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27. Oktober 2013, 20:33 Bücher Kultur

«Zürich liest»: Die Tante Jolesch und ihre Zeit

Claudia Maag - Robert Sedlaczek las aus seinem Buch «Die Tante Jolesch und ihre Zeit. Eine Recherche.» in der Rivington & Sons Bar. Technische Probleme und eine in die Länge gezogene Vorstellung liessen nur teilweise Begeisterung aufkommen.

Der röhrenförmige Saal im ersten Stock der Bar Rivington & Sons im Prime Tower, Zürich, ist proppenvoll. Lautes Stimmengewirr. Als Journalistin Claudia Kühner mit dem Gespräch beginnen will, geschieht die Panne – erst geht das Mikrofon nicht, dann zerreist dessen langes Pfeifen fast die Trommelfelle. Spätestens ein lauter Ruf aus den hinteren Reihen: «Mikrofon!» macht klar; ein Soundcheck wäre wünschenswert gewesen.

Doch rasch vergisst man den holprigen Start. Kühner outet sich als «Fan der ersten Stunde von Tante Jolesch» und liest gleich ein paar Passagen, die sie beschreiben, vor. Falls sich nun jemand fragt, wer denn die Genannte sei, hier eine kurze Übersicht. Der österreichische Schriftsteller Friedrich Torberg sammelte über Jahre Anekdoten für diese kantige Figur. Das Buch «Die Tante Jolesch oder ‘Der Untergang des Abendlandes in Anekdoten’» erschien 1975 und lässt noch einmal die Welt des zerstörten jüdischen Bürgertums zwischen Wien, Prag und Budapest und seiner Kaffeehäuser aufleben.

Der österreichische Journalist und Sachbuchautor Robert Sedlaczek spürte den Figuren und deren Vita aus dieser Lektüre nach und veröffentlichte kürzlich sein Werk «Die Tante Jolesch und ihre Zeit. Eine Recherche.» Kühner verwickelt Sedlaczek in ein Gespräch. Seine Spurensuche bringt manches ans Licht. Joleschs Neffe Franz sei wohl viel interessanter gewesen, als Torberg beschrieb. Dessen Frau Louise Gosztonyi verliess ihn, um den Komponisten Hanns Eisler zu heiraten.

Tante Jolesch sagt meist wenig, dies dafür umso prägnanter. Sehr bekannt ist der ihr in den Mund gelegte Spruch: «'Was ein Mann schöner is wie ein Aff, das is ein Luxus'.» Ob es in der Familie Jolesch eine Frau gab, die Vorbild für Torbergs Tante war, lässt sich trotz genealogischer Recherchen nicht mehr ausmachen.
Die zweite wichtige Figur neben ihr ist der Wiener Rechtsanwalt Hugo Sperber. Dieser Charakter war für den Autor wichtig, da er «das Gefühl hatte, dass ihm Unrecht getan wurde (durch Torberg)». Die Recherchen zeigten, dass er juristische Bücher verfasst hat. Er galt als etwas eigentümlich und hielt sich nicht zurück, wenn er eine Causa nicht übernehmen wollte. So habe er einer Dame, die er loswerden wollte gesagt, sie sei ihm lästig. Sperber hätte beinahe Kreisky im Sozialistenprozess 1936 vertreten. Warum nur beinah? Kreisky habe gesagt: «Sperber wollte seine Klienten verteidigen, indem er sie lächerlich machte.»

Zwischendurch stören Geräusche aus der Bar die Lesung. Teilweise zieht sie sich hin wie Gummi. Doch Sedlaczek rettet sich bis zum Ende mit mehrere komischen Anekdoten von Hugo Sperber, die das Publikum immer mehr für sich einnehmen. Nach sechzig Minuten endet die Lesung und die Gäste sind zu Drink und Häppchen unten in der Bar eingeladen. Nun ist doch der richtige Zeitpunkt zu gehen.

Weitere Informationen zum Thema
http://www.haymonverlag.at/page.cfm?vpath=buecher/buch&titnr=7069
http://www.omanut.ch/de/home/index.php

Titelbild: Claudia Maag

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