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28. August 2008, 13:42 Music Interview

Interview mit Büne Huber von Patent Ochsner

Patrick Holenstein - Am 29. August erscheint The Rimini Flashdown, die neue CD von Patent Ochsner. Mitten in einem Interview- und Medienmarathon nahm sich der charismatische Frontmann Büne Huber Zeit für Students. Büne Huber gehört zu jenen Menschen, die einem das Gefühl geben, man rede mit eine...

Am 29. August erscheint The Rimini Flashdown, die neue CD von Patent Ochsner. Mitten in einem Interview- und Medienmarathon nahm sich der charismatische Frontmann Büne Huber Zeit für Students. Büne Huber gehört zu jenen Menschen, die einem das Gefühl geben, man rede mit einem guten Bekannten. Dementsprechend locker erzählte er von der neuen CD, persönlichen Kindheitserinnerungen und Federico Fellini.

Wie kam es zum Namen der neuen Platte, The Rimini Flashdown?

Das ist mir eben fast ein wenig peinlich, aber ich hab ihn geträumt! In einem Traum ist mir der italienische Filmemacher Federico Fellini erschienen. Ich habe mich zuvor intensiv mit seinem filmischen Schaffen auseinandergesetzt, aber auch als Zeichner ist er eine sehr spannende Figur. Daher lag es auf der Hand, dass ich von ihm geträumt habe. Aber dass er mir den Albumtitel sagt, dass hat mich dann doch erstaunt. Aber „Gopferdelli“, wenn Fellini einem sagt, wie er das Album nennen würde, dann bist du ja blöd, wenn du nicht auf ihn hörst.

Auf der CD steht Part One. Warum das, darf man mit einer Fortsetzung rechnen? So, wie es im Moment aussieht, wird es eine Trilogie geben, sprich drei Scheiben, welche in diese Richtung gehen. Das Konzept geht nicht weiter als, dass ich in den letzten drei Jahren enorm viel Material geschrieben habe, von Liebi, Tod & Tüüfu, bist jetzt. Ich weiss aber, dass dieses Material eigentlich zusammen gehört und ich muss das in eine Form bringen, das ist mein Plan.

Die neue CD wirkt ein wenig wie ein Konzeptalbum, wie wenn sie eine Lebensgeschichte erzählen würde. War das so geplant oder ist das einfach entstanden?

Es war eigentlich nicht geplant, aber wir haben im Laufe der Arbeit plötzlich gemerkt, dass doch eine Art ein Konzeptalbum entsteht. Das ist etwas eigenartig, weil das überhaupt nicht geplant war und plötzlich sind gewisse Bögen entstanden. Wir haben gemerkt, ah, das entwickelt sich so und wir haben das dann einfach nicht kaschiert. Aber geplant war es nicht.

Ich möchte auf einige Songs eingehen. Angelina ist eine typische Ochsnerballade. Der Text klingt, als wäre sie die Mutter im Kontext der Platte oder eine Geliebte. Wie ist es wirklich und gibt es eine reale Angelina?

Es ist das Konzept des Schutzengels. Das ist das Bild, welches bei Angelina im Vordergrund steht. Ich kenne das aus Gesprächen mit vielen anderen Menschen, die in irgendeiner Form künstlerisch tätig sind, dass immer eine Angst im Raum steht. Die Angst, dass die tiefe Verbindung, der feine Faden mit einer seelischen Welt, mit etwas Spirituellem, und ich meine spirituell nicht im Sinne von Religion, das hat nichts mit der Kirche zu tun, sondern mit der spirituellen Welt, dass dieser Faden verloren geht. Man hat unter Umständen Angst, wenn du am Arbeiten bist, beschleicht dich das Gefühl, du würdest nur Mist bauen und es kommt nicht an den Punkt, an dem ich es mir wünsche. Oder ich misstraue meinen Kräften oder Visionen, ich misstraue meinen Eindrücken, die ich von etwas habe, geschweige denn, ich kann sie gar nicht umsetzen. Das ist ungefähr diese Ecke, die Angelina stark geprägt hat.

