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24. Juli 2007, 00:00 Festivals

Review: Gurtenfestival 2007

Dominik Mösching - Die wiederbelebte Waldbühne bewährte sich, musikalisch überzeugte Bewährtes. Das Gurtenfestival (19.-22. Juli 2007) war trotz garstigem Wetter ein Erfolg. Gurtebahn, spick mi furt vo hie: Jedes Jahr im Juli mutiert der Hausberg der Hauptstadt für vier Tage zum liebsten Ferie...

Die wiederbelebte Waldbühne bewährte sich, musikalisch überzeugte Bewährtes. Das Gurtenfestival (19.-22. Juli 2007) war trotz garstigem Wetter ein Erfolg.

Gurtebahn, spick mi furt vo hie: Jedes Jahr im Juli mutiert der Hausberg der Hauptstadt für vier Tage zum liebsten Ferienziel der Bernerin und des Berners. Doch auch wenn das alljährliche Hochpilgern längst Tradition geworden ist – ganz von selbst läuft das Gurtenfestival dann doch nicht. Diese Erfahrung musste die Gurten-Crew um Phibe Cornu im letzten Jahr machen, als kein Tag ausverkauft war und nur 48000 Musikfans gezählt wurden, ein Fünftel weniger als auf dem preisgekrönten Gelände Platz gefunden hätten.

Zum einen sei mit der Fussball-WM und neuer Konkurrenz in der Region (Greenfield Festival Interlaken) die Event-Dichte eben gestiegen, hiess es damals. Zum anderen erkannte man auch Schwachpunkte im Programm. Deshalb wurden für die diesjährige Ausgabe neue Akzente gesetzt: Die Waldbühne kehrte nach neun Jahren als exklusive Plattform für Schweizer Bands zurück, und das Programm kriegte eine deutliche Hip-Hop-Schlagseite verpasst. Mit Erfolg, wie zwei ausverkaufte Tage und ein Besuchertotal von 57000 Personen beweisen. Trotz Wolkenbruch, Nebel und Schlamm war die Stimmung gut, auch wenn sich der Jahrgang 2007 musikalisch nicht ganz vorne platziert.

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Vor allem am Donnerstag waren die Höhepunkte spärlich. Während Basement Jaxx mit ihrem Stilmix aus House, Pop und Soul begeisterten, war der Auftritt von Avril Lavigne routiniert bis schwach. Die schwedischen Crossover-Rocker Clawfinger spielten demgegenüber zwar alles andere als ohne Druck, aber halt ebenfalls so routiniert, wie man sich das vorstellte. Schliesslich zehren sie seit zehn Jahren von ihren Erfolgen in den Neunzigern. Besser war Gimma, der erste Headliner auf der Waldbühne, deren steiles Gelände zwar für eine einmalige Arena-Atmosphäre sorgte, aber aus Wettergründen nicht allzu lange komfortabel blieb. Zumindest nicht für die Flip-Flop-und-Barfuss-Fraktion. Die Anzahl der zähen Zehen-Zeiger sollte bis am Sonntag erstaunlicherweise nicht wesentlich sinken.

: Country-Covers auf Barhockern.

Gut, zumindest für ein paar Stunden schien schliesslich auch am Freitag die Sonne. Deshalb und wegen The Bosshoss war die Gurten-Betriebstemperatur schon am Mittag hoch: Die Deutschen, die bis hin zu den Ansagen im breiten Ami-Slang kein Country-Klischee ausliessen, verpassten Hits wie Hey Ya von Outkast ein knackiges Yeeha-Gewand. Richtig heiss – und zum ersten Mal eng vor der Hauptbühne – wurde es dann bei Stress. Zu meist hartem Crossover schleuderte er seine Parolen in Richtung begeisterte Meute und erklärte Monsieur Blocher zum „Sheriff der Schweiz“, um gleich per Bob Marley-Cover (I Shot The Sheriff) mit ihm abzurechnen.

