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23. Juli 2007, 00:00 Festivals

Yippie Yippie Yeah - Krawall und Remmidemmi!

Michael Heger - Drei Tage Dauerparty am Melt! Festival auf Ferropolis.Gespanntes Hoffen und Bangen um die Wetterlage in den Tagen vor dem grossen Fest. Hatte doch der kalendarische Sommeranfang nicht die gewünschte Sonne und Wärme mit sich gezogen, die man sich von ihm erhofft hatte. Doch nach...

Drei Tage Dauerparty am Melt! Festival auf Ferropolis.

Gespanntes Hoffen und Bangen um die Wetterlage in den Tagen vor dem grossen Fest. Hatte doch der kalendarische Sommeranfang nicht die gewünschte Sonne und Wärme mit sich gezogen, die man sich von ihm erhofft hatte. Doch nach anfänglich leichten Schauern bei der Anreise am Donnerstagabend sollte es Petrus gut meinen mit dem Melt! Festival, scherte sich keinen Deut um irgendwelche Kalender und verschob den Sommeranfang kurzerhand auf Freitag den 13. Juli.

Schluss mit Frieren! Sonnencrème, Eis und jede Menge erstklassige Musik war angesagt! So kunterbunt wie das Musikprogramm zeigte sich auch das Meltvölkchen, bestehend aus ungefähr 16000 Musikbegeisterten aus ganz Europa – vom Hippie zum Rocker über das Indiekid zum Raver sind alle dabei! Einer dreitägigen feucht-fröhlichen Party gigantischen Ausmasses konnte nichts mehr im Wege stehen – vielleicht mit Ausnahme eines Sonnenstichs. Immerhin sollte das Quecksilber in den nächsten Tagen weit über dreissig Grad klettern.

Ferropolis bei Nacht

Epizentrum dieses einzigartigen Partybebens: Ferropolis – die Stadt aus Eisen. Eine Autostunde von Berlin liegt mitten im Gränichersee eine kleine Halbinsel übersät mit riesigen Stahlmonstern aus der Zeit des Braunkohletagebaus. Unter diesen bis 40 Meter hohen und 130 Meter langen Baggern tanzt sich das Partyvolk dieses Jahr bereits zum zehnten Mal, auf sieben verschiedenen Floors und Bühnen, die Beine aus dem Leib.

Der erste Höhepunkt der Jubiläumsausgabe des Melt! Festivals kam aus England. Jamie T aus Wimbledon sollte am frühen Freitagabend den Beweis erbringen, dass man in diesem Londoner Stadtteil nicht nur Tennis spielen kann. Seine Mischung aus Hip-Hop, Reggae, Soul und Punk stellte er dem Melt!-Publikum mit Rockband und lauten Gitarren vor. Die Geschwindigkeit der Lieder wurde ungefähr um das Doppelte hochgeschraubt. So wird aus einer Ballade wie Sheila ein reissender Rocksong.

Bagger mit Gemmini-Stage im Hintergrund

Mit dem Eindunkeln kamen die Bagger und die aufwendigen Beleuchtungen darum herum erst richtig zur Geltung, was unweigerlich Lust auf elektronische Musik machte. Diese Lust liess sich bestens bei Jeans Team stillen. Die Berliner rockten die Gemmini Stage mit ihrer Mischung aus minimalem Elektro, kraftwerkisch anmutenden Gesängen und Indie-Gitarren. Im Schatten dieses Konzerts sollte der Auftritt von Apparat richtiggehend verblassen. Das lag jedoch nicht unbedingt an der chilligen, vielleicht für diese Art von Festival schon etwas zu ruhigen Musik, sondern an den schrecklich falschen Tönen aus dem Gesangsorgan des Apparat-Sängers, der einem unabwendbar an gewisse Gesangsversuche in einer dieser ausgelutschten Castingshows erinnerte. Jedes gute Festival braucht seine Enttäuschungen.

