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2. August 2007, 00:00 Interview

Sportfreunde Stiller: WM-Euphorie weg - Album da!

Andreas Rohrer - Einmal Millionenseller und zurück: Sportfreunde Stiller kehren von 'Lieblinge einer Nation' zurück zur geliebten Indie-Band. Für students.ch erklären die Münchner das neue 'La Bum' Song für Song.Rückblende: Am 10. Juli 2006 spielen die Sportfreunde Stiller in Berlin vor 1 ...

Einmal Millionenseller und zurück: Sportfreunde Stiller kehren von 'Lieblinge einer Nation' zurück zur geliebten Indie-Band. Für students.ch erklären die Münchner das neue 'La Bum' Song für Song.

Rückblende: Am 10. Juli 2006 spielen die Sportfreunde Stiller in Berlin vor 1 Million Menschen. Verabschiedet wird die Deutsche Nationalmannschaft nach dem geleisteten 'WM-Märchen'. Lahm singt, Klose lacht, und Schweini haut aufs Schlagzeug. 54', 74', 90', 2006 ist WM-Lieblingslied, Goldgrube und Download-Rekord-Seller in einem.

Schnitt: Exakt ein Jahr später trifft students.ch die drei Sportfreunde im Zürcher Hauptsitz ihrer Plattenfirma. Rüde muss zur Toilette, Peter raucht Selbstgedrehtes, und Flo plaudert von Tattoos. Das fünfte Sportis-Album La Bum ist fertig und Fussball war gestern. Heute dreht sich das Gespräch um Mitteilungsdrang, richtige Worte und fliegende Fäuste.

students.ch, Flo, Rüde und Peter (v.l.)

students.ch: Die Sportfreunde Stiller haben ein neues Album, und keiner bloggt auf Myspace. Gehört ihr zum alten Eisen?

Rüde: Ich hab wenn ich daheim bin einfach keinen Bock, noch mehr von mir zu erzählen. Ich hab da auch kein Interesse daran. Es ist tatsächlich so ein Druck spürbar, dass sich jeder auf diesen Plattformen darstellen muss. Das machen ja so viele Leute. Ich finde es dagegen eine gute Tugend, auch mal was für sich behalten zu können.

Flo: Es kommt aber auch darauf an, wer das macht. Junge Bands haben natürlich eine super Plattform, sich zu präsentieren. Für uns aber kein Thema. Wir haben unsere eigene Homepage, die wir hegen und pflegen. Myspace.. ich nenn das auch gerne mal 'Fastfood'.

Guckt man sich die Platte ein erstes mal an, fallen einem die Wortspiele auf: Der Albumtitel 'La Bum' steht verdreht für Album, die erste Single 'Alles Roger' enthält Zeilen wie 'Niveau ist keine Crème' und ähnliches. Bei uns würde man sagen, die haben wohl in der Witzkiste gepennt!...

Peter: (lachend) ...also man muss wohl unterscheiden - zwischen dem Albumtitel, der sicher Blödelei ist. Album, verdreht La Bum. Das steht halt für La Bum – es kracht, ein Schlag eben. Oder La Boum - die Fete. Wir wollten bewusst keinen bedeutungsschwangeren Albumtitel. Die Wortspiele bei Alles Roger finden wir interessant: du nimmst zum Beispiel Niveau und lässt einen Buchstaben weg, und du hast Nivea. Das ist das interessante an Sprache und Kommunikation, dass Worte so ganz unterschiedliche Bedeutungen kriegen und eben auch falsch verstanden werden.

Wir Schweizer klatschen da wohl gleich rein bei 'Alles Roger'. Man fragt sich, wieviel Federer da drin steckt?

Rüde: Bis heute hab ich noch keine Sekunde daran gedacht, dass dieser Roger der Federer sein könnte. Ihr Schweizer verbindet das offensichtlich sofort.

Ich denk aber das passt ganz gut zum Song. Ihr nehmt dabei den exzessiven Fremdwortgebrauch hoch. Und ein Schweizer, der sich nicht französisch ausgesprochen Roger, sondern Rotscher nennt, nervt ja total.

Flo: Die Verwendung von Fremdwörtern liegt vielen Menschen sehr am Herzen, um einen gewissen Intellektualismus zu verbreiten. Im Endeffekt ist es aber oft nur heisse Luft ohne nix dahinter. Das möchte ich hier und jetzt echt mal anprangern!

Peter: Es geht oft nur noch darum, wie man etwas sagt und nicht was man sagt. Man will sich durch eine mordsmässig tolle Ausdrucksweise geil darstellen. Ich sehe das auch in der Politik - Da wird gesabbelt und gesabbelt, es kommt aber bei den Leuten gar keine Message an. Mit wenigen Worten etwas tolles zu sagen, das ist schön!

