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27. Oktober 2013, 18:03 Bücher Kultur students.ch

Buchstabensuppe und vergnüglicher Nonsens

Annekatrin Kaps - Kittchen reading heisst der neue Trend, neue Literatur in fremden Küchen zu entdecken. Doch auch in Veloläden lässt sich Literatur erleben. Wem das immer noch nicht genug war, war bei „Pure Joyce“ im Parterre genau richtig.

Eigentlich ist es ja das Wohnzimmer, in dem ich jetzt mit circa fünfzehn anderen Leuten sitze, die alle gekommen sind, um der Lyrik von Urs Allemann zu lauschen. Die Küche wäre zu klein gewesen, erklärt der Hausherr Hans Georg Signer, der dafür mit seiner Frau einen grosszügigen Apero als Gruss aus der Küche arrangiert hat.

Dann stellt er den Schriftsteller vor, der als ehemaliger Feuilleton-Chef der Basler Zeitung kein Unbekannter in Basel ist. Auch als Autor nicht, fünf Bücher sind von ihm erschienen, aus denen er jetzt lesen wird. „Fuzzhase“ heisst das älteste, mit dem er beginnt.

„Ich bin ins Bierfass der Bedeutung gefallen, kein schöner Tod sage ich euch. Sie zogen ein Gedicht heraus, mir graut es jetzt noch“. Skurrilität scheint sein Markenzeichen zu sein. Der grauhaarige Mann liest seine eigenen Gedichte mit ungläubigen Staunen und lautmalerisch spielerischer Freude. Im Publikum gluckst es unterdrückt.

Nach der Lesung entspinnt sich eine rege Diskussion über die Übersetzbarkeit seiner Werke, was Allemann bestreitet, bevor er uns mit einem letzten Gedicht in den sonnigen Herbstnachmittag entlässt.

In Veloläden würde man nicht unbedingt Literatur vermuten. Bei „Obst & Gemüse“ gibt’s öfters Kultur. Inmitten von Fahrrädern und entsprechendem Zubehör wurde das Literaturmagazin NaRr präsentiert, welches vor allem jungen Autoren eine Stimme gibt.

Laura Vogt machte mit einer Erzählung über ihre Schwester den Anfang. Anna Ospelt las einen poetischen Text ü ber die Befindlichkeiten einer jungen Frau in der Grossstadt. Raūl Fuertes beschäftigte sich mit den Klängen eines aus dem Fenster fallenden Pianos, während Daniel Lüthi über verpasste Chancen sinnierte.

In Daniel Kehlmann neuestem Roman geht es hingegen um die Familie. Dafür steht der Buchstabe F, der auch der Buchtitel ist. Der Festsaal des Volkshauses war fast ausverkauft, als Kehlmann zu lesen begann. Mit einer klaren und prägnanten Sprache schildert er jene verhängnisvolle Hypnosevorstellung, nach der ein bis anhin erfolgloser Hobbyschriftsteller seine Familie verlässt, um zu schreiben.

Womit sich die Prophezeiung des Hypnotiseurs erfüllen sollte, dessen Kunst der Familienvater bezweifelt hatte. Seine Kinder entwickeln sich in den folgenden Jahren zu verschiedenen Charakteren, aber eines ist ihnen gemeinsam – sie spielen alle falsch." F könne auch Fake bedeuten oder falschspielen", sagte Kehlmann dazu.

Sein Buch mag vielleicht nicht auf Anhieb ebenso zu faszinieren wie „Die Vermessung der Welt“, besticht aber durch eine fesselnde Handlung, auch wenn diese etwas zu sehr an der Oberfläche bleibt.

Um neun Uhr abends hatte es sich noch nicht ausgelesen, das Parterre lud zu „Pure Joyce“ ein. Die lautmalerische Performance wurde von Shirley Grimes, Rob Kloet und Stefan Kolmuss, einem Schlagzeug, einem gewichtigen Joyce-Schmöcker und einem Teetablett bestritten. Joyce-Kenntnisse waren von Vorteil, aber nicht zwingend, was auch fürs Englisch galt. Denn ob die drei Akteure sich nun ums Buch stritten oder eine absurde Messe unter Einbezug des Publikums veranstalteten, der Slapstick funktionierte auch nonverbal. Dazwischen wurden wunderbar poetische Folksongs gestreut, welche Joyce ebenso bezaubernd vertonten.

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