Nicht nur beim Konzert des Lausanner Rappers traf die Definition Hip Hop das Gebotene nur teilweise. Auch die Fantastischen Vier sprengten die Genre-Grenzen, und das auf absolut überzeugende Art und Weise. Mit Einflüssen von Elektro, Funk und Wave, die bereits ihr neustes Studioalbum Fornika durchziehen, wurde dem zunächst überraschten Publikum flotte Tanzmusik angeboten. Es musste freilich all die grossen Hits gegen Schluss nicht missen.

A propos Miss: Frontfrau Jaël zitierte irgendwann während des anschliessenden Zeltbühnen-Gigs von Lunik das Zürcher Tagi-Magi, das in einer Titelstory berichtet hatte, die Bernerinnen seien die Schönsten im Lande. Ach, das wäre uns allen doch auch so klar geworden, die wir den schwelgerisch-sphärischen Pop der Lokalmatadoren um die scheue Schöne geniessen durften. Zürich war mit Hillbilly Moon Explosion dann aber auch noch aktiv vertreten und hielt auf der Miss-Gurten-Skala mit Laszivität dagegen: Emanuela und ihre Rockabilly-Heroen sorgten für den passenden Groove zum Szenario „Waldbühne um drei Uhr morgens“. Das war doch deutlich meh Dräck als bei den zwar regenbogenfarbigen, aber irgendwie doch ein bisschen farblosen Scissor Sisters.

. In der Tat.

Sowieso war es – abgesehen von Fanta Vier – nicht das Festival der Headliner. Der Black-Music-Samstag, von Seven mit seinem Soul-Funk made im Aargau noch überzeugend eröffnet, erfüllte bei The Roots, Cypress Hill und Kelis die hochgesteckten Erwartungen nicht mehr ganz. Die Ersten strapazierten die Geduld mit einer wirren viertelstündigen Version von Dylans Masters Of War, selbstredend dem Sheriff der USA, Mister Bush, gewidmet. Die Zweiten verlegten ihr Konzert in den früheren Slot um zehn Uhr, begannen aber dann zu spät und wirkten trotzdem nicht recht frisch. Zudem kämpften sie wie zu später Stunde Kelis gegen die Regenmassen, die die Menschen nun doch zusehends vom Hausberg vertrieben.

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Am Samstag wie auch am Sonntag fühlte man sich eher bei jenen zuhause, die hier zuhause sind. Plüschs Super-Ritschi wanderte während dem Konzert singend übers Gurten-Areal (Funk-Mikrofon mit riesiger Reichweite sei Dank) und demonstrierte die Volksnähe, die Plüsch und ihren Songs eigen ist. Die Bieler Retro-Jungs von Pegasus, die Troubadouren von Tomazobi und der Freiburger Barde Gustav mit seinem tollen Gespür für eingängige Songs zwischen Chanson und Reggae waren absolut erfrischend. Patent Ochsners hochfliegende Performance merkte man die Nähe vom Gurten zum Spick-mi-furt-vo-hie-Belpmoos förmlich an – man wusste: Büne ghört d Wält.

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Ein paar Stunden früher hatte sich Büne noch mit Kuno, Polo, Sina und anderen Grössen der Schweizer Musikszene die Hauptbühnen-Bretter geteilt. Untermalt vom Swiss Jazz Orchestra swingten all die Mundart-Klassiker unerhört. Dieser Spagat zwischen Bewährtem und neuen Ideen kann dabei durchaus als stellvertretend für den Anspruch des Gurtenfestivals gesehen werden. Innovation und Tradition zu vereinen, das kann auch schief gehen. In diesem Jahr reichte es aber, vor allem dank der mit Spannung erwarteten Waldbühne und der geballten Ladung Schweizer Prominenz. In Zeiten harter Festival-Konkurrenz ist diese wohl einfacher auf den Gurten zu locken als die richtig grossen ausländischen Headliner.

Ob das Gurtenfestival 2008 neben den üblichen Verdächtigen (Tipp: Züri West) auch die Besucher in Scharen anzieht, wird sich zeigen – bekanntlich wird dann die Event-Dichte mit der Euro 08 in Bern ungekannte Ausmasse erreichen. Auf die Antwort der Gurten-Crew darf man gespannt sein. Auf Petrus’ Wetterplanung im Übrigen auch.

Links

Quelle: Bilder: www.gurtenfestival.ch (Link)
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