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27. August 2013, 00:00 Movie

Kino: To the Wonder

Simon Denzler - Zwei Jahre nach seinem Meisterwerk «The Tree Of Life» kommt nun Terrence Malicks neuestes Werk, «To The Wonder», in die Kinos. Aber Malick schiesst über das Ziel hinaus und treibt seine über Jahre hinweg entwickelte Filmsprache in den Ruin.

Sich im Kreise drehend, die Arme weit ausgebreitet Richtung Himmel, tanzt Marina (Olga Kurylenko) vor der Kamera im Sonnenlicht der «magischen Stunde». Drehzeiten während diesen lichttechnisch besonders geeigneten Morgen- oder Abendstunden und Aufnahmen im Gegenlicht scheinen auf fast alle Einstellungen zuzutreffen, was unweigerlich zur Romantisierung führt; und zusammen mit den Leistungen der Darsteller eine mit der Zeit etwas ins Lächerliche gezogene Darbietung ergibt.
So ziehen sich die fortwährend starre Miene des schweigsamen Neils (Ben Affleck) und die stetige Lust Marinas am Tanzen durch den gesamten Film, wobei sie sich zur Abwechslung auch gerne in den Armen halten, oder ein par wenige Worte miteinander wechseln.

Doch das ist Malicks Bildsprache: Eine Steadycam kreist um die Protagonisten, gedreht wird bei natürlichem Licht, wobei jede Einstellung in ihrer Ästhetik überwältigt; dazu vertraut er auf die Improvisation seiner Stars, denn ein Drehbuch existiert nicht. Dialog gibt es nur sehr wenig, leitgebend sind die Voice-Over Stimmen der Protagonisten, die wie Gedanken um die Figuren zu drehen scheinen.
Doch was in The Tree Of Life noch als hohe Kunst und die Schöpfung einer neuen Filmsprache gelobt wurde, wirkt schon in den ersten par Minuten von To The Wonder weder angemessen noch bemerkenswert. Mit seiner Bildästhetik, den Voice-Over Kommentaren und der stets melancholischen Musik erstickt Malick sein neuestes Werk mit eigenen Händen.

Marina, die in Paris lebende Ukrainerin und der Amerikaner Neil sind frisch verliebt. Sie entscheiden sich, zusammen mit Marinas Tochter Tatiana (Tatiana Chiline) in die USA zu ziehen. Doch der Alltag lässt die Liebe der beiden schon bald schwinden. Einen Gleichgesinnten findet Marina in Pater Quintana (Javier Bardem), der vom Glaube an Gott verlassen wurde.
Marinas Visum läuft aus und sie kehrt mit Tochter Tatiana nach Frankreich zurück. Neil trifft seine alte Jugendliebe Jane (Rachel McAdams) wieder und verliebt sich in sie – bis er die Liebe von einer neuen Seite kennenlernt.

Mit Badlands (1973) und Days Of Heaven (1978) erarbeitete sich Malick grosses Ansehen in der Filmbranche, verschwand danach aber für 20 Jahre von der Leinwand. Erst 1998 kehrte er mit The Thin Red Line zum Kino zurück und zählt in seinem 40-jährigen Schaffen lediglich sechs Filme. Seine Stilelemente, die Malick beständig weiterentwickelte und bereits in seinem Debütfilm zu erkennen sind, hat er in seinem Opus magnum The Tree Of Life – zusammen mit Kameramann Emmanuel Lubezki – bis zur Abstraktion getrieben.

Auch wenn es in To The Wonder um die Liebe geht und Malick versucht, diese sichtbar zu machen, scheint dem Film ein Bezugspunkt zu fehlen, der ihm den nötigen Tiefgang verliehen hätte. So kratzt er lediglich an der Oberfläche des Themas und wird dadurch fast schon zum Kitsch. Wo dem Zuschauer in The Tree Of Life noch der Tod eines Kindes als Ausgangspunkt dient und die kommentierte Bilderflut als dessen Erklärungsversuch fungiert und den Fragen nach der Entstehung des Lebens nachgeht, so fehlt diese Beziehung zwischen Filmbild und Inhalt in To The Wonder gänzlich und der Film scheint sich wie Marina lediglich im Kreis zu drehen.

