Magazin durchsuchen

Neuste Blogs

31. März 2011, 12:57 Kultur

Das Vermächtnis des Vaters

students Redaktion - Das neue Theater am Bahnhof in Dornach zeigt mit „Libera Me“ das wohl persönlichste Stück des israelischen Theaterautors Joshua Sobol. Ausgehend von einer Vater-Sohn-Beziehung werden existenzielle Fragen nach bleiben oder gehen gestellt, wird Abschied genommen, der auch gleichzeitig Aufbruch ist.

Doch was tun, wenn nur einer gehen will? Der Vater sterben will und der Sohn es nicht begreifen kann? Wenn der Vater eher an einer existentiellen Depression leidet, der Sohn aber um den Vater kämpfen will?

Es ist Nacht, Grillen zirpen. Die Beiden stehen auf einem grauen Weg, der schräg nach oben zur Decke führt, Aufbruch oder Abgang illustrierend. Links liegt ein brauner Baumstamm, rechts hängt ein Reisigast. Vater (Georg Darvas) und Sohn (Oliver Zgorelec) stehen sich, erschöpft vom Streiten, gegenüber. Bockig, mit wirrem Haar, verworren redend „Lass mich, ich muss mich im Staub wälzen!“ scheint er seinem Sohn nicht zuzuhören. Der versucht zum wiederholten Male den Vater zur Rückkehr zu bewegen, doch dieser stellt sich stur, ignoriert alle rationellen Argumente.

Der Sohn, leger gekleidet, mit I-Phone bewaffnet und gut einen halben Kopf grösser als sein Vater, verzweifelt allmählich. Ein absurder Kampf entspinnt sich, als ob die Worte ihnen nicht reichen. Anfangs wehrt der Jüngere nur die harmlosen Schläge des Älteren ab, dann bezwingt er ihn auf dem Boden. Verlegen, weil er als Sohn eine Grenze überschritten hat, wendet er sich ab.


Der Vater, der niemandem zur Last fallen will, will sich nicht dem Sohn erklären und tut es doch. Verschlossenheit, trotzige Wut und selbstgefälliges Renommieren sind nur einige der Facetten, die Georg Darvas überzeugend verkörpert. Der Sohn müht sich, ihn zu begreifen und kann doch nicht verstehen, dass er sterben will. Oliver Zgorelec spielt beindruckend den zwischen Vernunftsgründen und Verlustängsten pendelnden Sohn, der mit der Leichtigkeit der Jugend in einem Moment tanzt und sich im nächsten in ein neues Wortgefecht stürzt.

Ausserdem seinem Vater die Pistole abnimmt, aus der sich im Gerangel ein Schuss gelöst hat. Im Krankenhaus, wohin ihn der Sohn danach gebracht hat, fühlt sich der Vater zu Recht fehl am Platz. An Armen und Beinen fixiert und an einer Infusion hängend, fordert er vergeblich die Befreiung vom Sohn. Der wiederum will ihn füttern und keinesfalls nach Hause lassen.

Sich weiter streitend und diskutierend, kommt der junge Mann an den Punkt, wo er versteht, dass sein Aufbegehren nutzlos ist und er den Vater gehen lassen muss. Der wiederum hat Zeit, seine Lebenserfahrungen weiter zu geben. Dieser schwierige Prozess entbehrt nicht einer gewissen Komik, wenn beispielsweise der Vater genervt eine Patientin nachäfft, die ständig nach der Schwester ruft oder seine Ärztin eines Verhältnisses mit einem deutschen General verdächtigt.


Schlussendlich bindet der Sohn den Vater los, zieht ihm die Infusion und lässt ihn gehen. Der Moment, wo der Vater wortlos, fast zögernd geht und sich nach einigen Schritten mit einer halben Drehung zum Sohn wendet, welcher resigniert auf dem Bett sitzend ihm wehmütig hinterher schaut, gehört zu den berührendsten in dieser sehenswerten Inszenierung.

Autorin: Annekatrin Kaps

Nächste Vorstellungen 31.3./ 2.4./8.4./ 14.4./ 16.4./30.4. jeweils 20 Uhr 10.4./ 1.5. jeweils 18 Uhr Tickets zu 38 CHF, Auszubildende 25 CHF , weitere Informationen unter www.neuestheater.ch
Kommentare
Login oder Registrieren