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27. Mai 2010, 12:25 Kultur

„Die wunderbare Reise der Massenselbstmörder“

Elisabeth Ramm - * Sind wir wirklich alle potenzielle Selbstmörder ? Gibt es tatsächlich niemanden unter uns der nicht schonmal darüber nach gedacht hat, wie es wohl wäre sich um zu bringen ? Aber was würden sie sagen, die armen Hinterbliebenen ? Viel mehr als das treibt den potentiellen Sel...

* Sind wir wirklich alle potenzielle Selbstmörder ? Gibt es tatsächlich niemanden unter uns der nicht schonmal darüber nach gedacht hat, wie es wohl wäre sich um zu bringen ? Aber was würden sie sagen, die armen Hinterbliebenen ? Viel mehr als das treibt den potentiellen Selbstmörder jedoch die Frage: Ist er dann auch wirklich verschwunden, der ganze Haufen Probleme ? Der Inszenierung der jungen Regisseurin Sophie Stierle, liegt der Roman „Der wunderbare Massenselbstord“ von Arto Paasilinna zugrunde, den sie selbst dramatisiert hat. Mit ihrer Arbeit schliesst sie im Sommer ihre Ausbildung mit einem Master of Arts ab. Wie sie auf das ungewöhnliche Thema gekommen ist, will sie nicht verraten. Bis zum Premierenabend am 27. Mai bleibt das ihr Geheimnis. Was sie fasziniert an dem Stoff, erzählt sie dafür umso lieber. „Die Figuren sind eigentlich Personifikationen des absurden Menschen von Camus. Die haben aufgehört in ihrem Leben ständig nach einem Sinn zu suchen. Und sind dabei trotzdem nicht resigniert. Die haben es geschafft, die Dinge so wie sie sind, einfach zu akzeptieren. Um sich dann zu sagen: Und jetzt erst recht !“

Herzlich willkommen zur Versammlung der anonymen Massenselbstmörder

Ein schizophrener Seemann, der problemlos zwischen seinen vier Identitäten hin und her wechselt, eine eigentlich reizende Dame, die als Schlampe verschrien in einem kleinen Dorf lebt, und ein gescheiterten Unternehmer, spezialisiert im Verkaufen von Waschmaschinen, sind nur ein paar der Figuren die an dem Abend ihre Geschichten erzählen werden. Und schliesslich: Natürlich Onni, der sich in einer lauen Mitsommernacht auf den Weg macht weil er beschlossen hat, dass er sich umbringen will. Als er mit der Pistole in der Hand jedoch schon vor der Scheune steht, stellt er erschrocken fest: `Oh Scheisse da hängt ja schon einer.` Der Oberst, den er dort auf frischer Tat ertappt, versucht Onni nun seinerseits vom Selbstmord abzuhalten. Die Beiden überlegen, ob sie nicht eine Gruppe gründen sollen, weil es ja durchaus sein könnte, dass irgendwo noch mehr gescheiterte Selbstmörder umher irren, die vielleicht ebenfalls einem Baum zum aufhängen suchen. Vielleicht wäre es einfach praktischer sich mit denen zusammen zu tun und das Ganze gemeinsam durch zu ziehen. Auf ihre Zeitungsannonce melden sich tatsächlich etliche selbstmordgefährdeter Mitbürger wodurch bald eine ziemlich absurde Gruppe entsteht. „Das sind Aussenseiterfiguren, die es schwer haben in unserer Gesellschaft. Weil man ihnen Aufmerksamkeit schenken muss, um sie zu verstehen und lieb zu gewinnen. Verblüffend ist, wie viele philosophische Gedanken in einer Geschichte verarbeitet sind, die so leicht und witzig daher kommt.“ Erinnernd erzählen die einzelnen Mitglieder der Gruppe die Reise ihrer gescheiterten Massenselbstmordversuche, werden dabei jedoch immer wieder in die Geschichten die sie erlebt haben hineingezogen.

Jetzt erst recht !

