit der Geschichte eines alten Mannes, der seiner verstorbenen Ehefrau aus dem Tessin nachtrauert (Nach Hause). Besonders zweiterer kann mir persönlich gestohlen bleiben. Heimatfilme werden hierzulande schon genug produziert.

Es folgen ein sehr ästheticher Animationsfilm, Frühzug, und eine originellle Videocollage, Me, Nobody and I, von der Kunsthochschule Luzern. Daraufhin ein langatmiges poetisches Filmchen einer Tessinerin, die an der Genfer HEAD studiert: Il Vulcano.
Als krönender Abschluss kam dann endlich eine positive Überraschung: Schritt für Schritt. Ein Maturaarbeitsfilm von Morris Samuel, einem jungen Basler mit einem gewissen Talent für durchgestylte Bilder, hier im Dienste einer tragisch berührenden Doku-Fiktion über den Hirnschlag eines Teenagers (Trailer hier ansehen). Endlich was Neues!

Solothurn, Solothurn, ich besuche die Filmtage gern, doch jedes Mal fühle ich mich unglaublich jung in den Zuschauerrängen.

Kommentare
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dollarhyde 30.01.2013 um 23:21
Interessanter Bericht. "Post tenebras Lux" sehe ich mir demnächst an, ich bin gespannt auf den Film.