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30. Juli 2007, 00:00 Movie

DVD der Woche: Im Jahr der Schildkröte

Christina Ruloff - „Riskier doch mal was, dann hast Du wenigstens geliebt.“ Rentner Kamp trifft auf die Studentin Claudia und beginnt zu leben. Ein beeindruckender deutscher Film, wunderbar visuell. Heinz August Kamp (Hans Bennent) verfolgt Claudia: Was für ein Spiel treibt sie mit ihm?Nachts ...

„Riskier doch mal was, dann hast Du wenigstens geliebt.“ Rentner Kamp trifft auf die Studentin Claudia und beginnt zu leben. Ein beeindruckender deutscher Film, wunderbar visuell.

Heinz August Kamp (Hans Bennent) verfolgt Claudia: Was für ein Spiel treibt sie mit ihm?

Nachts liegt er wach und starrt ins Nichts. Oder er verlässt seine Wohnung, seinen grauen Betonblock, und geht in der ausgestorbenen Stadt spazieren. Das Telefon klingelt nie und nur der leise Plattenspieler täuscht so etwas wie Leben in H.A. Kamps Wohnung vor. Da begegnet der 60-jährige arbeitslose Buchhalter der Studentin Claudia. Sie hat ihren Freund mit wüsten Beschimpfungen abserviert und irrt nachts alleine und ohne Geld in Kamps Viertel herum, so dass dieser ihr folgt und ihr Hilfe anbieten muss. Er kann nicht anders.

Die junge Frau betritt seine Wohnung und sein Leben und bringt mit ihren spontanen Besuchen und irren Gedanken seine gewohnten Abläufe durcheinander. Zwischen Misstrauen, Verantwortungsgefühl und Faszination hin- und hergerissen beginnt er sich für sie zu interessieren: Sie wird für ihn zur Aufgabe, zur Freundin, zum Lebensinhalt und er beginnt wieder zu leben.

'Du siehst ein bisschen aus wie ne Schildkröte.' Claudia mit Kamp im Zoologischen Garten.

„Sie tut mir weh diese Liebe. Ich will sie nicht, ich geh kaputt daran.“, verzweifelt Kamp und er könnte genau so gut vom Leben selbst sprechen. „Riskier doch mal was, dann hast Du wenigstens geliebt.“, schreit Claudia den verblüfften Mann an. Denn genau darum geht es in dem hervorragenden Regiedebüt von Ute Wieland aus dem Jahr 1988; sie schildert einen Mann, der eigentlich mit dem Leben abgeschlossen hat (die starke Romanvorlage von Hans W. Kettenbach heisst „Sterbetage“) und in seinen Gewohnheiten gefangen nur noch vor sich hinvegetiert.

Der Gegensatz zwischen dem höflich-distanzierten Mann, der immer „Bitte schön“ und „Danke sehr“ sagt und noch nie über das wirkliche Leben nachgedacht, geschweige denn daran teilgenommen hat und sich über alles unheimlich wundert, und der unsicheren, seelisch aufgekratzten Frau, die möglichst viel erleben möchte, sorgt für viele umwerfend komische Szenen, die aber niemals den tragischen Ernst der Geschichte übertünchen: Denn Leben und Lieben - ausserhalb der Welt des ARD-Abendkrimis, der Stadtbücherei, des Seniorenplauschs und der eigenen vier Wände - bedeutet Risiken auf sich zu nehmen und eventuell zugrunde zu gehen. Aber wird Kamp, verkörpert vom grossen deutschen Schauspieler Heinz Bennent, nicht so erst zum Menschen?

Im Jahr der Schildkröte ist ein beeindruckender anspruchsvoller Film. Die langen Einstellungen, die Kamp und Claudia verfolgen und erfassen und die schrecklich schönen Bilder der Stadt Köln stammen von Karl Walter Lindenlaub, dem in Amerika renommierten Hauskameramann Roland Emmerichs. Sie berühren einen wie die Figuren und bleiben lange in Erinnerung.

Bewertung: 5 von 5

) üben sich im Leben.

Originaltitel: Im Jahr der Schildkröte

Land: D

Genre: Drama

Dauer: 93 Minuten

Regie: Ute Wieland

Darsteller: Heinz Bennent, Karina Fallenstein, Anke Tegtmeyer, Arpád Kraupa

Produzent: Hans W. Geissendörfer

Nach dem Roman Sterbetage von Hans W. Kettenbach

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