Apollo 11 soll ja soll wahrscheinlich den Lebensfilm kurz vor dem Tod andeuten, könnte...

...nein, nicht wirklich. Das ist der eindeutig biografischste Song auf der Platte. Es ist ganz klar, diese Situation gab es so in meinem Leben. Es war ein Moment von ungeheurer Nähe und Vertrautheit mit meinem Vater damals im Juli `69, als die Amerikaner auf dem Mond gelandet sind. Ich war hingerissen. Es war ein Augenblick von extremer Verbundenheit, denn meine Mutter und Schwester hat das nicht interessiert, aber ich bin mit meinem Vater dort draussen in der Nacht gesessen und wir haben den Mond angeschaut. Aber natürlich hat mich auch die technische Welt fasziniert. Für mich war es das Haudegentum per Excellenze, dass jemand die Erde verlässt, auf den Mond fliegt und dort aussteigt. Mutiger, hatte ich das Gefühl, kann man gar nicht sein, das ist unmöglich. Ich erinnere mich, die Geschichte war so, dass es für mich eindeutig war, ich hatte keine Wahl, ich muss Astronaut werden. Aber wenn ich gehe, dann: Vater komm doch bitte mit, ich habe etwas Angst. Ich glaube sogar, dass es heute nicht viel anders wäre. Wenn ich heute gefragt würde, ob ich auf den Mond fliegen möchte, ich würde sagen: „Yes, ich fliege auf den Mond! Bitte, Bitte!“ Aber mir ist natürlich klar, dass sie mich nicht fragen. Weil, wenn sie mich fragen würden, hätte ich dann doch ein wenig „Schiss“.

Vielleicht interpretiere ich ein wenig viel, aber mit Globetrotter schliesst sich irgendwie ein Kreis. Bei Bälpmoos war es einer, der gerne fort würde, aber nicht kann und jetzt geht es um jemanden, der reist, aber doch gerne wieder heimkommt. Ist das zu viel Interpretation dabei oder ist doch etwas dran?

Nein, du bist schon dabei. Eigentlich geht es darum, dass ich diese Erkenntnis aus meinen Reisen mitgenommen habe. Das Fernweh, dass mich bei Bälpmoos gepackt hat, habe ich halt immer noch. Aber das ist jetzt 20 Jahre her, seit ich Bälpmoos geschrieben habe und das hat sich gar nicht geändert, eher ist das Fernweh noch stärker geworden in meinem Empfinden. Aber was ich aus der ganzen Geschichte mit dem Reisen gezogen habe, ist, dass ich eigentlich bei den Reisereien stärker zu mir finde, mich besser verstehe, in einer Zeit, in der Welt und das meine ich mit der Metapher, vor der eigenen Tür landen bei Globetrotter. Man findet eher zu sich, je weiter man weg geht. Irgendwie ist das eigenartig.

In 21 Gramm nutzt du die nicht tot zukriegende Legende, dies sei das Gewicht der menschlichen Seele, als Metapher für das Sterben. Im Booklet steht, dass Patent Ochsner allen Seelen gedenken, „die es nicht bis hierher geschafft haben.“ Wie kommt es, dass der Tod plötzlich so präsent ist?Ich habe den Eindruck, das war bisher nicht so im Vordergrund.

