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25. August 2008, 17:03 CD / Vinyl

Phenomden - Gangdalang

Dominik Mösching - Es war ein schöner Samstag im August. Wohl eine der letzten Möglichkeiten in diesem an schönen Samstagen armen Sommer, um noch einmal in den Park zu gehen, dachte ich. Tuch ausbreiten, die Sonne im Gesicht spüren, ein bisschen Musik hören. Und da lag sie auf dem Küchentisch...

Es war ein schöner Samstag im August. Wohl eine der letzten Möglichkeiten in diesem an schönen Samstagen armen Sommer, um noch einmal in den Park zu gehen, dachte ich. Tuch ausbreiten, die Sonne im Gesicht spüren, ein bisschen Musik hören. Und da lag sie auf dem Küchentisch: Die CD, welche schon seit mehr als einer Woche ihrer Rezension harrte. Nicht dass ich keine Lust gehabt hatte, reinzuhören. Denn Phenomden mochte ich schon immer – als Wahl-Wiediker schon nur für seine Quartierhymne Wiedike. Aber ich hatte wohl einfach auf die angemessene Gelegenheit für die neue Platte des Mundart-Reggae-Pioniers gewartet.

Und dieser Nachmittag auf der Fritschiwiese war für Gangdalang nicht nur angemessen. Er war perfekt. Perfekt für diese eingängigen Riddims und für diese tollen Melodien. Perfekt für diese Reime und Verse auf Züritüütsch, welche die Musik trotz deren Weltläufigkeit mit einer unverwechselbaren Identität füllen. Perfekt für diese persönlichen Texte von einer Ehrlichkeit, welche auf unkitschige Weise berührt. Was Isch D’Liebi ist dabei nicht nur Titel des gleichnamigen Songs, der durch cleveren Einsatz der Kopfstimme überzeugt; Die Frage zieht sich wie ein roter Faden durch die ganze Platte. Für Immer, Zrugg Zu Dir (mit wunderbaren Bläsern) und Schriibe erzählen in unterschiedlicher Weise von Sehnsucht- und Vermissensgefühlen vor, während und nach einer Beziehung. Reggae Kultur, musikgewordener Wikipedia-Eintrag zum Thema Reggae, widmet sich der Liebe zur jamaikanischen Offbeat-Musik, und in Roots beschreibt Phenomden die geliebten Dinge seines Alltags.

Dass es auf der Welt aber nicht nur liebevoll zu und hergeht, ist für Reggae-Künstler immer wieder Inspiration für viele gesellschaftskritische Zeilen. „Informieri mi wird mini Miene immer voller Sorge/Mit jedere witere Ziile ide Ziitig vom Morge“, heisst es in Moderni Ziite, von Ganjaman/Berlin produziert und mit einer Killer-Hookline ausgestattet. Vill Lüüt widmet sich der Armut in Afrika – auf diese Zusammenarbeit mit Rebellion The Recaller ist Phenomden besonders stolz, wie er im students.ch-Interview verrät. Auch der Umgang der Menschen mit unserem Heimatplaneten wird in einer Kooperation auseinandergenommen (Chugle), wobei die „Des isch oanfocha“-Reime von Jamin (IBK Tribe), im breitesten Austria-Slang abgefeuert, absolut irrwitztig tönen.

Neben den vielen Gästen und Produzenten (unter anderem Pow Pow, Ganglords oder Jr. Blender aus dem Silly Walks-Umfeld) hat Phenomden für Gangdalang auch mit seiner Live-Band The Scrucialists zusammengearbeitet, etwa bei der Single Stah Da. Auf der bevorstehenden Tour kriegt der Zürcher Sing-Jay zudem Unterstützung von drei Sängerinnen. Zum Glück waren diese schon im Studio dabei: Steinig und Lied Im Ohr gehören gerade wegen der weiblichen Background-Stimmen zu den absoluten Höhepunkten des Albums. Etwas weniger beeindruckt war ich hingegen von Dance Im Olivehain oder vom titelgebenden Akustik-Jam Gangdalang zum Schluss der Platte. Aber die Faszination für die Lagerfeuer-Klampfen-Ausflüge von Reggae-Künstlern konnte ich halt schon bei Bob Marleys Redemption Song nie ganz nachvollziehen.

Und auch wenn nicht ganz alle Rhymes und Styles das ansonsten hohe Niveau halten können: Mit Gangdalang illustriert Phenomden eindrücklich, dass Reggae-Musik und Schweizerdeutsche Texte wunderbar harmonieren. Vom Vereinen dieser beiden Traditionen kann daher nicht nur die Reggae-Szene, sondern auch der geneigte Fan des Schweizer Musikschaffens profitieren, welcher dadurch Zugang zu hierzulande noch nicht so bekannten Sounds gewinnen könnte. Kurz: Gangdalang ist nicht nur eine tolle Modern-Roots-Platte, sondern auch eine Pop-Scheibe im besten Sinne – denn Leute mit ganz unterschiedlichem Background werden ihr Vieles abgewinnen können. „Es Lied isch en Spiegel/Vom Sänger wos Lied singt, sini Meinig, sini Stimmig, sini Stimm/Es Lied isch en Spiegel/Für däjenig wos wahrnimmt, er losed’s und spieglet sich drinn“, singt Phenomden bei Lied Im Ohr. So ist es.

Hörprobe auf CeDe.ch

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