Ein Star zum Anfassen
Patrick Holenstein - Bruce Springsten hat den Namen The Boss sicher verdient. Das hat er im Letzigrund eindrücklich bewiesen. Der fast 63-jährige hat auch nach über drei Stunden Konzert nicht die geringsten Abnutzungserscheinungen gezeigt.
Und enttäuscht werden wohl nur wenige. Als The Boss nämlich mit dem zweiten Song der Zugabe, «Born in the USA», in einen wahren Hitreigen startet, steht er bereits knapp drei Stunden auf der Bühne. Springsteen und seine durch Bläser und Background-Duo auf 16 Leute erweiterte E-Street-Band wirken noch immer frisch und munter. Sie sind als Arbeitstiere bekannt, nur selten dauert ein Konzert weniger als drei Stunden.
Auffällig sind die vielen Plakate, die während des Konzertes im Golden Circle in die Luft gehalten werden. Bruce – er tritt mit einem «Gruezi Züri. Wie gohts?» auf die Bühne – geht gleich selbst darauf ein und pickt sich drei Schilder raus. Scheinbar hat sich herumgesprochen, dass er jeweils Wünsche erfüllt und so spielt er die Songs, die auf den Schildern geschrieben stehen und Zürich kommt beispielsweise in den Genuss von «Growin’ Up» ab dem Album «Greetings from Asbury Park». Dazu weht links von der Bühne auf dem Dach eine Schweizer Flagge und rechts eine amerikanische.
Springsteen ist aber auch verspielt und verwendet bei Konzerten jeweils ein unterschiedliches Intro. In Zürich dringt das Thema zum Film «Die glorreichen Sieben» aus den Boxen. «Don’t Look Back» – eine von drei Tourpremieren, neben den Zuschauerwünschen «Working On a Dream» und «If I Should Fall Behind» – und «Badlands» eröffnen schliesslich das Konzert. Von Anfang an ist das Publikum auf der Höhe, der Soundmix braucht etwas länger. Aber schon beim vierten Song, «We Take Care Of Our Own», vom neuen Album ist der Klang deutlich besser und wird der herausragenden Band gerecht.
Die E-Street-Band ist das Herz des Konzertes. Angeführt durch die beiden Gitarristen Nils Lofgren und Steve Van Zandt bluesen sie sich durch das Repertoire, suhlen sich genüsslich in langen Soli, schlagen aber auch ruhige Töne an, wenn zum Beispiel die Hammond-Orgel traurig klagen darf. Die Band funktioniert und ist eingestimmt wie kaum eine zweite. Man hat stets das Gefühl, dass da eine Familie auf der Bühne steht und dass der Spass im Vordergrund steht. Nur Clarence Clemons, der Saxophonist, der letzten Sommer nach einem Schlaganfall starb, fehlt, wird jedoch zu Schluss von Springsteen gebührend gewürdigt.
Immer wieder taucht Springsteen während der Show in die Menge ein, gönnt sich ein Bad in der ersten Reihe, schüttelt Hände und singt mit zwei kleinen Fans sogar «Waitin’ On A Sunny Day». The Boss ist ein Mann für das Volk, ein Star zum Anfassen. Die Menschen goutieren diese Attitüde und feiern zusammen mit Springsteen und der E-Street-Band eine rauschende Party, klatschen zu seinen Liedern, tanzen zu den Klängen der Band und singen gemeinsam mit ihm. Hände sind in der Luft und Gesichter strahlen. Rock als verbindendes Element zwischen allen Bevölkerungsschichten. So soll es sein, so passt es doch perfekt zum auf dem Boden gebliebenen Superstar mit der unverkennbaren Stimme.
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