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20. März 2013, 08:34 Kolumnen

Ein Warmduscher duscht

Marco Büsch - Aus dem Leben eines Warmduschers. Oder: Die Leiden des jungen Warmduschers. Oder: Die verlorene Geduld des Warmduschers. Man verzeihe diese ungelenke Kolumne: Der Autor hat heute kaum warm geduscht.

Es gibt Menschen, die brauchen unbedingt ihren Kaffee am Morgen, sonst sind sie unerträglich. Andere wiederum müssen zuerst eine Runde joggen gehen, bevor sie ansprechbar sind. Ich für meinen Teil benötige warmes Wasser. Ich bin ein klassischer Warmduscher. Mir ist es egal, ob ich den ganzen Morgen über nichts zu trinken oder zu essen bekomme, solange ich nur warm duschen kann. In diesem Sinne bin ich froh, in der ersten Welt zu leben, ich meine in einem Industriestaat, weil so täglich warm duschen eigentlich ein bisschen dekadent ist und ziemlich sicher nicht sehr umweltfreundlich. Dafür fliege ich selten. Und wenn, dann nur nach Südamerika, wo es kaum warme Duschen gibt und ich dann lieber auf mein allmorgendliches Duschen verzichte als kalt zu duschen.

Nun denn, genug der Rechtfertigung, ich bin heute Morgen jedenfalls in meine Badewanne gestiegen und habe begonnen mich warm zu duschen. Und dann, just nachdem ich mir einen Haufen Shampoo in die Haare geschmiert habe, versiegte der Wasserstrahl und ward nicht mehr gesehen. Da stand ich also sicher zwei Minuten so da, mit Shampoo im Haar, frierend, und es rührte sich nichts. Dann langsam kam wieder ein Rinnsal aus dem Badewannenhahn und ich überlegte fieberhaft, wie ich nun das Shampoo wieder aus meinen Haaren bekommen würde, so ganz ohne kräftigen Wasserstrahl. Es führte natürlich kein Weg daran vorbei und so kniete ich mich also in der Badewanne hin und versuchte mir unter dem dünnen Rinnsal, das aus dem Hahn mehr tropfte als floss, die Haare auszuwaschen. Es muss wohl ziemlich dumm ausgesehen haben, wie ich so da kniete, besonders als die Duschbrause sich zurückmeldete und wieder bestens funktionierte, kaum hatte ich mir die Haare fertig ausgewaschen. Ich bekam ein bisschen Fernweh nach meinen letzten Ferien in Kolumbien, wo ich jeden Morgen einen zehnminütigen Kampf mit der Dusche auszufechten hatte, bei dem ich des Öfteren wie ein verschrecktes Tierchen in der Ecke stand, weil das Wasser zuerst eisig kalt und dann urplötzlich wieder süttig heiss (um ein bisschen zu züridüütschen) war. Ich zog jedenfalls meistens den Kürzeren und verliess mehrheitlich ungeduscht und fluchend die Nasszelle. Das war eine schöne Zeit!

Die Quintessenz der Geschichte ist einfach: Eine warme Dusche ist nicht selbstverständlich und man soll sie zu geniessen wissen. Dieses Fazit ist an Banalität kaum zu überbieten, so, wie wenn ich jetzt darauf hinweise, dass man halt auch die kleinen Dinge im Leben wirklich schätzen sollte. Wie zum Beispiel den Mann in Frauenkleidern, der heute neben mir im Tram sass: Faszinierend waren eigentlich nicht einmal wirklich die Frauenkleider, sondern dass er barfuss unterwegs war! Ich hingegen hatte meinen Schal vergessen und fröstelte schon ein bisschen. Vielleicht lag es aber auch daran, dass ich nicht wirklich warm geduscht hatte. Ursache und Wirkung. Aktion und Reaktion. Ein Warmduscher duscht kalt. Sie verstehen.

PS: Was man unter einem Warmduscher auch noch versteht: hier klicken

Kolumne auf ronorp.ch

Weitere Kolumnen gibt es auf meinem Blog nachzulesen: Hier!

Kommentare
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iabihcstiam 25.03.2013 um 12:56
super text.. spricht mir quasi aus der seele ..