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23. September 2008, 21:21 Kultur

Volker Schlöndorff@Kaufleuten, 18.09.

Carola Denzel - Das Kaufleuten hat schon viel gesehen. Diverse Bands spielten dort, haufenweise Lesungen und Diskussionen fanden statt und auch Nobelpreisträger waren schon zu Gast. Mit Volker Schlöndorff aber betrat der erste Oscarpreisträger das Kaufleuten. Wie Moderator Thomas Bodmer sagte...

Das Kaufleuten hat schon viel gesehen. Diverse Bands spielten dort, haufenweise Lesungen und Diskussionen fanden statt und auch Nobelpreisträger waren schon zu Gast. Mit Volker Schlöndorff aber betrat der erste Oscarpreisträger das Kaufleuten. Wie Moderator Thomas Bodmer sagte, „er ist nicht eingebildet, obwohl er es sein könnte“, womit er auf die über 30 Film- und Fernsehproduktionen anspielte, die Schlöndorff schon gemacht hat. Heute aber sei er auch als Autor hier.

Nachdem Schlöndorff zum ersten Mal in seinem Leben von einem Produzenten gefeuert wurde, nutzte er die Zeit, um zu schreiben. Und so widmete er sich seinen Tagebüchern, erinnerte sich an früher und machte dabei Notizen, anstatt sich weiter mit dem Filmprojekt die Päpstin zu beschäftigen. Entstanden ist ein faszinierendes Werk von fast 500 Seiten, bebildert mit kleinen Fotos aus dem Leben Schlöndorffs. Sein Leben, das sind vor allem seine Filme und genau so lautet auch der Untertitel seines Buches Licht, Schatten und Bewegung.

„Ich habe noch nie eine Vorlesung gehalten, darum verzeihen Sie mir bitte meine Aufregung“. Man mag kaum glauben, dass dieser schüchterne Satz aus dem Mund eines so bekannten Regisseurs kommt. Dann beginnt er vorzulesen - wie er die Zuhörer gewarnt hat, sichtlich nervös. Er spricht sehr schnell und etwas monoton, auch verhaspelt er sich das ein oder andere Mal. Trotzdem zieht er das Publikum sofort in seinen Bann, die unglaubliche Ausstrahlung dieses Mannes überwiegt einfach alles. Er erzählt von seiner Jugend in Wiesbaden, als die Amerikaner dort stationiert waren und wie sich die Kinder mit ihnen austauschten: Sie interessierten sich für die Waffen und Fahrzeuge der Amerikaner, die GIs dagegen für die Fahrräder und Schwestern ihrer jungen Freunde. Die Zuhörer kichern. Schlöndorff macht einen Zeitsprung. Als er die Blechtrommel verfilmt hatte, war Schlöndorffs Vater wenig beeindruckt. Er fand sie „mit einem Wort: scheusslich.“ Doch dafür sei ja schliesslich nicht sein Sohn, sondern Günter Grass verantwortlich. Wieder ertönt Gelächter im Publikum. Als Schlöndorff die Kulisse der Blechtrommel aufzieht, fällt ihm auf, wie klein Oskars Welt eigentlich ist. „Diese kleine Strasse genügt Grass für eine ganze Welt“, sagt er. Bücher haben ihn schon immer fasziniert. Als Kind flüchtete er sich in einen Ohrensessel und las den Zukunftsroman, Balzac und Dostojewski, um der Einsamkeit zu entfliehen. Die Zuhörer erfahren auch etwas über das Verhältnis zu den Frauen in seinem Leben. Mit 47 Jahren verliebte er sich, wie andere es mit 17 tun. Darum scheiterte die 20jährige Ehe mit Margarethe von Trotta. Später drückt der Abschiedsbrief seiner Freundin mehr aus, als sein Therapeut es ihm in regelmässigen Sitzungen begreiflich machen kann. Daraufhin wird Schlöndorff klar, dass sein „uneingestandenes Ziel, allein zu sein und zu arbeiten“ ist. Die Zeit vergeht wie im Fluge, das Publikum hängt an Schlöndorffs Lippen. Kaum hat Schlöndorff die letzten Worte gelesen, sagt Bodmer, sie würden der Zeit leider etwas hinterherhinken und die Diskussionsrunde darum abkürzen müssen. Die Frage, warum einer seiner Filme den Titel Erlkönig trage, kann Schlöndorff jedoch noch beantworten. Lachend antwortet er, das Originalbuch heisse der Unhold – heutzutage gebe es ja immer den Film zum Buch -, aber da wir alle von der Schule traumatisiert seien, würde der Erlkönig ja ganz gut passen. Um dafür gleich mal Werbung zu machen, sagt er, es gibt den Film heute für ungefähr neun Euro das Stück zu kaufen. Das Publikum lacht und fällt in einen schallenden Applaus, der nur dadurch beendet wird, dass alle Schlöndorff ins Vorzimmer folgen, um sein Buch zu erwerben und es sich dann von ihm persönlich signieren zu lassen.

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