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22. Januar 2008, 18:51 Music Movie

El bano del papa

Christina Ruloff - Da radeln sie und treten und treten in die Pedale. Ihre dunklen Schatten fliegen ihnen leicht voraus, während sich die alten Fahrräder mit ihren dünnen Eisenstangen und noch fragileren Reifen mühsam und doch freudig durch die wilde Graslandschaft quälen. Selten gab das Radfa...

Da radeln sie und treten und treten in die Pedale. Ihre dunklen Schatten fliegen ihnen leicht voraus, während sich die alten Fahrräder mit ihren dünnen Eisenstangen und noch fragileren Reifen mühsam und doch freudig durch die wilde Graslandschaft quälen. Selten gab das Radfahren im Kino ein solch fassbares Gefühl von Freiheit. Und kaum je wurde es dermassen abrupt zerstört. Hinter den Helden auf ihren Rädern rast ein dicker Jeep hinterher und jagt die Männer solange, bis sie sich ergeben. Ein schmieriger Beamter mit gewienerten Stiefeln, Hut und Pistole steigt aus, ballert ein paar Mal in die Luft und reisst die sorgfältig auf den Gepäckträger gebundene Ware von den Fahrrädern. Mutwillig zerstört er die Lebensmittel, Zucker und Früchte, während er den Schnaps für sich behält und mit verächtlichem Lächeln von dannen braust. Beto, der schlauste in der Schmugglerbande, die nicht erhältliche Waren von Brasilien in die Heimat nach Melo in Uruguay befördert, konnte sich hinter einem Felsen verstecken und so den Schikanen entgehen.

Ein Moment Freiheit ist der Tristesse: Beto fährt ein Fahrradrennen gehen seinen Freund... mit unerfreulichen Konsequenzen.

Doch vom ehrbaren Schmuggeln, Arbeiten und Tricksen wird niemand reich und so sehr sich die ärmliche Bevölkerung in der ländlichen Provinzstadt auch abmüht, sie wird nicht auf einen grünen Zweig kommen. Die beiden Regisseure Enrique Fernández und César Charlone schildern das Schicksal der kleinen Leute in Melo – das natürlich stellvertretend für alle Landstriche in Südamerika steht – mit berührender Anteilnahme, mit forschendem Interesse und einem Blick für die Situationskomik, die fast immer in der Tragik liegt. Mit einer manchmal etwas gar wackeligen Handkamera verfolgen sie die ebenso hilflosen wie bauernschlauen Versuche Betos, doch noch seines Glückes Schmied zu werden:

Der Papstbesuch in Melo verspricht Tausende von zahlenden Besuchern, behaupten zumindest die Medien aus der Hauptstadt und setzen der arglosen Landbevölkerung einen Floh ins Ohr. Beto glaubt ebenso wie seine Freunde an einen Besucheransturm und will die „Kundschaft“ mit einem echten Klo beehren. Die Lüge wird viele Menschen ihre Ersparnisse, die sie in Imbissbuden für die Gläubigen investiert haben, kosten und den Zuschauer bestürzt und traurig im Sessel verschwinden lassen. Fernández und Charlone beleuchten hemmungslos Betos Stärken (seinen fast ungebrochenen Enthusiasmus) wie seine Schwächen (seine väterlich-verachtende Art für seine viel vernünftigere Frau), ebenso wie sie die Folgen von Korruption, (bewusst) irreführenden Informationen und mangelnder Bildung aufzeigen. Sie befinden sich in der Tradition des sozialkritischen, südamerikanischen Kinos, das seine Wurzeln im italienischen Neorealismus hat.

Bewertung: 3 von 5

Sie haben alles investiert und werden alles verlieren: Die Bevölkerung von Melo ist am Boden.

  • Titel: El Bano del Papa
  • Jahr: 2007
  • Land: Uruguay
  • Regisseure: Enrique Fernández und César Charlone
  • Schauspieler: Cesar Troncoso, Virginia Méndez, Virginia Ruiz, Baltasar Burgos und viele Laiendarsteller und Bewohner Melos.
  • Verleih: Trigon
  • Start: 24.1.2008
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