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25. September 2009, 19:59 Movie

Buenos Dias, Seguimos En Guerra @ Zurich Film Festival

Christina Ruloff - „Wir Armen verlieren immer.“ Guatemalas Bevölkerung wird von Banden und der organisierten Kriminalität gleichermassen terrorisiert, von der Justiz im Stich gelassen und weiss sich bestenfalls mit Selbstjustiz zu helfen. Anita Blumers Dokumentarfilm schildert und analysiert ...

„Wir Armen verlieren immer.“ Guatemalas Bevölkerung wird von Banden und der organisierten Kriminalität gleichermassen terrorisiert, von der Justiz im Stich gelassen und weiss sich bestenfalls mit Selbstjustiz zu helfen. Anita Blumers Dokumentarfilm schildert und analysiert die Lage auf prägnante Weise und schafft damit ein wichtiges Zeitdokument.

Blumer rollt Guatemalas Situation anhand eines Schicksals auf, das als stellvertretend für unzählige andere gelten darf: Die achtjährige Michelle verschwindet in ihrem eigenen Dorf, als sie ihr Heim verlässt, um den einen Block entfernten Bücherladen aufzusuchen: Sie möchte Geschenkpapier kaufen, um eine Karte für ihren aus Amerika zurückkehrenden Vater einzupacken. Die ganze Dorfbevölkerung, Freunde, Nachbarn, Verwandte starten eine frenetische Suchaktion. Tags darauf finden sie am Strassenrand ausserhalb des Dorfes die Leiche des Mädchens: Ihr Schädel wurde eingeschlagen, sie wurde vergewaltigt, ihr Körper wurde von Hunden zerfetzt. Die vermeintlich Schuldigen – entfernte Bekannte, die das Kind mit Versprechungen in eine Falle gelockt und entführt haben – sind schnell gefunden, werden an den nächsten Baum gestellt und angezündet. Denn an die staatliche Justiz, an Recht und ihre Gerechtigkeit glaubt sowieso niemand. Tatsächlich kommen die Auftraggeber, die den Entführerinnen 4000 Doller bezahlt haben, ungeschoren davon. Sie gehören der örtlichen Oberschicht an, und haben nicht nur Michelles Familie, sondern auch alle für die Gerichtsverhandlung wesentlichen Zeugen mit Drohungen eingeschüchtert. Die belastenden Blutproben sind auf mysteriöse Weise verschwunden...

Rosa Diaz - Michelles Mutter - kämpft um Gerechtigkeit.

In Guatemala werden mindestens 10 Menschen pro Tag ermordet – auf offener Strasse wegen ein bisschen Kleingeld, aus Rache wegen mangelnder Ehrerbietung, aus Gier. Kinder verschwinden ohnehin täglich. Und 97% aller Täter werden nie bestraft. Dass es im Falle von Michelle überhaupt zu einer Gerichtsverhandlung mit einer ordentlichen Untersuchung und zur Verurteilung der (überlebenden) Entführerinnen gekommen ist, darf als grosser Erfolg bezeichnet werden. Michelles Mutter hat sich mutig und insistierend an die Stiftung „Sobrevivientes“ gewandt und für ihr Recht gekämpft. Es gibt also Grund zur Hoffnung.

In Guatemala herrschen noch immer bürgerkriegsähnliche Zustände

Der Dokumentarfilm Buenos Dias, Seguimos En Guerra von Anita Blumer ist ein wichtiges Zeitdokument, weil er die komplexen und vielschichtigen Vorgänge und Zusammenhänge aufzeichnet und zugleich analysiert. Der unbedarfteste Zuschauer erhält innerhalb von nur einer Stunde Einblicke in die Verhältnisse in Guatemala und kann sich ein differenziertes Bild machen. Kaum eine Sequenz ist zu lang oder gar überflüssig, der Film besticht durch einen durchdachten, klaren Aufbau und eine prägnante Bildsprache. Und er beweist nebenbei, dass Mut, Intelligenz und Engagement genügen, um einen guten und sinnvollen Dokumentarfilm zu drehen: Buenos Dias, Seguimos En Guerra ist ein sehenswerter kleiner Film!

Weitere Vorstellungen:

  • 26. September, 16.15 Uhr, Corso 4
  • 30. September, 18.15 Uhr, Corso 4
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