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24. Mai 2008, 02:16 Movie

L'Avocat de la Terreur

Sebastian Mayr - Barbet Schroeders neuer Dokumentarfilm geht der Motivation des französischen Staranwalts Jacques Vergès nach, der sich mit der Verteidigung von Kommunisten, Antikolonialisten und Sympathisanten der extremen Rechten einen Namen machte. Im Gegensatz zu seinen Kollegen, die häufi...

Barbet Schroeders neuer Dokumentarfilm geht der Motivation des französischen Staranwalts Jacques Vergès nach, der sich mit der Verteidigung von Kommunisten, Antikolonialisten und Sympathisanten der extremen Rechten einen Namen machte. Im Gegensatz zu seinen Kollegen, die häufig auf Strafminderung plädierten, stellte sich Vergès stets bewusst auf die Seite seiner Mandanten und forderte damit den Rechtsstaat heraus.

Jacques Vergès Geschichte beginnt bereits mit seiner Geburt. Als Sohn einer Vietnamesin und eines Franzosen der Insel Reunion, sieht er sich von Geburt an mit dem Thema der kolonialen Unterdrückung konfrontiert. Seine Empathie für den Anklagten eines Prozesses, dem er während seines Studiums an der Sorbonne beiwohnt, ist Initialzündung für seine Entscheidung, Anwalt zu werden.

Als 1954 der Krieg in Algerien ausbricht und ein französisches Gericht die algerische Freiheitskämpferin und Terroristin Djamila Bouhired zu Tode verurteilt, dreht Vergès den Fall mit Hilfe der Weltmedien in eine moralische Anklage gegen die Kolonialmacht Frankreich um. Erfolgreich erzwingt er Bouhireds Begnadigung. Nach Morddrohungen gegen ihn, geht er mehrmals ins Exil und widmete sich nach der Unabhängigkeit Algeriens 1962 unter anderem der Verteidigung palästinensischer Freiheitskämpfer, wie Mahmound Hedjazi (erster von Israel verurteilter Fedayin).

Im Jahr 1970 verlässt Vergès seine Frau und ehemalige Mandantin Djamila Bouhired und taucht ohne Nachricht zu hinterlassen für mehr als 8 Jahre ab. Bis heute herrscht Unklarheit über diese Zeit. Vergès selbst spricht lediglich von „Lehrjahren“ und widmet sich nach seiner Rückkehr noch stärker seiner Anwaltstätigkeit. Wie viele Persönlichkeiten der 68er Bewegung vollzieht auch er eine Kehrtwende und verteidigt fortan nicht mehr nur Freiheitskämpfer, sondern auch ehemalige Nazigrössen wie Klaus Barbie, der „Schlächter von Lyon“, die Islamische Heilspartei FIS in Algerien oder den ehemaligen Staatschef Jugoslawiens, Slobodan Milosevic. Seine Begründung hierfür: niemand verdient es, gedemütigt zu werden.

Durch Befragung von Personen und Freunde in Vergès Umfeld und auch Vergès selbst, vermag Regisseur Barbet Schroeder in die Widersprüche und Obskuritäten einzutauchen, die sich um die Person Vergès bildeten. Seine polarisierenden Aktivitäten im linken und rechten politischen Lager, seine im Grunde kleine aber immer wieder aufgeführte Rolle im Milosevic-Fall (als gelernter Jurist verteidigte sich Milosevic weitgehend selbst) und auch sein weiterhin unaufgelöstes Verschwinden in den 70er Jahren, legen jedoch die Vermutung nahe, dass die Aktivitäten des Staranwalts nicht gänzlich von Empathie geleitet waren. Obzwar Vergès Talent, die moralische Überhöhung westlicher Ankläger zu brandmarken, hohe Anerkennung verdient, so vermochte er durch all seine Fälle, (vor allem) auch sich selbst in den Mittelpunkt zu rücken. Dies ist auch das Bild, das Barbet Schroeder mit dem zurückgelehnten und gelegentlich (selbst-) genüsslich an der Zigarre paffenden Vergès in der Dokumentation zeichnet.

L’Avocat de la Terreur ist eine interessante Dokumentation, die Einblicke und Hintergründe in spektakuläre Politprozesse des letzten Jahrhunderts gibt. Leider sind diese nicht immer einfach zu überschauen. Während die Rolle Vergès und der Protagonisten im algerischen Befreiungskampf noch relativ klar ist, werden die Verbindungen zwischen den Fällen und der beinah 15 Protagonisten im Verlauf der über 2 Stunden langen Dokumentation immer undurchsichtiger und wenig abgrenzbar. Die in Cannes preisgekrönte Dokumentation mag deshalb vor allem für bereits politisch interessierte Zuschauer in diesem Bereich und älteres Publikum ein interessanter Fall sein.

Bewertung: 3.5 von 5

  • Titel: L'Avocat de la Terreur
  • Land: Frankreich
  • Dauer: 135 Minuten
  • Regie: Barbet Schroeder
  • Verleih: Frenetic Films
  • Start: 22. Mai 2008
http://www.lavocatdelaterreur.com/
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