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23. Januar 2014, 16:16 Kultur Movie

Kino: Erbarmen

Gregor Schenker - Der erfolgreiche Krimi von Jussi Adler-Olsen kommt auf die Schweizer Leinwände. Wir haben das Buch des Dänen gelesen und uns die Kino-Adaption angesehen. Dummerweise bietet keins von beidem richtig gute Krimi-Unterhaltung.

Das Buch

Der Däne Jussi Adler-Olsen gehört zu den erfolgreichsten Krimi-Autoren Europas, was er in erster Linie Carl Mørck zu verdanken hat – die Bücher um den bärbeissigen Kommissar verkaufen sich nämlich millionenfach (nicht zuletzt im deutschsprachigen Raum. Und sei es bloss, weil sich die deutschen Titel ziemlich frech an die Stieg-Larsson-Trilogie ranhängen).

Leicht hat es der gute Mørck nicht, denn bei einem verpatzten Einsatz verliert er zwei Kollegen und fängt sich selbst eine Kugel ein. In der Folge wird er depressiv, trinkt zu viel und muss zur Psychologin. Zudem schlägt er sich mit einer selbstsüchtigen Ex-Frau herum, einem missratenen Teenager-Sohn und inkompetenten Kollegen, denen Politik mehr bedeutet als Verbrechensaufklärung.

Sein Chef macht ihn schliesslich zum Leiter des neu geschaffenen Sonderdezernats Q – eigentlich nur ein Vorwand, um mehr Geld vom Staat zu kriegen. So landet Mørck im Keller und soll alte, ungelöste Fälle aufrollen. Zur Unterstützung hat er bloss Assad, einen Immigranten, der dem grimmigen Polizisten mit exotischer Musik und aufdringlicher Fröhlichkeit auf die Nerven geht. Aber mit der Zeit lernt er ihn dann doch zu schätzen.

Man sieht also, Erbarmen strotzt vor Klischees. Weitaus interessanter als das stereotype Ermittler-Duo ist der Fall: Im Jahre 2002 verschwindet Merete Lynggaard, eine aufstrebende junge Politikerin, spurlos von Bord einer Fähre. Ohne dass die Welt davon weiss, halten Unbekannte sie in einer Zelle fest. Der Kampf der Frau gegen Dunkelheit, Zahnschmerzen und ihre Peiniger fordert zunehmend seinen Tribut. Während Mørck und Assad langsam den Hintergründen auf die Spur kommen, läuft Meretes Zeit ab.

Diese Idee ist so interessant, dass man sich wünscht, Adler-Olsen hätte mehr daraus gemacht. Lass die langweiligen Ermittler weg! Erzähl mehr von Meretes Jahren im Bunker! Das Potential ihrer Geschichte bleibt verschenkt.


Der Film

Regisseur Mikkel Nørgaard (bekannt für die Comedyserie Klovn) und Drehbuchautor Nikolaj Arcel (schrieb an der Stieg-Larsson-Verfilmung Verblendung mit) hatten also die Chance, aus einer mässigen Vorlage einen besseren Film zu machen. Gut ist, dass sie mit dem Roman ziemlich frei umgehen. Schlecht ist, dass ihre Version auch nicht besser ist.

Schnell fällt auf, dass sie Assad ganz anders anlegen. Im Buch ist er klein und rundlich, grinst die ganze Zeit und hört arabische Musik. Im Film spielt ihn der hochgewachsene, athletische Fares Fares als coolen Secondo, der mehr auf Hip Hop steht. Doch letztlich kommt keiner der beiden Assads über oberflächliche Klischees hinaus.

Nikolaj Lie Kaas (Dänische Delikatessen) hingegen spielt den Kommissar genau so, wie ihn Adler-Olsen im Buch beschreibt. Schön ist aber, dass die Filmemacher die Ex-Frau und den Sohn fast zur Gänze rausgeschrieben haben. Ebenso haben sie die Ermittlungen zusammengekürzt. Aber eben auch alles, was mit Merete (Sonja Richter) in ihrer Zelle zu tun hat. Machte schon das Buch zu wenig aus ihr, so lässt sie der Film endgültig zur Nebensache verkommen.

Was am Ende bleibt, ist ein 08/15-Krimi mit brachliegendem Potential. Zurzeit laufen die Dreharbeiten zu Schändung, dem zweiten Mørck-Roman. Ob der Film besser wird? Da dieses Buch nicht einmal mehr eine gute Idee für einen Fall zu bieten hat, gibt es wenig Grund zur Hoffnung.


Bewertung: 2.5 von 5



  • Originaltitel: Kvinden i buret
  • Land: Dänemark/Deutschland/Schweden
  • Regie: Mikkel Nørgaard
  • Drehbuch: Nikolaj Arcel
  • Darsteller: Nikolaj Lie Kaas, Fares Fares, Sonja Richter
  • Verleih: Frenetic Films
  • Start: 23. Januar 2014
Fotos von Frenetic Films
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