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10. November 2013, 15:40 Kolumnen

Dusche in der Küche

Marco Büsch - Wohnungssuche in Zürich hat ein bisschen was von einem Teilzeitjob – oder besser: Von einem unbezahlten Praktikum. Ein Praktikum im Wohnungeninspizieren, Durchhaltewillenzeigen und zynische Bemerkungen über Absagen zu machen. Eine kleine Bestandesaufnahme.

Eine Wohnung zu finden in Zürich ist ein Abenteuer. Ein schrecklich langwieriges, enorm ermüdendes Abenteuer. Aber am Ende wird man hoffentlich auf diese Zeit zurückschauen und darüber lachen. Vielleicht. Zumindest über die Wohnung mit der Dusche in der Küche lache ich jetzt schon. Ich schaute mir die Bilder der Wohnung im Internet an und fragte mich dann, wo denn bitteschön die Dusche sei, es hätte ja nur eine Toilette. Und da stand sie: In der Küche in einer Ecke. Ich dachte so bei mir, dass es vielleicht noch lustig wäre in dieser Wohnung zu leben, da würden sich sicher einige Geschichten abspielen, welche ich später mal meinen Kindern erzählen könnte – oder auch nicht. Bilder machten sich in meinem Kopf breit, wie ich unter der laufenden Dusche, auf einem Stuhl sitzend, mir ein Spiegelei braten würde in einer Pfanne, deren Stil ich bis zur Dusche hin verlängert hätte. Es waren herrliche Bilder. Aber als ich dann in der Wohnung stand, war sie auch noch so richtig klein und sie hatte nur ein Lavabo, natürlich auch in der Küche, vor der Dusche. Ich weiss nicht recht, aber gewisse Dinge möchte ich in der Küche tun und gewisse Dinge im Bad, insbesondere, wenn man nicht alleine in einer Wohnung lebt. Aber vielleicht sind meine Ansprüche masslos übertrieben. Gemäss Statistiken und Berichten liegt das eigentliche Problem ja nicht an der andauernden Einwanderung neuer Menschen, sondern dass in Zürich (oder allgemein in der Schweiz) jeder viel mehr Wohnraum für sich beansprucht als noch vor 50 Jahren. Ich mache da wahrscheinlich keine Ausnahme, wobei ich ja vor 50 Jahren noch gar nicht gelebt habe.

In einer nächsten Wohnung stand ich auf dem Balkon. Es war eine schöne Wohnung, wenn auch die 30 anderen Personen, welche ausser mir noch in der Wohnung herumschwirrten, eine präzise Besichtigung beinahe verunmöglichten. Da stand ich nun also, schaute vom Balkon hinunter und ein ungefähr 50-jähriger türkischer Familienvater mit langem Schnauz trat neben mich und sprach meine Gedanken laut aus: «Isch doch eine Seich diese Wohnung, alles schön, aber isch underschde Stock, kannsch eifach ineklettere und Peng! machsch fenster kaputt!“ – Ich nickte nur zustimmend und überlegte mir, über den Balkon hinauszuklettern, statt mich wieder an den 30 Leuten vorbeizudrängen, welche jede auch noch so kleine Ecke mit ihren Smartphones fotografierten, nur um jetzt noch den Anmelde-Fackel abzuholen: Auf eine Absage mehr oder weniger wäre es auch nicht mehr angekommen. Aber bei dieser Wohnung hätte es wenigstens nicht weh getan.

Einige Wohnungsbesichtigungen später weiss man wenigstens, was man will oder zumindest so ungefähr. Bei einem persönlichen Besichtigungstermin bei einer alten Frau, welcher schon fast in einem kleinen Kaffeekränzchen endete, stellte ich fachmännische Fragen, zum Beispiel, ob die Dusche gut funktioniere, nur um ein wenig interessierter zu wirken. Die Frau zeigte mir dann auch noch den Keller und erklärte mir haargenau den Waschplan des Hauses, als hätte ich den Mietvertrag schon unterschrieben. Zum Abschied klagten wir uns noch gegenseitig unser Leid, denn auch ihr wurde die Wohnung gekündet und auch sie müsse jetzt nach etwas Neuem suchen und es sei so schwierig und alles so teuer und sie sei doch auch nicht mehr die Jüngste. Sie kam wahrscheinlich noch aus der Zeit, als man sich auch mit weniger Wohnraum zufrieden gab – aber eben, wer gibt schon gerne seinen Komfort her, den er bisher hatte. Und so wünschten wir uns beide noch viel Glück bei der Wohnungssuche und ich hetzte weiter zur nächsten Besichtigung. Hoffentlich suchen wir nicht im gleichen Preissegment, einer so herzigen alten Frau kann ja niemand eine Wohnung vor der Nase wegschnappen. Im Gegensatz zum armen Studenten, der wahrscheinlich auch noch faul ist und nur lärmende Partys veranstaltet.

Nun gut, genug des Selbstmitleids, die Wohnungssuche hat ja auch ihre guten Seiten: Wann sieht man schon in so viele fremden Wohnungen hinein? Wann lernt man Zürichs kleine Quartierstrassen besser kennen, als wenn man stundenlang nach einer ganz bestimmten Hausnummer sucht, nur um dann festzustellen, dass es vielleicht dort ist, wo sich schon mindestens 60 Leute bis auf die Strasse hinaus anstellen? Gespräche mit Gleichgesinnten können sogar lustig sein, wenn auch der Zynismus und Fatalismus gewisser Suchenden manchmal fast ein wenig weh tut. Es ist halt schwer in Zürich eine Wohnung zu finden, aber es ist ja auch eine tolle Stadt. Und sonst gäbe es ja noch Affoltern, oder Leimbach, oder Glattbrugg; undsoweiter. Aber zuerst schaue ich vielleicht noch 50 weitere Wohnungen an.

Weitere Kolumnen gibt es auf meinem Blog nachzulesen: Hier!

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