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18. Juli 2007, 00:00 Interview

Ben Harper

Simon Knopf - Students.ch traf Ben Harper in Zürich und sprach mit ihm über sein neues Album Lifeline und über wahres Glück. Es ist schon wieder ein Weilchen her, seit du dein letztes Album „Both Sides Of The Gun“ rausgebracht hast. Kam die Idee für eine neue Platte aus heiterem Himm...

Students.ch traf Ben Harper in Zürich und sprach mit ihm über sein neues Album Lifeline und über wahres Glück.

Es ist schon wieder ein Weilchen her, seit du dein letztes Album „Both Sides Of The Gun“ rausgebracht hast. Kam die Idee für eine neue Platte aus heiterem Himmel?

Nun, ich gehe eigentlich immer sehr schnell weiter. Ich meine, ich mache gerne Alben, aber ich muss mich jetzt nicht in der vollendeten Platte suhlen, wenn du so willst. Ich gehe gern mit einer gewissen Schnelligkeit weiter… nicht zu schnell. „Both Sides Of The Gun“ war 2006, jetzt ist 2007, Zeit für etwas Neues! Plus, die Innocent Criminals spielten einfach so verdammt gut, dass es mir fast eher darum ging, den wunderbaren Sound mit dieser Band einzufangen.

Musik, oder Klänge sind heutzutage ja fast überall mit all den Klingeltönen, Werbespots und Wahrenhaus-Berieselungen. Hast du manchmal genug von Musik, brauchst du manchmal Klang-Timeouts?

Klar! Ich brauch auf jeden Fall meine Klang- und Musikpausen. … Timeout? Manchmal muss ich meinen Kindern Timeouts geben… (lacht). Und ich gebe mir selber Musik-Timeouts! Ich meine, ich muss nicht zu jedem Zeitpunkt, an dem ich wach bin Musik um mich herum haben. Aber das ist ein guter Punkt, es wird wirklich alles immer nur noch lauter…

Vor etwa 10 Jahren las ich einen Artikel über dich im Rolling Stone. Der betreffende Journalist bezeichnete deine Musik als Katharsis. Hat Musik, und deine Musik im speziellen, ebenfalls eine reinigende, energiespendende Wirkung auf dich?

Musik hat ganz klar dieses Potential. Es kommt natürlich immer etwas darauf an, was du in einem Moment von Musik erwartest. Aber selbst wenn du nichts von ihr erwartest, kann sie diese Wirkung haben. Musik kann dich definitiv emotional ausgleichen, so zu sagen deine Uhr neu stellen.

Auf dem letzten Album hast du ja viele der Instrumente selber gespielt, und die Platte ist auch auf sehr spontane Weise entstanden. Wie war das diesmal?

Diesmal war es eine richtige Kollaboration. Es war das erste Mal, dass ich für ein Album in so einem Gefüge drin war, mit Co-Writing und allem. … ich wusste zuerst gar nicht, ob ich das überhaupt kann! Aber wir alle gingen aufeinander zu, anstatt uns voneinander zu entfernen. Abgesehen von den letzten zwei Songs haben wir alle Lieder als Gruppe geschrieben...

Es kamen also auch verschiedene Einflüsse zusammen…

Ja, auf jeden Fall. Aber weißt du, ich brauchte „Both Sides Of The Gun“ um zu wissen, wo ich musikalisch etwa hin wollte. Und als dann die Band mit auf Tour kam, haben sie im Prinzip den Weg für diesen nächsten Schritt geebnet. Sie haben mir zu dieser klaren Sicht verholfen, wo meine Musik hin soll. Ich bin auch jetzt noch fasziniert, wie sie auf diesem Album gespielt haben…

Die Art wie du an einem Album arbeitest verändert sich also auch immer mit der Art der Musik, die du gerade machst?

Absolut. Deine musikalische Perspektive verändert sich ja auch immer mit deiner Umgebung, mit deinen Erfahrungen, die du gerade machst. Ich habe bisher Musik immer so erfahren, dass alles was du in sie reinsteckst, als ein Hundertfaches zurückkommt. So war das auch beim Entstehungsprozess dieser Platte. Ich glaube, ich, oder wir alle haben uns kreativ weiterentwickelt, wie noch nie zuvor, haben diese Band neu definiert. Ich denke, dies hört man der Platte an, und ich glaub sie wird der Welt auch zeigen, was für eine klasse Band The Innocent Criminals sind.

Deine Musik war schon immer ein farbenfroher Mix aus verschiedenen Stilen. Und es gab natürlich schon immer die Kritiker, welche dies bemängelt haben. Bedeutet Musik machen, dass man Kompromisse eingehen muss?

(überlegt lange) … bedeutet Musik machen, dass man Kompromisse eingeht….?

Für mich ist es das Gegenteil. Ich mache Musik ohne Kompromisse, egal was die Meinungen dazu sind!

Das sollte öfters so sein, nicht?

Ja, da stimme ich dir voll und ganz zu! Aber ich glaube, dass in der Beziehung gerade eine Renaissance im Gange ist. Ich hab so das Gefühl….

Denkst du dabei an jemanden Bestimmtes?

Nein, einfach die Szene als ganzes.

(bild: www.benharper.net)

Ich hatte den Eindruck, dass „Lifeline“ den Fokus viel stärker auf persönlichen Themen hat, als auf politischen, wie es bei deiner letzten Platte der Fall war.

… ja, das ist so. Das könnte man so sagen…

War es eine bewusste Entscheidung, das politische, diese musikalische und lyrische Wut eines „Black Rain“ wegzulassen?