To the Wonder besitzt weder eine Aussage noch eine Handlung. Diese beschränkt sich auf die Gefühlswelten der Protagonisten sowie deren Beziehung zueinander. Damit soll nicht gemeint sein, dass die Bevorzugung des filmischen Bildes gegenüber der Handlung eines Filmes grundsätzlich falsch sei. Regisseure wie Béla Tarr oder Andrei Tarkowski bewiesen uns das Gegenteil. Jedoch bewahrt ein Minimum an Handlung den Spielfilm vom Experimentalfilm. Auch wenn To The Wonder vereinfacht die Geschichte zweier Liebenden, deren Scheitern und Wiederfindung erzählt, so funktioniert dies in der Hinsicht nicht, als das wir nie Einblick in die Figuren erlangen und das Gefühl erhalten, lediglich deren Äusseres zu Gesicht zu bekommen. Malick erreicht mit seinem Film also das Gegenteil seines Ziels – einen Film über die Liebe zu drehen – und zieht diese stattdessen ins Geschmacklose.

Ein Versuch, dem Film noch Substanz abzugewinnen, wäre von einer neuen Art des Filmemachen und -schauen zu sprechen. So kann – was für Malick sicherlich zutreffend wäre – von einer Filmpoetik gesprochen werden. Nicht das erste Mal in der Filmgeschichte wird versucht, die klassische, eingesessene Erzählstruktur Hollywoods zu durchbrechen und neue Wege zu gehen. Gerade in der Absicht, einen solch philosophischen, spirituellen und poetischen Gegenstand wie die Liebe in einem (einzigen) Film darzustellen, scheint die Verwendung einer unkonventionellen, dem Zuschauer vermeintlich noch unvertrauten Bildsprache als mehr als sinnvoll. Doch braucht eine solche Sprache mehr als diese berauschenden Bilder mit den Off-Stimmen, die ins Leere fragen. Hat man nach The Tree Of Life zu hohe Ansprüche an Malick?

Unglücklicherweise kann auch die überzeugendste Figur des ganzen Films, Pater Quintana den Film nicht mehr retten. Bardem spielt den vom Glauben verlassenen Gottesdiener sehr überzeugend und bringt in den teils sehr dokumentarisch anmutenden Aufnahmen etwas frischen Wind in den Film. Auch andere Stellen im Film lassen den Zuschauer hoffen, wie der ausartende Streit zwischen Marina und Neil, der für einmal etwas andere Gefühle auf die Leinwand bringt oder als Anna (Romina Mondello) versucht, Marina aufzumuntern.
Dies sind jedoch nur Lichtpunkte am fernen Horizont. Der Zuschauer kommt aus dem Staunen über die etlichen, durchaus schönen Bilder gar nicht mehr heraus und verliert den Bezug zum Film selbst, der seinen Sinn bekanntlich erst durch das Aufeinander beziehen einzelner Einstellungen erhält.

Und hier liegt auch das Problem des gesamt Films. Hätte Malick die Geschichte auf eine andere Art und Weise erzählt (wir erinnern uns an Days Of Heaven), wäre To The Wonder vielleicht ein weiteres Juwel seiner Karriere geworden. Ob er eine Fortsetzung in seiner Filmsprache im Sinne von The Tree Of Life doch noch finden wird, bleibt offen, To The Wonder war jedenfalls keine.

Bewertung: 2 von 5


  • Titel: To The Wonder
  • Land: USA
  • Regie: Terrence Malick
  • Drehbuch: Terrence Malick
  • Darsteller: Ben Affleck, Olga Kurylenko, Rachel McAdams
  • Verleih: Ascot Elite
  • Start: 29. August 2013
Fotos von Ascot Elite


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