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23. November 2011, 11:30 Music Interview

The Kills: «Ich brauche Oktopusarme»

Andreas Rohrer - Alison Mosshart und Jamie Hince machen als The Kills viel aus wenig. Das vierte Album «Blood Pressures» der artsy Post-Punker schlich sich in die Top 20 der Charts. Mit students.ch sprach Mosshart über den schnellen Jack White, störenden Sonnenschein und die Essenz des Minimalistischen.

Sie ist die femme fatale des Indie-Rock. Wo sie auftritt, fallen die Kiefer. An der Seite von Jamie Hince bringt Alison Mosshart düstere Weiblichkeit, verschwitzte Strähnen, High-Heels und zerrissene Jeans ins Bild. Singen kann sie nicht perfekt, rauchen tut sie sprichwörtlich ohne Pause. Die Haare sind heute pink, die Outlines der Tattoos ausgefranst (ein Stern am linken Handgelenk und ein Herz auf der rechten Handfläche). Lass uns spielen.

students.ch: In den letzten zwei Jahren warst mal schnell weg mit Jack White von den White Stripes. Wie war die Arbeit mit The Dead Weather im Vergleich zum Alltag mit Jamie?
Die Jungs (Anm. d. Red: Dean Fertita, Jack White und Jack Lawrence) können verdammt viel auf ihren Instrumenten. Da schreibt man in zwei Wochen mal locker ein Album. Mit The Kills brauchen wir viel länger dafür. Der Prozess ist anders. Jamie und ich isolieren uns, schreiben alleine, und bringen das Material dann zusammen. Ich merk grad, dass es schwierig ist, die Unterschiede auf einen Punkt zu bringen. Aber eins ist sicher: Bei The Dead Weather gingen die Aufnahmen sehr schnell und es war fucking cool.

Es scheint, als ob du dich mit Jamie gerne in Details verlierst.
Das ist so. Das Schreiben der Songs ist ein schwerfälliger Prozess. Wir haben keinen Drummer, das heisst wir verbringen Stunden damit, Beats zu programmieren. Das fängt dann so ungefähr bei einem akkustischen Blues-Song an und hört bei Future Starts Slow auf – und das ist ein riesiger Entwicklungsprozess! Wir ändern die Beats bei jedem Song hundertfach.

Video: The Kills – Future Starts Slow

Ihr überlasst in eurer Kunst nichts dem Zufall. Prägt diese Besessenheit euer Leben?
Die Kunst als Ausdrucksform und Kommunikationsmittel ist für mich enorm wichtig. Wir nehmen Kunst sehr ernst und es war seit den Anfängen unser ultimatives Ziel, das Leben zur Band und die Band zu unserem Leben zu machen – jedes kleine Detail zu fühlen und zu atmen. Nur wenn uns das gelingt, können wir tun und lassen, was wir verdammt nochmal wollen. Dazu gehören Artwork, Fotos von uns und was wir für Kleider tragen. The Kills sind unser Business und wir lassen uns von niemanden dreinreden. Meine Lieblingsbands, Sonic Youth und Fugazi, verstanden es schon, ein komplettes Bild und eine ganze Welt rund um die Band zu erschaffen. Eine Art «Kult kreieren», darum geht es. Kunst soll an der Realität zehren.

Ist dieser Wunsch nach totaler Kontrolle über die Kunst auch ein Grund für euer minimales Line-Up?
Wir diskutierten erst kürzlich genau darüber. In Frankreich letzte Woche hatten wir vier Tambouren auf der Bühne, die 1:1 unsere Drum-Machine Beats nachspielten. Und es war unglaublich! Der Sound war enorm, einfach perfekt für die grösseren Bühnen. Aber: Das war einfach eine «menschliche Drum-Machine». Kreativen Input von aussenstehenden nehmen wir nicht an, auf keinen Fall!

Du und Jamie scheinen sich immer einig zu sein darüber, was The Kills sein sollen. Wann gibts Zoff?
Wir haben beide das absolut identische Ziel. Aber einig sind wir uns überhaupt nicht immer. Ich finde, das macht es aber so wunderschön. Als Duo, ein Mann und eine Frau, hast du eine Grunddynamik, du hast im wahrsten Sinne des Wortes beide Seiten der Menschlichkeit... Da ist reine Harmonie Fehlanzeige. Und wir lieben es, damit zu spielen: Wir tauschen Rollen oder schreiben für uns gegenseitig Songs. Das sieht natürlich anders aus, als in einer Band mit vier jungen Männern! (lacht) Und ja, natürlich streiten wir. Wir sind beste Freunde seit 12 Jahren und das gehört dazu – niemals jedoch streiten wir über die Musik.

Ist es für euch eigentlich schwierig, nur zu zweit auf riesigen Festivalbühnen zu spielen, wie am Glastonbury dieses Jahr? Das sah ein bisschen aus wie «zu zweit gegen den Rest der Welt»!
Es ist schwer, ja, aber ich sag dir, was noch schlimmer ist: in der Sonne zu spielen. Wir haben problemlos die grössten Bühnen gespielt – in der Nacht. Im dunkeln funktionert unsere Musik. Nachmittags um Vier machts einfach keinen Spass und du siehst nur sonnenverbrannte Gesichter, Bierdosen und Werbebanner, all diesen Scheiss, der nicht nur mich verwirrt, sondern auch das Publikum. Wenn die Nacht kommt, ändert deine Wahrnehmung – und ich glaube das ist wo unsere Musik hingehört.

Video: The Kills – U.R.A. Fever (live @ Glastonbury 2011)

Eure Hingabe zum Minimalismus zeichnete euch in den Anfängen der Band aus. Findest du heute noch etwas Spannendes im Minimalistischen?
Ja. Unser Sound ist immernoch absolut minimalistisch. Wir züchten uns einfach langsam Oktopusarme, um möglichst viele Elemente live zu spielen. Mich reizt die pure Essenz aus Stimme und Beat. Und Jamie mischt dann seine crazy fucking Drums dazu, was natürlich den Sound komplexer macht. Wir sind auch bessere Songwriter geworden. Aber nach wie vor gilt: 8 Kanäle genügen, wie schon bei unserer ersten Aufnahme.

The Kills im X-Tra Zürich: students.ch Konzertkritik

The Kills: Offizielle Homepage

Bild: Videostill «Future Starts Slow» (Quelle: Youtube)

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