Wir hatten schon 1994, bei Gmües so eine Phase, als der Tod thematisch sehr zentral war. Damals starb mein Vater. Die Auseinandersetzung mit der Endlichkeit, dem Tod, ist letztendlich ein biografischer Punkt. Ich war bei der letzten Tour damit konfrontiert, dass man mich in die Röhre geschickt hat, um Abklärungen zu machen. Danach musste ich zwei Wochen warten, bis ich Bescheid erhielt, bis ich Klarheit hatte. Das hat mich sehr beschäftigt, es hat mich zwei Wochen lang mit Fragen konfrontiert, dass du unter Umständen einen Bescheid bekommst, der dein Fortbestehen massiv prägen wird. Du wirst über andere Dinge nachdenken müssen und das ist interessant. Ich habe zum Beispiel seit langem wieder einmal zutiefst klar gespürt, dass ich leben will. Lange habe ich ein Gefühl mit mir herum getragen, so in der Art von, ich bin da und wenn ich nicht mehr da bin, dann bin ich halt nicht mehr da. Das ist ganz einfach, mit Willen hat das gar nichts zu tun. Aber plötzlich bin ich mit dieser Frage anders konfrontiert worden und habe gemerkt, dass ich noch viel vor habe und eigentlich nicht gehen möchte.

21 Gramm ist aber auch ein Film von Alejandro Gonzales Innaritu. Die neue CD wird mit einem Film von Federico Fellini verglichen. Wie wichtig sind für dich Einflüsse aus anderen Kulturrichtungen, wie eben Film oder Literatur, wenn du Texte schreibst?

Ich glaube sowieso, dass ich grundsätzlich aus Malerei, Film und Literatur ganz stark, Inspirationen bekomme. Das sind enorm wichtige Quellen für mich und ich bin auch richtig scharf darauf, Filme zu schauen, Bücher zu lesen oder in Ausstellungen zu gehen. Mich interessiert in allen Facetten, was andere Leute für Ausdrucksformen verwenden und das ist sehr anregend. Obschon ich sagen muss, dass ich den Film 21 Gramm nie gesehen habe. Aber mich fasziniert die Story dahinter. Du hast es vorhin richtig gesagt, hartnäckig hält sich das Gerücht. Du musst dir mal vorstellen, das war 1907. Da war ein Arzt, der 6 Personen kurz bevor und kurz nachdem sie gestorben waren gewogen hat und bei zweien konnte er einen Gewichtsverlust von 21 Gramm messen, bei den anderen war es mehr. Stell dir vor, damals konnte einer eine wissenschaftliche Arbeit schreiben, aufgrund von zwei per Zufall 21 Gramm verlierenden Personen. Das hat mich wahnsinnig fasziniert.

Vielleicht hält es sich bis heute, weil die Legende so was wie eine Beweis für die Existenz der menschlichen Seele, für den Glauben ist.

Ja, er ist dann sogar so weit gegangen, dass er auch 15 Hunde eingeschläfert und sie gewogen hat. Diese wurden nicht leichter, woraus er geschlossen hat, dass Hunde keine Seele haben und somit hat sein religiöses Weltbild wieder gestimmt. Genau das fasziniert mich, diese Pseudowissenschaftlichkeit. Aber es ist effektiv so, dass ich während des letzten Jahres, indem ich mich intensiv damit beschäftigt habe, viele Leute getroffen haben, die meinten: „Gell, es scheint wirklich so zu sein, dass die menschliche Seele 21 Gramm wiegt?“

Wie schreibst du deine Texte? Brauchst du bestimmte Stimmungen oder ein gewisses Umfeld, um kreativ zu sein?

Nein, es gibt nicht eine Form, keine immer gleich gestaltete Situation, das ist bei mir nicht so. Ich versuche natürlich schon, mir in bestimmten Momenten das ideale Umfeld zu gestalten, aber vielleicht eher als dass wir das Aufnahmestudio umgestaltet haben. Mir ist wichtig, was Räume für eine Ausstrahlung haben oder ich umgebe mich sehr gerne mit Gegenständen, die ich seit Jahren mit mir herum schleppe und die in sämtliche Räume mitgekommen sind, in denen ich gearbeitet habe. Wir haben das Studio so eingerichtet und das hat für mich sehr stark Sinn gemacht. Aber wenn ich am Schreiben bin, dann kann das tatsächlich überall sein. Das kann in einem Tram stattfinden oder wo auch immer, das spielt nicht so eine Rolle. Obschon ich sagen muss, dass natürlich immer noch eine Phase der Überarbeitung dazu kommt. Dort schaue ich schon wieder, dass es irgendwie geht, aber ich packe eigentlich die Situation am Schopf, wenn sie sich mir bietet und danach, beim Weiterarbeiten, kreiere ich vielleicht mehr und arbeite noch an der Stimmung.

