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29. Mai 2013, 00:00 Movie

Kino: Rosie

Gregor Schenker - Ein schwuler Schriftsteller, eine aufmüpfige Rentnerin und ein altes Familiengeheimnis: Nach vierzehn Jahren kehrt Marcel Gisler mit seinem Film „Rosie“ ins Kino zurück. Hat sich die lange Wartezeit gelohnt?

Trotz des Erfolges von De Fögi isch en Souhund dauerte es vierzehn Jahre, bevor Marcel Gisler einen neuen Film drehen konnte. An der Vorpremiere im Arthouse Le Paris erzählt er dem Publikum davon, wie schwierig es ist, in der Schweiz ein solches Projekt auf die Beine zu stellen, und man kann ihm nur zu seinem Durchhaltewillen gratulieren. Doch sein Regie-Comeback Rosie folgt ganz dem Motto des Schweizer Kompromiss-Kinos: Von allem ein bisschen und nichts davon richtig.

Die hoffnungslos verzettelte Handlung setzt ein, als die alte Rosie einen leichten Schlaganfall erleidet. Ihr Sohn Lorenz, ein schwuler Schriftsteller, kehrt deswegen von Berlin ins heimatliche Altstätten (nicht zu verwechseln mit Altstetten) zurück. Zusammen mit seiner Schwester Sophie versucht er die Pflege der Mutter zu organisieren. Doch die widerborstige Dame lässt sich von keiner Spitex helfen, ins Altersheim will sie schon gar nicht und ihre Alkoholsucht stellt alle Beteiligten vor grosse Schwierigkeiten.

Dabei haben die Kinder selbst genug zu tun, denn Lorenz’ neuer Roman verkauft sich schlecht, während Sophies Ehe auf der Kippe steht. Und damit ist der Problemkatalog noch nicht abgearbeitet: Es gibt es ein dunkles Familiengeheimnis, das irgendwie mit einem gewissen Markus zusammenhängt. Chantal, die Rosie öfters Gesellschaft leistet, ist geistig behindert. Und Lorenz verliebt sich unglücklich in den viel jüngeren Mario, dessen Eltern die kolumbianische Drogenmafia ermordet hat (oder so ähnlich).

Der Film ist derart mit Problemen vollgestopft, dass er daran erstickt. Altersvorsorge, Alkoholismus oder Beziehungsprobleme: Statt sich mit einem einzelnen Thema halbwegs gründlich auseinanderzusetzen, tanzen Gisler und Co. auf derart vielen Hochzeiten gleichzeitig, dass sie nie unter die Oberfläche dringen.
So kommt es am Schluss, dass Lorenz Mario gesteht: „Ich vermisse dich.“ Und man sich als Zuschauer fragt: „Wieso?“ Die beiden hatten Sex, aber darüber hinaus? Was sieht Lorenz in Mario? Was verbindet die beiden? Man weiss es nicht.

Da der Film keinen thematischen Fokus hat, zerfällt er auch auf der Erzählebene. Es gibt keinen roten Faden, die Handlung landet mal hier, mal dort. Die Geschichte zerbröselt in eine Reihe von Episödchen, zwischen denen zum Teil Wochen oder Monate liegen.
Nicht einmal der Tonfall des Films ist kohärent: Mal ist Rosies Alkoholismus tragisch, mal soll man darüber lachen. Wobei der Humor von der eher ärgerlichen Sorte ist: Als Lorenz seiner Mutter einmal bei der Körperhygiene hilft, entfährt ihr ein Furz. Was für ein Schenkelklopfer.

Es ist diese unausgegorene Mischung aus allem und nichts, diese Unfähigkeit zur Fokussierung, unter der viele Schweizer Filme der letzten Jahre leiden, wie Das Geheimnis von Murk, Leuchtturm, Leichen & Pasteten oder Dead Fucking Last. Liebe Drehbuchautoren, liebe Regisseure: Macht euch klar, was ihr eigentlich erzählen wollt, und haltet euch kurz.

Gisler erläutert an der Vorpremiere auch, der Film sei autobiographisch gefärbt und eine Hommage an seine Mutter. Aber Rosie wirkt in seiner Oberflächlichkeit nie authentisch, sondern wie eine Ansammlung von Seifenoper-Klischees (Gisler war übrigens vier Jahre lang Drehbuchautor für Lüthi und Blanc).

Wenig glaubhaft ist zudem die Sprache im Film. Gisler und sein Team betonen, wie hart sie daran gearbeitet hätten, die schweizerdeutschen Dialoge so authentisch wie möglich hinzukriegen. Ihre Texte hätten sie sich in intensiven Proben erarbeitet.
Trotzdem fallen ständig Sätze wie: „Mami, du besch onmöglich“, „Das esch damals i alle Ziitige gstande“ oder „Ech vermesse dech.“ Der einzige, der hier ab und zu wie ein richtiger Mensch redet, ist Sebastian Ledesma als Mario – was am Ende wohl daran liegt, dass es sich bei ihm um einen Laiendarsteller und keinen professionsgeschädigten Berufsschauspieler handelt.
Apropos Ledesma: Die Sexszenen mit ihm und Fabian Krüger als Lorenz sind erfrischend offenherzig. Aber das allein trägt keinen Film.


Bewertung: 2 von 5


  • Titel: Rosie
  • Land: Schweiz
  • Regie: Marcel Gisler
  • Drehbuch: Marcel Gisler, Rudolf Nadler
  • Darsteller: Sibylle Brunner, Fabian Krüger, Sebastian Ledesma, Judith Hofmann
  • Verleih: Look Now!
  • Start: 30. Mai 2013
Fotos von Look Now!
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