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3. März 2011, 17:03 Kolumnen

Shots no. 23: Ríoplatensisch

Dominik Mösching - “Scho me schamo“. Sollte man wirklich in Argentinien Spanisch lernen, wo die doch so einen komischen Akzent haben?

Ja, es stimmt. Castellano, das in weiten Teilen Argentiniens gesprochen wird, unterscheidet sich deutlich vom Standardspanischen. Als ich am Ankunftstag mit dem lokalen Idiom in Berührung kam, fühlte ich mich durch dessen Sprachmelodie gleich von spanischsprechenden Italienern umgeben. Wenig später, nach dem ersten Tag im Kurs, konnte ich mich dann bereits stolz mit „scho me schamo Dominik“ vorstellen. Wo der Standardspanier bei Ypsilon und Doppel-L (wie bei „yo me llamo“) ein leger-angehauchtes „I“ über die Lippen bringt, schmettert man diese hier wie ein ultrastarkes deutsches „SCH“ daher. Ein paar Tage mehr brauchte die Erkenntnis, dass man sich in Buenos Aires unter Freunden nicht etwa mit „tú“ anredet, sondern mit „vos“ – und gleich auch noch die Verkäuferin, den Polizisten und den Arzt duzt. Die Höflichkeitsform „usted“ wird als so formal empfunden, dass ausser der Präsidentin wohl nur eine Handvoll Senioren in deren Genuss kommt.

So vergingen vier Monate; bis heute muss ich nachfragen, sobald jemand wieder einmal im Porteño-Slang, dem sogenannten Lunfardo, daherredet. Wenn ich aber eines gelernt habe, dann ist es die Tatsache, dass sich das Land Maradonas genauso gut für den Spanischerwerb eignet wie alle anderen spanischsprachigen Staaten auch. Solange man in der Schule mit der Standardsprache in Berührung kommt, schärft einem die Präsenz gemeiner Dialekte doch die Ohren. Ausserdem, wo wird denn der Standard gesprochen? In Chile, wo sie zwar das erwähnte Hauch-„I“ brauchen, aber sonst noch jeder Satz nach ein paar gepressten Silben versandet? In der Karibik, wo ein bisschen wie mit vollem Mund referiert wird? In Spanien, dessen Lispeln sogar in unserem Sprachraum längst ein Klassiker geworden ist? Eben. Und dass jede Region ihre bizarren Spezialausdrücke hat, dürfte uns in der Schweiz alles andere als, nun ja, Spanisch vorkommen.

Sowieso, eigentlich müsste man ja wie die Sprachwissenschaftler vom ríoplatensischen Akzent sprechen. Weil, in Uruguay auf der anderen Seite des Río de la Plata redet man so anders nicht – und gleicht den extravaganteren argentinischen Cousins auch kulturell. Die Grilladen-Schlachten der Asados sind hier wie dort legendär. Kein Körperteil des Rindes, das nicht noch irgendwie verwurstet und auf den Rost gebracht würde. Die Tradition des Mate ist hier wie dort an jeder Strassenecke präsent. Kein Park ohne die kleinen Grüppchen mit den Klappstühlen, ihren Thermoskannen, ihren kunstvoll verzierten Bechern aus Holz, Kürbis, Metall oder Plastik und ihren Beuteln des herb-bitteren Mate-Krauts. Auch ich besitze seit zwei Wochen meinen Becher, der zunächst nach althergebrachter Methode „kuriert“, sprich: trinkbereit gemacht werden musste. Das erledigte eine Paraguayanerin mit indigener Guaraní-Herkunft (und wieder anderem Dialekt) für mich.

Da denke ich an die Hundertschaften indigener Sprachen und weiss: Ich werde nie mehr als ein bisschen an der Oberfläche der Sprachlandschaft Südamerikas kratzen können. Spanisch hin, Ríoplatensisch her.

In Buenos Aires wird genauso wie...

...in Uruguay (hier: Colonia) Ríoplatensisch gesprochen.

Beeindruckend lehmig: Der Río de la Plata, eigentlich die Mündung der Stöme Paraná und Uruguay.

Fischerzeugnisse gehören nicht unbedingt zu den bekanntesten Produkten der Gegend.

Der herb-bittere Mate hingegen schon: Ein Argentinier und sein Becher.

Bisherige Shots From the Road findest du hier.

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