Rüde: Ich unterscheide dabei aber auch zwischen einem Gespräch und niedergeschriebener Literatur. Gespräche sollen direkt und ehrlich sein, Literatur mag ich dagegen vielschichtig und poetisch.

La Bum – wie gesagt, bezieht sich auch auf 'Die Fete'. Gleichzeitig ist es euer erstes Album nach der ganz grossen WM-Party vom letzten Jahr. Hört man sich jedoch die Platte an, stösst man nicht nur auf Feierlaune. Da wird ganz schön gekatert.

Flo: Das ist richtig. Verglichen mit unserem letzten regulären Album (Burli, 2004) gibt es auf La Bum ernsthaftere Augenblicke. Natürlich verlieren wir dabei unseren gewohnten Vorwärtsdrang nicht. Aber - wir haben im Gegensatz zu vorherigen Alben wesentlich konzentrierter an der Platte gearbeitet. Wir hatten zum ersten mal die Möglichkeit, eine Vorproduktion zu machen. Das heisst wir haben im Studio geprobt, aufgenommen und die Aufnahmen nach Hause genomen um alles von vorn bis hinten zu überdenken. Das Lied Mo(nu)ment zum Beispiel haben wir mehrfach hin- und hergeschaufelt, und jetzt ist es tatsächlich toll geworden und auf der Platte gelandet. Diese Platte war wirklich ein hartes Stück Arbeit. Hat Spass gemacht, es gab aber auch ganz dunkle Momente. Einmal, da hab ich dem Rüdiger voll eine reinbetoniert, weil er mich so genervt hat. Wir hatten viele Diskussionen. ...Haben wir das nicht schon einmal so gemacht? Ist das nicht langweilig? Und so weiter. Mit diesen 11 Liedern haben wir jetzt den perfekten Mittelweg gefunden.

Diese Entstehungszeit der Platte beinhaltete auch den unglaublichsten Erfolg eurer Karriere. Im Zuge der WM habt ihr vor Millionen von Menschen gespielt und noch mehr Platten verkauft. Wieviel auf 'La Bum' bezieht sich auf diese WM-Wochen, die euer Leben ja ziemlich verändert hatten?

Peter: Die Fussballplatte (You Have To Win Zweikampf, 2006) und alles folgende ist uns ja irgendwie so dazwischen gekommen. Das war alles nicht so geplant. Vor der WM hatten wir bereits 2 Songs für La Bum fertig eingespielt. Die Phase danach war aber die viel entspanntere. Inspiriert von all dem was da eben passiert war, ging alles flüssiger und leichter von der Hand, wir haben voller Elan und Vorfreude auf diese Platte rumprobiert und aufgenommen.

Flo: Mit der WM direkt hat kein einziger der neuen Songs zu tun. Das haben wir hinter uns gelassen – nicht ohne natürlich die tollen Eindrücke für uns aufzubewahren.

Ich möchte jetzt schon noch wissen: Ihr geht durch Köln, und begegnet einer Gruppe gut besoffen singender Fussballfans. '54‘, 74‘, 90‘, zweitauuusendseeechs...'. Ist bestimmt vorgekommen. Springt man da auch mal in den nächsten Busch, um nicht erkannt zu werden?

Flo: Weißt du, es war sehr schön zu sehen, wie etwas, das man vor 6 Jahren begonnen hat, anfängt zu fruchten und so vielen Leuten eine absolut tolle Zeit beschert hat.

Rüde: Ich schau aber schon, dass so eine Gruppe besoffener Fans mich nicht direkt entdeckt. Weil der Atem aus nach Kotze riechenden Kehlen und schweissnasse Küsse sind dann doch nur mittelgut...

Peter: .. .Achselhöhlen sind auch toll...

Rüde: ...Oh ja, die meisten von denen waren auch grösser als wir, weil wir relativ klein sind, und da wurde man dann mit dem Kopf immer schön in die Achselhölen gedrückt, wenn die uns umarmten.

Peter: Aber meist war das ein richtig lustiges Erlebnis, wenn Fans den Song im Stadion gesungen haben. Schlussendlich ist das Lied so gross geworden, dass es eigentlich gar nicht mehr unser Lied war. Es gehört jetzt allen. Natürlich haben wir keinen Bock darauf, dass irgendwelche schlägernde Hooligans im Ausland als deutsche Fans durch die Strassen ziehen und unser Lied singen. Das ist sone Horrorvorstellung auf die ich echt keinen Bock hätte. Aber wir haben ja jetzt neue Lieder geschrieben!

