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3. September 2014, 21:32 Movie

Kino: Diplomatie

Murièle Weber - Ein Wahnsinniger will Paris in Schutt und Asche legen. Ein Soldat und ein Diplomat diskutieren eine Nacht lang darüber, ob man ihn gewähren lassen soll.

Alle Brücken in Paris sind mit Bomben versehen. Vor den Toren der Stadt stehen die Alliierten. Man schreibt den 25. August 1944. Der Krieg scheint für die Deutschen verloren. Das Zerstörungskommando wartet nur noch auf das Zeichen des deutschen Generals, dann wird die französische Metropole in Schutt und Asche gelegt werden. Denn die Anweisungen von Hitler sind klar: „Paris darf nicht oder nur als Trümmerfeld in die Hand des Feindes fallen.“

Aber das Zeichen lässt auf sich warten. Während die deutschen Soldaten gebannt im Bunker warten und die Spannung stetig steigt, bekommt der General (genial: Niels Arestrup) Besuch vom schwedischen Konsul (genauso genial: André Dussollier). Eine Nacht nur hat der Schwede Zeit, den General zur Kapitulation zu bewegen und Paris vor der Zerstörungswut eines wahnsinnig gewordenen Führers zu retten. Dabei kann sich der Diplomat nur auf seine Redekunst verlassen.

Und geredet wird fast ausschlieslich in dieser Verfilmung des gleichnamigen klassischen Theaterstücks von Cyril Gély (der auch das Drehbuch schrieb). Es ist faktisch ein Zwei-Mann-Stück und Regisseur Volker Schlöndorff hat zwei Schwergewichte der französischen Schauspielergilde dafür verpflichten können. In duellhaften Dialogen kreuzen der deutsche General und der schwedische Konsul in immer weiteren Runden ihre verbalen Klingen. Dabei geht es nicht nur darum, die französische Weltstadt zu retten, sondern auch um zwei grundsätzlich verschiedene Weltbilder, die hier aufeinander prallen: das des Soldaten und das des Diplomaten.

Pflichtbewusstsein, Gehorsamsverweigerung, Sippenhaft: Dies sind nicht einfach nur Schlagwörter in dieser Tour de Force an schauspielerischen Glanzleistungen, sondern der Ausgangspunkt zu philosophischen Diskussionen. Was zählt mehr: die Leben einer Handvoll Menschen, die man liebt, oder diejenigen Millionen von Fremder in einer einem feindlich gesonnenen Stadt? Langweilig ist das nicht, eher ein wenig wie verbales Armdrücken.

Nicht erst seit Titanic ist bekannt, dass Historiendramen grundsätzlich so enden, wie wir es aus den Geschichtsbüchern kennen. Die Spannung entsteht folglich nicht aus der Ungewissheit des Ausgangs, sondern aus den Drehungen und Wendungen der Dialoge. Diese entwickeln in diesem Kammerspiel in nächtlicher Atmosphäre eine Art Sogwirkung. Und so sitzt man als Zuschauer wie gebannt auf seinem Kinosessel, obwohl man ganz genau weiss, dass die Sonne auch an diesem Morgen über dem Pont Neuf aufgehen wird.

Bewertung: 4 von 5


  • Titel: DIPLOMATIE
  • Land: DEUTSCHLAND
  • Regie: VOLKER SCHLÖNDORFF
  • Drehbuch: CYRIL GÉLY
  • Darsteller: ANDRÉ DOUSSOLLIER, NIELS ARESTRUP
  • Verleih: FILMVERLEIH
  • Start: 4. SEPTEMBER 2014


Fotos von Filmbüro (JMH Distributions)

Kommentare
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Muriele
Muriele 14.09.2014 um 23:18
Ich störe mich auch immer wieder daran, wenn Figuren in Filmen nicht die Sprachen sprechen, die sie gemäss Handlungen eigentlich sprechen sollten. So als wäre das Publikum zu doof ein paar Untertitel zu lesen. Es ist irritierend, wenn Niels Arestrup von einem Deutschen synchronisiert werden muss. Aber in diesem Fall bin ich breit Schlöndorff zu vergeben, weil diese beiden Schauspieler und ihre Chemie einen einfach umhauen.
dollarhyde 14.09.2014 um 17:20
Ist es kleinlich von mir, dass ich die beiden Rollen mit einem Deutschen, bzw. mit einem Schweden besetzt hätte?