Es war nicht so bewusst… , ich hab mir nicht gesagt, gut, das haben wir gemacht, jetzt kommt das Nächste. An einem gewissen Punkt im Leben, wenn du ein gewisses Alter erreicht hast, basiert ein nicht geringer Anteil deiner Entscheidungen auf Intuition. Instinkt kommt aus dem Bauch, Intuition kommt von einer Kombination aus Bauch, Herz und Kopf. Und ich glaub, es war meine Intuition, dass dieser Stil zu der Band und diesem Zeitpunkt einfach passt… (überlegt) Aber es war auf keinen Fall so, dass ich mir gesagt habe, so, das politische Ding ist durch, jetzt kommen Gefühle. Das ist nicht so einfach. Ich wünschte es wäre so. Meistens ist es aber so, dass dich einfach Wellen einer Inspiration treffen. Du schreibst eine Reihe von sozial motivierten Texten, dann schreibst du eine Reihe Anderer. Ich versuche immer, bei der so lange wie möglich zu bleiben, die mich in dem Moment am meisten erfüllt.

Bei „Younger than today“ oder „Fool for a Lonesome Train“ hatte ich das Gefühl, dass ein Nachdenken übers Leben und über die Vergangenheit eine zentrale Rolle auf “Lifeline” spielen.

Es kann durchaus sein, dass „Lifeline“ eine meiner nachdenklichsten Platten ist, aber das weiss ich nicht. Ich weiss es nicht, weil dies von mir verlangen würde, mein eigener Kritiker zu sein, aber das kann ich nicht. Aber du hast möglicherweise recht, vielleicht ist das tatsächlich eine meiner nachdenklichsten Platten.

Kommt es vor, dass du dir deine früheren Alben nach einer gewissen Zeit aus der Perspektive eines Fremden anhörst?

Das ist alles noch viel zu frisch, zu neu für mich. Ich glaube, ich brauch nochmals 10 Jahre, bis ich das tun kann. (lacht). Ich schau immer noch primär nach Vorne, ich bin noch nicht bereit, über die Schulter zu schauen.

„Lifeline“ ist ein interessanter Album-Titel. Das rettende Seil, an das du dich festklammerst, oder der Lauf, den dein Leben nimmt.

Es gibt sogar noch einen weiteren Aspekt: das Seil, das du jemand anderem zuwirfst um ihn zu retten!

Yep, an den Punkt hab ich nicht gedacht! Gibt es diese Momente im Leben, in denen du dieses rettende Seil brauchst?

Ja, …. (überlegt) und es gibt nichts Schlimmeres, als nach ihm greifen zu müssen, obwohl du eigentlich nicht willst. Oder wenn dir eine Hand entgegengehalten wird, die du nicht nehmen kannst. … es gibt so viele verschiedene Aspekte in diesem Titel, da könnte man lange drüber nachdenken!

Ein anderes Lied trägt den Titel „True happiness is having wings“. Wie verstehst du das?

Wahres Glück ist abzuheben, frei zu sein. Und vor allem möglichst viel aus dieser Freiheit zu machen! … (denkt nach). Man könnte es auch so verstehen, dass wahres Glück tatsächlich davonfliegen, entfliehen heisst. Du siehst einen Vogel, … Mann, wann hast du zum letzten Mal einen bedrückten Vogel gesehen?! (lacht)

Wahr…

Siehst du! Die sind verdammt fröhlich! (grinst) Weißt du, ich schreib das, weil ich es fühle. Aber nur weil ich es fühle, heisst das noch lange nicht, dass ich es auch erklären kann.

Was ist dann wahres Glück für dich persönlich?

Wahres Glück ist für mich, Geduld mir selber und der Welt gegenüber zu finden… und ein ruhiger, sonniger Platz um auszuspannen. … was dann wieder das Gegenteil vom Davonfliegen wäre… (lacht) In dem Fall still zu sitzen, aber trotzdem zu wissen, dass man davonfliegen könnte, ja das ist es!

Geduld mit der Welt. Ist es deiner Meinung nach überhaupt möglich, persönlich restlos glücklich zu sein, und sich trotzdem darum zu kümmern, was da draussen abgeht?

Oh, jetzt wird’s schwierig! Das wäre dann wahres Glück, dass vom Lauf der Dinge auf der Welt abhängig ist. … meinst du glücklich sein, und trotzdem mitfühlend? (überlegt) Das ist knifflig. Ich denke, manchmal muss man einen Schritt zurück machen, etwas Abstand gewinnen von dem da draussen… tut mir Leid, heute bin ich etwas langsam! …

Es ist auch eine Knacknuss…

Oh ja! Weißt du, ich glaube, dass ist eine jener Fragen, die wir Menschen uns schon seit jeher am stellen sind. Eines der grossen Rätzel…

Deine Wünsche für die Zukunft? … noch eine grosse Frage….

… Wünsche für die Zukunft… Es gibt so viele verschiedene Versionen von Zukunft. Zukunft für meine Familie, Zukunft für mein Land, für meine Freunde, für meine Musik. Für meine eigene Zukunft? Eine Antwort darauf zu finden, wie wir beide trotz all dem unbewältigten Chaos auf der Erde zufrieden sein können!

Gut, zum Schluss: Ben Harpers Platten-Tipp des Tages:

Piers Faccini! Das ist ein Singer/Songwriter, der ist einfach gewaltig! Die Platte heisst „Tearing Sky“

Gut, werde ich mir anhören.

Danke

Lifeline kommt am 24. August in die Läden.

Links

Quelle: bild: www.benharper.net (Link)
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