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18. April 2013, 00:55 Konzert Music

Kashmir zeigen im X-Tra alle ihre Facetten

Patrick Holenstein - Am Mittwoch waren die Dänen in Zürich zu Gast. Kashmir haben das X-Tra zum Schwelgen und Tanzen gebracht und die geschätzt 1000 Menschen mit einer vielseitigen und stilsicheren Performance begeistert.

"Wie waren heute in einer Radioshow. Dort war eine wunderschöne Frau, die Carmen heisst. Sie ist hochschwanger und sollte ihr Baby gestern bekommen", erklärt Sänger Kaspar Eistrup und stellt gleich die Frage, ob sie hier sei. Geschrei in einer Ecke des Raums. "Vielleicht erleben wir noch heute eine Geburt", witzelt er und fragt weiter, ob denn ein Arzt anwesend sei. Wieder Geschrei - in der gleichen Ecke. Ob die guten Carmen wirklich anwesend war, sei mal dahingestellt, jedenfalls fügte Eistrup hinzu, dass Carmen ihr Baby nach dem folgenden Song benennen wolle. "Seraphina" beendet ein vielseitiges und berauschendes Set, das oft zum Schwelgen einlädt. Doch bis es so weit war, ist viel passiert.

Der Blick, der sich einem bot, wenn man zehn Minuten vor dem kommunizierten Konzertbeginn in die Halle trat, war verheerend. Einzelne Menschen standen gelangweilt an Stehtischen, einladende weisse Lounges waren nur halb besetzt und im X-Tra war viel Platz, richtig viel Platz. Aber schuld war wohl nur das warme Wetter, denn die Leute schienen es möglichst lange zu geniessen. Auf den letzen Drücker strömten die Massen in die Halle und als Kashmir die Bühne enterten, war der Saal erfreulich gut gefüllt. Das Konzert konnte starten.

Die vier Dänen haben es nicht eilig, lassen sich erstmal ganz in Ruhe auf Betriebstemperatur bringen und spielen eine bestechende Elektro-Pop-Nummer ohne Gitarre oder Bass. War da im Vorfeld nicht etwas von gitarrenlastiger Musik zu hören? Doch schon beim zweiten Song bewahrheiten sich alle Prognosen. Jetzt sorgen Gitarre und Bass für deutlich mehr Leben im Soundkosmos von Kashmir.

Was Kashmir ab jetzt zeigen, gleicht einer Achterbahnfahrt. Sie werfen einem so unverhofft von einem Stil zum nächsten. Wenn man sich nämlich gerade in der so herrlich wohligen Atmosphäre zwischen Thom Yorke und deutlichen Attributen von Pink Floyd eingelullt fühlt, brechen Kashmir mit "Mouthful of Wasps" und den dazugehörigen pipsenden Jean-Michel-Jarre-mässigen Elektrospielereien. Gleich darauf: bleierne Akkorde vom Keyboard, neckisch hüpfende Gitarrenklänge sowie melancholischer und dunkler Gesang und schon sind wir mitten in "In The Sand", einem der Momente im Set, der zeigt, weshalb die Band das Attribut "Gänsehauterzeugend" gerne verliehen wird. Aber schon der neue Song "Purple Heart" bricht wieder mit einem komplett anderen und laut der Band "tanzbaren" Rhythmus.Aber irgendwie ist diese Vielseitigkeit der gemeinsame Nenner der Songs von Kashmir. Beim Gig im X-Tra lassen sie sich nicht einfangen, rennen sinnbildlich mit dem Stilmix immer wieder davon.

Trotzdem sind es genau diese exzessiv psychedelischen, fast hypnotische Momente und Songs, die durchaus radiotauglich und brav daherkommen, aber auch die melancholischen Konstrukte, die erklären, wieso Kashmir oft mit den frühen Radiohead verglichen werden. Im X-Tra ist das sehr gut zu hören. Und frech ist die Band auch. "Wir haben euch etwas gutes Wetter gebracht. Freut ihr euch?" Natürlich wird das Spässchen goutiert und die Band revanchiert sich dafür mit zwei Zugabenblöcken. Ein besonderer Leckerbissen ist das akustisch eröffnete "Lampshade". Ganz alleine singt Eistrup zuerst, bis ihn seine Kollegen unterstützen. So geht nach etwas über neunzig Minuten eine Show zu ende, die glaubt man der Reaktion einer jungen Zuschauerin, ihre Welt (musikalisch) verändert hat.


Titelbild: Katerine Rohrberg

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