Das haben sie, die Sportfreunde Stiller. Für students.ch erklären die Drei die 11 neuen Lieder von La Bum in ihren eigenen Worten:

1. Der Titel vom nächsten Kapitel

Rüde: 'Und was kommt dann?' - die Frage, die man sich stellt, sobald man an einem Ziel angekommen ist.

Flo: Als Band haben wir nicht direkt einen Wunsch, was jetzt passieren soll. Höchstens Vorstellungen, wie dass zum Beispiel unsere Konzerte genau so toll weiterlaufen wie bisher. Speziell an dem Song ist noch die Rhythmik am Anfang. Da sind wir schon fast wie Justin Timberlake!

2. Alles Roger!

Peter: Das Interessante an Sprache: sich genau ausdrücken und genau hinhören - oder eben geschwollen labern und missverstehen. Es geht allzu oft nur noch darum, wie man etwas sagt und nicht was man sagt. Man will sich durch eine mordsmässig tolle Ausdrucksweise geil darstellen.

3. 995er Tief über Island

Peter: Da ist in uns ein altes Gefühl wieder hochgekommen, so wie in der Zeit von 'Wellenreiten' oder 'Wunderbaren Jahren'. Mit dem Song sehnen wir uns nicht nur nach dem Meer, sondern auch an die stürmische Zeit von damals.

Flo: Die Sehnsucht nach einem geborgenen Ort. Und für die beiden Surfer Peter und Rüde ist dies eben das Meer. Der Ausdruck 995er bedeutet, dass wenn ein Tief dieser Art über Island liegt, kriegst du am nächsten Tag tolle Wellen in Frankreich.

Peter: Und natürlich steckt da auch drin, dass Dinge, die an einem Ort der Welt geschehen, immer Auswirkungen an einem andern Fleck dieser Erde haben. Deshalb nicht nur an sich selber denken!

4. (Tu nur das) was dein Herz dir sagt

Rüde: Eine persönliche Pattsituation. Man weiss nicht, wie es weitergehen soll.

Flo: Das ist die innere Zerrissenheit. Ein sehr zweifelndes Lied.

5. Ohne deine Liebe

Flo: Eine Liebeserklärung an dein Vis-à-vis.

Rüde: Liebe gibt man nicht aus einem Grund, sondern aus dem Bedürfnis heraus, Liebe zu geben. Liebe ist einfach bedingungslos.

6. Eine gute Nacht

Peter: Hier haben wir eine Zeile aus dem St. Martinslied entlehnt. 'Dort oben leuchten die Sterne, hier unten leuchten wir.' Finde ich ein wunderschönes Bild.

7. In unmittelbarer Ferne

Rüde: Sehnsucht und die Frage, was der andere wohl gerade macht. Das ist ein einfacher Text zu einem altbekannten Gefühl. Melancholisches Geseier (lacht), mag ich aber ganz besonders gut.

Flo: Beschäftigt uns natürlich oft, weil wir viel unterwegs sind.

8. Mo(nu)ment

Flo: Eine Erinnerung, die beim drüber nachdenken viel grösser erscheint als damals, wo der Moment tatsächlich erlebt wurde. Das sind natürlich Klassiker, wie der erste Kuss und so.

9. Anders als auf Ansichtskarten

Flo: Der Song ist ein Angebot an einen geliebten Menschen, was man alles im Stande wäre, für ihn zu tun. Darin steckt aber die Ungewissheit, ob der Mensch das dann auch erwidert - was aber egal ist, weil man das Angebot so oder so unterbreitet.

10. Sodom

Flo: Hier hat Rüde einen sehr guten Weg gefunden, die Leute zu animieren, über die Schrägheit des Weltgeschens nachzudenken.

Rüde: Denkt mal so: Es gibt auf dieser Welt Menschen, die Bomben auf Frauen und Kinder abschmeissen und abends nach Hause gehen, mit ihrer Familie essen, Liebe empfinden und ihre Ideale leben. Und sie kommen mit den krassesten Widersprüchen in ihrem Leben einfach klar. Überlegt man sich solche Dinge, muss man sich fragen, warum ich mein Leben eben auf meine Art und Weise lebe. Und die Antwort ist, dass ich mein Leben eben trotzdem und nicht deswegen lebe.

11. Legenden

Peter: Eine Hommage an Menschen, die uns beeindruckt haben durch die Art ihres Lebens. Berühmtheiten sowie einfache Menschen, die ihr Leben gemäss ihren Idealen leben und nicht aufgeben. Diesen Leuten wollen wir Danke sagen, hauen ihnen ein ordentliches 'Respekt!' drüber und singen 'Shalalala...'. Genau so gehts!

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