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11. Juli 2008, 15:47 Music Festivals

Review: Live at Sunset: Diana Ross und Al Jarreau

Christina Ruloff - Auftakt mit zwei Glanzpunkten: Diana Ross und Al Jarreau geben zwei grosse Konzerte und beweisen, warum Live at Sunset einfach eine Klasse für sich ist.Sie kam mit den für einen Star charakteristischen paar Minuten zu spät, aber wer fragt nach solchen Kleinigkeiten, wenn Diana...

Auftakt mit zwei Glanzpunkten: Diana Ross und Al Jarreau geben zwei grosse Konzerte und beweisen, warum Live at Sunset einfach eine Klasse für sich ist.

Sie kam mit den für einen Star charakteristischen paar Minuten zu spät, aber wer fragt nach solchen Kleinigkeiten, wenn Diana Ross nach Zürich kommt?! Wie eine Königin schritt sie die an sich kurze Treppe auf der Bühne herunter, breitete majestätisch die Arme aus und... begann einfach grossartig zu singen. Im Publikum ist viel über ihr Alter (Jahrgang 1944) verraunt worden, und man gemutmasst, wie sie das macht, dass sie noch immer einfach toll aussieht. Aber ihre Stimme war schlicht umwerfen, ihre ganze Erscheinung der Inbegriff von Glamour: Sie trug (zuerst) ein bodenlanges, rotes und natürlich glitzerndes Kleid mit langem Umhang, den sie lässig schütteln und im richtigen Moment abwerfen konnte, so dass ihre tolle Figur gänzlich zur Geltung kam. Sie erinnerte an eine entfernte Verwandte von Scarlett O’Hara. Das Publikum war hin und weg, begeistert wurde schon bei der ersten Nummer getanzt, bei jeder sich bietenden Gelegenheit wild mitgeklatscht, in den kurzen Pausen zwischen den Nummern lautest gejubelt und gepfiffen. Die Dame brauchte sich nur ostentativ an ihre Haare zu greifen, und schon war man(n) einfach nur glücklich.

Der wesentliche Punkt war, dass das Glück ganz gegenseitig war: Diana Ross war in Spiellaune, gutgelaunt, liebenswürdig, zu Spässchen aufgelegt, animierte zum Mitsingen, liess sich von Fans genüsslich feiern, und machte ein paar schmeichelhafte und richtige Bemerkungen, was das Festival betrifft: Die Idee eben live at sunset zu singen, sei eine geniale, weil sie so endlich mal Publikum „and all the happy faces“ sehe und sich daran freuen könne! Natürlich kokettierte sie mit ihrem Alter und mit dem ihrer Fans, die die allermeisten Lieder erkannten, und mit ihrem Habitus: In Jeans werde man sie garantiert nie erleben. Viermal wechselte sie ihre Garderobe (im Dunkeln hinter der Bühne, wie sie scherzte) und sah jedes Mal grossartig aus. Und gegen Schluss nahm sie noch ein Sträusschen entgegen, bedankte sich ganz artig und freute sich. Nun, bislang ging es vor allem um den Auftritt, gesungen wurde natürlich genau das, was man von Diana Ross erwartete: Upside Down, I’m Coming Out, Stop! In The Name Of Love und viele weitere Hits aus ihrer Schatulle aber auch die ganz grossen und geliebten Songs wie You can’t hurry love aus Mahagony Do you know where you’re going to gab sie zum Besten. Wer Diana Ross singen, richtig singen hören wollte, wurde mit einer langsameren Nummer aus der neuen I Love You Platte bedient. Musikalisch blieb kein Wunsch offen.

Dass Diana Ross aber nicht umsonst als Diva bekannt ist, bewies sie mit ihrem wenig gelungenen Abgang. Plötzlich verschwand sie hinter der Bühne. Das Publikum glaubte nur Zeuge einer weiteren „Verwandlungsaktion“ zu werden, doch die Dame kam nicht wieder, da half alles Gejubel und Gebrüll nichts. Eine Zugabe gab es nach knapp 90 Minuten keine. Konsternierung machte sich breit, grosse Enttäuschung und auch ein bisschen Empörung. Da fühlte man sich an den amerikanischen Film „Juno“ erinnert, wo die Heldin gefragt wird, wie sie zu diesem illustren Namen gekommen sei. „Juno“ erklärt sie, sei eine römische Göttin. Und weil das dem durchschnittlichen Amerikaner nichts sagt, fügt sie an: „Apparently she was supposed to be super beautiful but really mean, like Diana Ross.“ Aber wann hat man sonst je die Chance gehabt, Diana Ross live und in so intimem Rahmen zu erleben?

Al Jarreau ist der Konzertabschluss am Abend drauf nach einer schönen Zugabe eindeutig besser gelungen. Der Mann hatte so viel gute Laune und Herzlichkeit übrig, dass es ihm sogar ab und dann gelang, das Publikum – eine Mischung aus stillen Geniessern und noch stilleren Kenner – aus der stillen Bewunderung zu locken und zum Mitsingen zu bringen. Er habe den ganzen Abend Zeit, erklärte er lachend, wenn man seine Zeilen nicht nachsang... und er tigerte schlicht begeistert über die Bühne von links nach rechts, strahlte ins Publikum.

Al Jarreau bewies wieder einmal, dass er ein grossartiger Liveperformer und ein noch grossartigerer Sänger ist. Man nehme irgendeinen Künstler, von dem man glaubt, dass er oder sie gut singen könnee, stelle ihn oder sie geistig neben Al Jarreau und... na ja, erblasse beschämt. Was der Mann mit seiner Stimme, mal laut, mal ganz ruhig und zart, dann wieder voller Kraft, hinbrachte, das war eindrücklich – von den langen und wild bejubelten Scat-Einlagen ganz zu schweigen. Funk, Soul, Pop, Jazz und R'n'B wurden gekonnt gemischt und spielerisch vermengt. Seine herausragende Band sprühte vor Spielfreude, und die Musik machte allen Beteiligten einfach nur Spass: Jeder und jede hatte mindestens einen Soloauftritt, den Al Jarreau väterlich begutachtete.

Gestern Abend waren „Love Songs“ aus seiner im Mai erschienenen Platte auf dem Programm, aber es spielte eigentlich keine Rolle. Al Jarreau benützte nach einigen Scherzen über die Schweiz („Mountains, trees and cheese!“) aber die Gelegenheit, ganz amerikanisch das Evangelium der Liebe zu predigen und beteuerte die Wichtigkeit der Liebe: „Let’s share!“, forderte er. Und irgendwann fragte er sich, warum man ihn eigentlich nicht schon früher ins Live at Sunset eingeladen hätte. Gute Frage! „Was I naughty?“ Wohl kaum, aber fürs nächste Jahr würden wird uns freuen, Al Jarreau wieder zu sehen!

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