Weiter ging’s auf der Hauptbühne. Wobei hier mit Nachdruck vom Wort Hauptbühne Gebrauch gemacht wird, um den Originaltitel der Bühne und den damit verbundene Werbeeffekt für finnische Handyriesen zu vermeiden. Doch lassen wir die allzeit sichtbaren und zuweilen aufdringlich wirkenden Sponsoren beiseite. Auf der Hauptbühne galt es die deutschen Indie-Elektrotüftler von The Notwist zu bestaunen, die eine hervorragende Show ablieferten. Dieses Bestaunen sollte bei der Band, die nun folgte, fliessend in Erstaunen übergehen. Autechre raubten bei ausgeschaltetem(!) Licht dem gewöhnlich-rytmischen Beat zugeneigten Hörer den letzten Nerv. Sie überboten den Aphex Twin-Aufritt vom letzten Jahr mit noch verzwickteren und unmelodiöseren Sounds, dass der Meister seine helle Freude daran gehabt hätte! Herausagend!

Am Samstag sollte sich das Tags zuvor noch recht spärlich bevölkerte Melt!-Gelände erst richtig füllen. Dies lag wohl hauptsächlich am samstäglichen Line-Up, welches den Freitag qualitativ bei weitem in den Schatten stellte.

Die Hauptbühne

Hot Chip lösten die Aufgabe, ihren elektropoppigen Sound bei Tageslicht rüberzubringen, mit Bravour. Doch richtig Stimmung kam erst mit Tocotronic auf. Das Konzert artete spätesten mit ihrer neuen Hit-Single Kapitulatio-oo-on zur Mitgröhlorgie aus. Die Band überzeugt auf ganzer Linie und sorgte für einen der absoluten Höhepunkte beim diesjährigen Melt. Der nächste Meisterstreich folgte zugleich auf der Gemmini Stage. Dort zog Trentemoeller das Publikum in seinen Bann. Mit Band war der Norweger aus Kopenhagen angereist, um dem Melt! das grossartige Meisterwerk The Last Resort näher zu bringen. Dieser Mann steht vor einer grossen Karriere. So hört sich der Sound der Zukunft an!

Nach einer enttäuschend blassen deutschlandexklusiven Live-Show von Unkle sollte um drei Uhr morgens mit Deichkind noch einmal richtig Stimmung aufkommen.

Ohne Anspruch auf jegliches Niveau, dafür mit umso grösserem Spassfaktor! Mit Hasenkostümen und andersartigen abgefahrenen Verkleidungen, einem Riesentrampolin welches auf einem gigantischem Schwimmring durch die Menge gleitet und ordentlich Krawall und Remmidemmi wurden Deichkind ihrem Namen gerecht. Deichkind steht für Party bis zum Umfallen und spätesten seit ihrem letztjährigen Auftritt, als das Publikum die Bühne stürmte, sind ihre Auftritte Kult! Mit im Schlepptau hatten Deichkind die Eurodance-Band Snap!, welche anschliessend mit ihrem 90er Karussell- und Schiessbuden-Hit Rythm is a Dancer die meisten Leute in die Flucht trieben. Also ab zu DJ Hell, um bis sieben Uhr morgens bei aufgehender Sonne noch ein letztes Mal tanzbeinschwingend die Sau raus zu lassen.

Morgens um fünf auf dem Melt!

Für die wildesten und unermüdlichsten Partyhengste ging nun der Sleepless-Floor auf, wo sich noch bis in den späten Sonntagabend durchfeiern liess. Die Normalsterblichen liessen sich jedoch zu dieser Zeit in ihre Zelte nieder, wo sie spätestens zwei Stunden später von der brennend heissen Sonne geweckt wurden, um mit müden Beinen und schwerem Kopf die Heimreise anzutreten. Damit gingen drei Tage Dauerparty zu Ende. Ein grossartiges Festival an einer einzigartig eindrücklichen Location mit einem auserlesenen, hochkarätigen Line-Up an Bands und DJs, welches eine Meute aus 16’000 tanzverrückten Leuten aus ganz Europa zum kochen brachte.

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