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21. Juli 2008, 22:28 Music Interview

Interview mit Xavier Rudd

Patrick Holenstein - Auf dem Parkplatz vor dem Abart, gemütlich auf Campingstühlen sitzend, nahm sich Xavier Rudd fast eine halbe Stunde lang Zeit für Students. Portugiesische Orangenlimonade inklusive. Der sympathische Surfer mit dem Wuschelkopf wusste viel zu erzählen:Xavier, du trittst innert ...

Auf dem Parkplatz vor dem Abart, gemütlich auf Campingstühlen sitzend, nahm sich Xavier Rudd fast eine halbe Stunde lang Zeit für Students. Portugiesische Orangenlimonade inklusive. Der sympathische Surfer mit dem Wuschelkopf wusste viel zu erzählen:

Xavier, du trittst innert 10 Monaten zum zweiten Mal in Zürich auf. Was bedeutet es für dich, in der Schweiz zu spielen?Die Auftritte in der Schweiz haben mir jeweils Spass gemacht. Ich mag die Energie in der Schweiz. Jedes Mal, wenn wir hier gespielt haben, ich glaube, es waren 3 Mal, war es ein Riesenspass. Es ist immer etwas besonderes, in die Schweiz zu kommen.

Dieses Mal ist das Konzert in einem kleineren Club. Welche Konzerte sind dir lieber? Die grossen Shows oder die eher kleinen Konzerte?Es spielt keine Rolle. Ich mag es zu spielen, egal wo. Grosse Bühnen mit tausenden von Leuten können extrem Spass machen, vor allem, wenn es ein Open Air ist. Am liebsten spiele ich draussen. Aber kleinere Anlässe, können genau so gut sein. Dann herrscht eine völlig andere Stimmung. Wichtig ist mir die Abwechslung aus beidem.

Welche Faktoren bestimmen bei dir, welche Songs du in die Setlist aufnimmst?Es kommt ein wenig darauf an, wo wir spielen und wie ich mich fühle. Auch spielt eine Rolle, was ich an den Spielorten tue. In Zürich habe ich beim letzten Mal die Berge vermisst und bin auf diesen Berg bei Zürich geklettert. (Zeigt auf den Üetliberg) Alle diese Dinge spielen bei der Wahl der Setlist eine rolle.

Manchmal änderst du deine Setlist noch während dem Konzert?Ja, jedes Mal. Je nachdem passe ich die Setlist an, weil so ich besser auf die Stimmung der Menschen eingehen kann. Wir spielen auch viele instrumentelle Teile und dort probieren wir oft neues aus.

Jack soll sehr speziell sein, ein Song, den du zwar live spielst, aber den es nicht auf CD gibt. Kannst du mir etwas über Jack erzählen? Hat er für dich eine spezielle Bedeutung?Jack ist ein alter Song von mir, den ich mit dem Hintergrund eines Freundes mit dem Down-Syndrom geschrieben habe. Wir kennen uns, seit wir Kinder waren. Ich spiele den Song sehr selten, weil für mich die Gelegenheit oft nicht da ist, den Song zu spielen. Trotzdem wurde der Song sehr bekannt. Es überrascht mich sehr, wie viele Leute den Song kennen. Viele kennen ihn wohl vom Internet.

Ist Jack der Name deines Freundes?Sein richtiger Name ist Nick, aber aus irgendeinem Grund habe ich den Song Jack genannt. Keine Ahnung warum.

Wenn du auf der Bühne bist, hast du die verschiedensten Instrumente um dich. Wie viele hast du jeweils auf der Bühne? Es kommt immer darauf an, wo ich spiele. Wenn ich alles mitnehmen würde, dann wäre es extrem teuer, die Instrumente mit dem Flugzeug zu verschicken. Aber meistens habe ich viele dabei. Ich schätze ca. 20 Instrumente sind es und dafür benötige ich gegen 32 Kanäle am Mischpult.

Du benutzt auch Digeridoos, das Instrument der Aborigines. Wie bist du mit den Aborigines verbunden?Ein Teil von mir, väterlicherseits, ist Aborgine. Und dadurch habe ich eine starke Beziehung zu ihrer Kultur, seit ich ein Kind bin. Viele meiner Freunde sind Aborigines. Also ja, es ist so, dass ich eine sehr starke Verbindung habe. Es ist meine persönliche Kultur und repräsentiert mein Land, es ist das, was Australien für mich ausmacht. Ich denke, jeder, der nach Australien reist, wird bestätigen, dass es ein starker Platz ist. Es ist wunderschön und es fühlt sich gut an.