Patent Ochsner gibt es seit bald 20 Jahren. Wie hat sich die Band in der Zeit und in deinen Augen verändert?

Sehr entscheidend sind natürlich schon die Mitgliederwechsel. Die Band und die Stimmung war immer geprägt von den Leuten, die drin waren. Die Band, welche 1990 sich unter dem Namen Patent Ochsner gegründet hat, war natürlich eine völlig andere, als sie es heute ist. Und vor zwei Jahren, nach Tourschluss der letzten Scheibe ist Päss (Steiner, Anm. des Red.) ausgestiegen. Er war eines der Gründungsmitglieder und ist nach 16 Jahren ausgestiegen. Das war für mich schon etwas komisch nach all den Jahren, als wir auf dem Gurten gespielt haben und er nicht mehr dabei war. Aber Geschichten sind eben so, man entwickelt sich an andere Punkte hin. Aber ich kann damit schon leben. Klar ist es ein Teil Sentimentales, was man halt so mit sich trägt, aber die Band ist in dem Sinn schon professioneller geworden, das muss man schon sagen. Wir verlieren uns weniger in Trinkgelage und an „Töggelichäschte“. Das gibt’s schon immer noch, aber früher waren wir Wochen lang im Übungskeller und vielleicht die Hälfte davon haben wir getrunken, „Töggeli“-Turniere gespielt und haben über die Platte geredet, sie aber nicht gemacht.

Habt ihr etwas geplant, um das Bandjubiläum zu feiern?

Ich kann’s mit irgendwie nicht vorstellen, dass wir ein Jubiläum als Band haben. Ich denke nicht in diesen Zeitabschnitten. Patent Ochsner wird in zwei Jahren 20 Jahre alt, aber ich empfinde das nicht so. Es gab eine Band, die hat funktioniert von 1991 bis 1995, danach gab es eine neue Band, die bis `99 funktionierte. Dann gab`s meine Sologeschichten und danach gab’s wieder eine neue Band, die von 2002 bis 2005 bestanden hat und seither ist Patent Ochsner bis jetzt in der gleichen Besetzung geblieben. Das ist wieder ein Stadium und ich wüsste nicht, welches es zu feiern gäbe.

Ihr spielt am Samstag ein Open Air in Basel und am Freitag darauf eines am Greifensee. Was erwartet die Besucher? Sind Gastauftritte geplant?

Nein, es ist fast ein wenig schäbig, aber ich kann’s dir noch nicht sagen. Wir treffen uns diese Woche und werden das Programm zusammenstellen. Was aber klar sein wird, ist, dass wir nicht The Rimini Flashdown in seiner vollen Form präsentieren werden, das wird dann erst im November damit auf Tour gehen. Bei den beiden Open Airs machen wir sicher eine gemischte Form, vielleicht vier neue Songs werden wir rein nehmen, aber das ist alles noch sehr unklar. Wenn alles zusammen klappt, würde ich gerne mit Erika Stucky etwas machen. Ich hatte Kontakt mit ihr und ich würde sie am Greifensee gerne auf die Bühne bitten. Sie ist sowieso als Gast im Publikum und ich schätze sie einfach. Sie ist ein guter Mensch, eine gute Künstlerin, ich „verrecke ab dere“. Ich finde sie echt eine witzige, starke Person und wenn wir irgendwas zusammen machen könnten, wäre das schön, aber sonst ist eigentlich nichts geplant.

Das war’s von meiner Seite. Vielen Dank für das Gespräch. Ich wünsche dir und der Band sehr viel Spass bei den beiden Open Airs und eine erfolgreiche Tour im Winter.

Patent Ochsner

Titelbild by Danny Schwenter

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