Das sie Theater machen wollte, wusste Sophie Stierle schon mit zwölf Jahren, als sie mir ihrer Grossmutter in Stuttgart zum ersten Mal ins Ballett, in die Oper und eben auch ins Theater ging. „Ab da war es Sonnenklar“ welchen Weg sie einschlagen würde. Einige Theater AGs am Gymnasium und ein paar Assistenzen weiter und Sophie wagte schliesslich die Aufnahmeprüfung an der Zürcher Hochschule der Künste, wo sie kurz darauf als eine von drei Studenten ins Fach Regie aufgenommen wurde. Warum sie damals ausgewählt worden ist unter den vielen Bewerbern, weiss sie nicht wirklich, erinnert sich aber an „ein Grundgefühl sich einfach nicht beirren zu lassen. Ich dachte mir: Entweder die mögen was ich mache oder nicht. Und wenn nicht, dann kann ich es auch nicht ändern.“

Gezweifelt hat sie dennoch oft im Laufe ihrer Ausbildung. „Manchmal hatte ich Angst und wusste nicht wie ich weiter machen sollte. Dann hab ich mich gefragt, warum ich eigentlich nicht Fleischfachverkäuferin geworden bin. All die Menschen, die morgens aufstehen, zur Arbeit gehen und Geld verdienen. Einfach und simpel. Das hat so eine Sorglosigkeit, die hätte ich manchmal auch gern. Als ich gemerkt habe, dass ich nichts faszinierendes mehr finde an dem Stoff oder den Menschen mit denen ich arbeite, hab ich gedacht, dann kann ich es eigentlich auch sein lassen. Inszenieren nur um einen Job zu erfüllen, das war mir nicht genug.“ Dennoch hat sich ihr Ziel Theater Regisseurin zu werden, grundsätzlich nie geändert. Das Telefon klingelt, Barbara, die Bühnenbildnerin ist am Telefon. Wie lange die Probe heute geht will sie wissen. „Na solange die Schauspieler können, ist doch klar, entgegnet ihr Sophie.“

„Kurz vor der Premiere dürfen mich alle hassen“

Das Bonmot einer bekannten Regisseurin beschreibt dass, was auch Sophie als wichtigsten Lernerfolg für sich verbuchen kann. „Man muss lernen, aushalten zu können. Dem äusseren Druck stand zu halten, auch in belastenden Situationen. Wie wichtig dabei die Unterstützung ihres Teams ist, weiss sie genau. „Wenn ich ein Team hab dass hinter mir steht, kann ich mit Druck gut umgehen. Ohne etwas erzwingen zu wollen, muss ich zur Verantwortung die ich übernommen habe stehen. Besonders den Menschen gegenüber, die mit mir in diesem Boot sitzen. Wenn innerhalb des Teams persönliche Befindlichkeiten anfangen eine Rolle zu spielen, wird es zwar mühsam aber wenn es darum geht auch mal die Laune eines Kollegen aus zu halten, der mit irgendetwas ein Problem hat, fällt mir das nicht schwer. Schliesslich geht es um die gesamte Arbeit und das Ziel, das wir erreichen wollen.“ So sind aus Freundschaften Arbeitsverhältnisse entstanden und umgekehrt. „Es ist oftmals einfacher mit Leuten zu arbeiten, die ich schon kenne. Da funktioniert die Kommunikation einfacher und schneller weil man weiss wie der Andere tickt.“

„Manchmal frage ich mich warum ich eigentlich nicht Fleischfachverkäuferin geworden bin“

Ob es etwas gibt wovor sie Angst hat, möchte ich von Sophie wissen. „Davor, dass ich es nicht schaffen könnte, meinen Job im Theater und eine Familie unter eine Hut zu bringen. Und natürlich vor wirtschaftlichen Engpässen. Der Kanton hat mir für mein Projekt zum Beispiel gerade Geld gestrichen, das ich sicher bekommen hätte, wenn ich die Inszenierung noch im letzten Jahr gemacht hätte.“ Dennoch hat sich Sophie entschieden, den Weg zu gehen. Wie viele Künstler weiss sie „Nur in der Kunst kann man in fremde Leben und Realitäten eintauchen. Ich habe das Privileg, diesen Vorgang, wie da einer in eine Existenz hineinschlüpft, von aussen zu schauen zu können. Das ist etwas sehr besonderes. Wenn es dann eine Inszenierung schafft, den Link zum Publikum zu machen weil wir uns gemeinsam verschwören und dass, was wir Euch vorspielen glaubt und Euch davon mitreissen lasst, wenn das geschafft wird, dann kann man den Zuschauern etwas schenken, nämlich ein echtes Erlebnis. Diese Einladung auszusprechen, am Spiel teil zu nehmen, ist das, was mir am Wichtigsten ist.“

Wann Freitag, 28.Mai / 20 uhr Wo Bühne B der Zürcher Hochschule der Künste

Wann noch 1. 2. 4. 5. 7. 8. Juni / 20 uhr Regie Sophie StierleSpiel Utz Bodamer, Marie Gesien, Nadim Jarrar, Petra Schmidig, Florian Steiner, Ronja WiefelMusik Stéphanie MaurerDramaturgie Hartwin GromesAssistenz Sabine Klotzsche**www.zhdk.ch

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