DVD der Woche: Die Fälschung
Christina Ruloff - „Bloss keine Pseudoreportage!“ Volker Schlöndorff verfilmte 1981 Nicolas Borns Roman Die Fälschung im brennenden Beirut. Die neu erschienene DVD von Arthaus zeigt, wie Film sein und was Film bedeuten könnte – aber leider auch, woran hohe Ansprüche scheitern können.Nico...
Nicolas Born lebte im gleichen Dorf wie der Stern-Reporter Kai Herrmann, der beruflich die Krisengebiete auf dem Globus abklapperte und das Erlebte und Gesehene in packende Reportagen und Berichte goss. Zu reisserisch, zu klischeehaft, zu sehr von Worthülsen geprägt – so lautete der Vorwurf des erfolglosen Lyrikers. Born glaubte, dass so ein grosser Teil der Authentizität, ja der Wahrheit verloren gehe, dem Bedürfnis des Erstweltmenschen am Frühstückstisch nach schlüssigen Formeln und eindeutigen Urteilen geopfert werde und schwor, es besser zu machen. Er trampte selbst nach Beirut und verarbeitete seine Erlebnisse in eben diesem Roman, den Schlöndorff nach seinem Tode verfilmte.
Alles im Bürgerkrieg in Beirut gedreht, alles aber inszeniert und nicht mit Wackelkamera aufgenommen: Die Vision von Volker Schlöndorff.
Der Film arbeitet und wirkt auf zwei Ebenen. Zum einen enttarnt, demaskiert und seziert er die Berichterstattung aus Krisengebieten und Kriegen als bewusst verantwortungslos und obszön. Während draussen in der Stadt am helllichten Tag Alte und Gebrechliche Scharfschützen zum Opfer fallen, nachts Bomben explodieren und der Bürgerkrieg auf Sparflamme läuft (so die Interpretation und Erklärung Schlöndorffs im spannenden Interview im Bonusmaterial) und das Inferno zum Alltag werden lässt, betrinken sich im Hotel die paar vermeintlich verwegenen westlichen Journalisten und ersteigern für ihre Publikation Hochglanzbilder von Massakern und Elend. Wo verbrannte Leichen nicht mehr ein attraktives, das heisst wertvolles Foto hergeben und man die komplexe Realität für die Zeitung im Kampf um Auflagezahlen arrangieren, ja inszenieren muss (der Widerstandskämpfer, der schöngeistig auf dem Flügel spielt, das Gewehr dekorativ neben den Noten, die Maske überm Kopf), herrscht Gleichgültigkeit und Euphorie. Schlöndorff zeigt das alles an Originalschauplätzen und zwar ohne falsche oder gar echte Betroffenheit und das macht die Klasse dieser Sequenzen aus.
Bedauerlicherweise verzichtet er um der Vielschichtigkeit willen nicht darauf, das Innenleben des Reporters Laschen (Bruno Ganz), der Beirut erlebt und mit dem das Publikum den Krieg erlebt, in den Vordergrund zu rücken. Zum Hinsehen verpflichtet, von der Welt angeekelt und doch nur im Ausnahmezustand einigermassen befriedigt, kämpft Laschen mit seinen eigenen „Dämonen“. Seine Ehe kriselt, eine Affäre mit einer Deutschen in Beirut verdreht ihm den Kopf und am Ende – eine bizarre Szene – kann Laschen endlich aktiv werden (er ersticht einen Araber). Man wird aus Laschen nicht schlau und je länger der Film andauert, umso fremder wird einem die Figur. In wilden, Schnitten und Erinnerungen verliert der Film schliesslich sein Zentrum und so auch seinen Sinn, dabei schürt gerade die Offenheit für Möglichkeiten des Mediums (die an die Nouvelle Vague erinnern) die Faszination und die Spannung der Fälschung. Schlöndorff hat zu viel, zu viele Schichten und Bedeutungsebenen, kurz ein Ganzes erfassen wollen – und ist damit gescheitert. Das schmälert die Leistung und den Wert der Fälschung keineswegs und man vermisst weitere solche mutige Filme heute bitterlich.
Die Fälschung ist neu auf DVD erschienen!
Verloren in seinem Leben, sicher im Inferno: Bruno Ganz als Lascher.