Die Aborigines haben in Australien nicht wirklich eine gute Stellung. Man hört hier in Europa oft, dass sie grosse Probleme mit Alkohol und Gewalt haben. Hat sich das gebessert oder ist es noch immer ein Problem?Die Aborigines erging es lange Zeit sehr schlecht. Bis vor 20 Jahren wurden sie unterdrückt. Sie sind aber keine gewalttätigen Menschen. Es stimmt, dass es Probleme mit Alkohol und Gewalt gibt in den Kommunen. Aber diese Probleme werden völlig falsch verstanden. Sie sind nur verständlich, nachdem, was diese Menschen alles erleben mussten. Menschen, die als Kinder von ihren Eltern getrennt wurden, denen nie erlaubt war, ihre eigene Sprache zu sprechen und die als Weisse aufwachsen mussten, trotz ihrer dunklen Hautfarbe. Es ist wichtig, dass alle Australier, egal ob weiss, schwarz, rot, gelb oder pink über die Geschichte des Landes aufgeklärt werden. Australien hatte eine Kultur, von mehreren tausend Jahren, bevor die Weissen kamen. Ich denke, dass das alle Kinder lernen sollten, so würden sich auch die schwarzen Kinder als etwas Spezielles fühlen.

Ich habe gelesen, dass du über die Platten von Neil Young und Paul Simon mit Musik in Berührung kamst? Das waren eigentlich viele verschiedene Künstler. Neil Young und Paul Simon waren zwei Musiker, die mein Vater oft gehört hat, als ich ein Kind war. Es ist lustig, ich habe Neil Young erst letzte Woche das erste Mal in meinem Leben gesehen. Ich hielt meinen 2-jährigen Sohn und hatte plötzlich den Gedanken: wow, das ist eine ganze Generation später. Er ist wie ich, als ich ein Kind war. Ich sah Neil Young und ich war sprachlos, es hat mich schlicht umgehauen.

Wann war für dich klar, dass du Musiker werden willst?Das hab ich immer schon gewusst.

Bist du gerne vor Publikum?Es ist mehr als nur das. Es ging um die Möglichkeit, mich durch die Musik auszudrücken. Musik ist mein Leben, sie ist ständig um mich. Ich war nie sehr an der Schule interessiert. Studiert habe ich nie, sondern mache seit 9 Jahren nur noch Musik.

Zu deiner neuen CD Dark shades of blue. Das Album klingt mal düster, dann aber auch wieder hell und voller Hoffnung. Ist diese Ambivalenz gewollt? Eine Vorgabe habe ich nicht, wenn ich Musik schreibe, sie kommt zu mir. Ich sitze nicht hin und versuche Songs zu schreiben, es geschieht einfach, wenn ich irgendwas mache. Dann passiert es, plötzlich und intensiv. Es ist oft eine Reflexion meiner Reise, meines Lebens. Die letzten zwei Jahre toure ich so viel, wie noch nie. Wenn du auf Tour bist, dann siehst du so viele Länder und sprichst mit so vielen Menschen, erfährst Sachen über unterdrückte Völker und verschiedene Probleme der Menschen. Seit 10 Jahren toure ich. In der Zeit sah ich einen grossen Teil der Welt und das inspiriert mich. Und das nimmt ständig zu. Das ist eines der Themen auf dem Album. Ein anderes ist, wie sehr ich mein Zuhause vermisse und dass ich müde bin vom vielen Reisen. Aber auch traurige Momente kommen darin vor. Ich glaube, meine Musik spiegelt nur, wie ich mich fühle.

Wie gehst du an ein neues Album heran? In welchem Umfeld entstehen die Songs?Über die Jahre kam meine Musik oft während ich aktiv war. Beim Surfen, wenn ich an einem Feuer sass, rannte oder einfach im Busch war. Normalerweise, wenn ich mich bewegte. Die Musik kommt wie ein Pulsschlag, wie ein Takt. Sie entsteht in meinem Kopf.

Und wenn du zurück bis, setzt du die Ideen sofort um?Normalerweise habe ich sie im Kopf, höre sie und kann sogar visualisieren, wie der Song sein wird. Das versuche ich dann umzusetzen.

Du sollst bei den Aufnahmen für das neue Album unter freiem Himmel geschlafen haben, begleitet von deinem Collie Headed Retriever. Gehört das bei dir mit dazu, wenn du Platten aufnimmst?So bin ich augewachen. Als Kind war ich oft tagelang unterwegs, ohne Menschen zu sehen. Ich verbrachte viel Zeit alleine mit Surfen, Campieren und draussen übernachten. Doch seit ich Musik mache, hat sich mein Leben verändert. Heute bin ich auch viel in Städten unterwegs.

Was anderes. Du bist schon längere Zeit Vegetarier? Wie lange ist lang? Ungefähr seit 8 oder 10 Jahren. Ich habe aber keine Probleme mit Menschen, die Fleisch essen. Probleme habe ich mit der Massenproduktion von Fleisch. Ich bin aus einer Kultur, in der Fleisch etwas Besonderes ist. Dort wird das Essen gejagt. Ein Hauptbestandteil der Nahrung der Aborigines ist Känguru, aber es wird jeder Teil des Tieres verwendet. Die Aborigines zeigen Respekt gegenüber den Tieren, sie nehmen nur was sie brauchen. In dieser Kultur ist alles gleich viel wert. Wenn Aborigines in der Wüste sind und Durst haben und an einem kleinen Wasserloch trinken, dann nehmen sie nur so viel, wie sie für den Tag brauchen. Sie lassen genug übrig, für die Tiere und andere. Jeder ist gleich viel wert.

Gabs dafür einen besonderen Grund oder ein Erlebnis? Nein, nicht ein spezieller Grund, eher mehrer Faktoren. Beim Reisen habe ich viel gesehen. Als ich in den USA war und von Los Angeles nach San Francisco fuhr. Man konnte diesen hässlichen Geruch über 20 Kilometer riechen. Ich fragte, was das sei und wir fuhren hin und sahen ein riesiges Feld von Kühen, alle eng aneinander gepresst. Sie standen in ihren eigenen Fäkalien. Kein bisschen Gras war mehr zu sehen. Sie assen ihre eigenen Exkremente. Der Gestank war unaushaltbar, noch 30 Kilometer weiter konnte man es riechen. Ich denke, solche Situationen waren es, die mich zum Vegetarier machten.

Du setzt dich auch sonst stark ein zum Beispiel für den Klimaschutz oder du kämpfst gegen Walfänger. Kannst du da etwas dazu erzählen?Ich liebe diese Welt, die Natur und die Wunder der Erde. Städte haben mir nie viel bedeutet. Ich denke, dass wir viel mehr Sorge zur Erde tragen sollten, während wir hier sind. Wir leben in einer Zeit, in der wir noch viele Naturwunder geniessen können, das ist ein spezielles Geschenk. Es gibt viele Vereinigungen, welche gegen die Umweltverschmutzung und andere globale Probleme kämpfen. Das gibt mir auch Inspiration für meine Songs. Es ist wichtig, dass man über diese Problematik informiert ist.

Glaubst du, die Musik, gerade Grossanlässe wie Live Aid oder Live Earth können wirklich etwas bewirken?Für mich verbindet Musik verschiedene Kulturen. Ich weiss nicht, ob ich Recht habe mit dem, was ich sage, aber ich singe, was ich fühle. Dass Leute sich damit identifizieren können, ist ein grossen Kompliment. Jeder ist sein eigener Richter und muss wissen, was er tut.

Du bist Musiker aus Leidenschaft, du bist Surfer, aber daneben auch Familienvater und Geschäftsmann. Wie bekommst du das alles unter einen Hut?Ich weiss es auch nicht genau, irgendwie hat sich das organisch entwickelt. Ich besitze keinen Computer, ich habe auch kein Büro. Entscheidungen treffe ich mit meinem Herz und ich verlasse mich auf meine Frau, sie trifft gute Entscheidungen. Wir gehen den weg gemeinsam. Meine Managerin Christi Thompson ist eine perfekte Organisatorin, sie hält alles am Laufen. Über die Jahre habe ich ein Team um mich gebildet, das funktioniert. Und ich weiss, was ich will. Aber es hat einige Zeit gedauert, bis ich dort war. Viele sind gekommen und gegangen, aber jetzt stimmt es. So ist es um einiges einfacher.

(Interview by Danny Schwenter)

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