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14. Mai 2010, 12:09 Kolumnen

mensathrill:killdenbill

Elisabeth Ramm - Ich bin zum essen in der Mensa verabredet. Wie alle anderen bestellt – und nicht abgeholten, vertreibe ich mir die Zeit in dem ich mir mein Mittagessen hinter der Glasvitrine schonmal etwas näher begucke. Der obligatorische Freitagsfisch liegt neben dem dazugehörigen Spinat l...

Ich bin zum essen in der Mensa verabredet. Wie alle anderen bestellt – und nicht abgeholten, vertreibe ich mir die Zeit in dem ich mir mein Mittagessen hinter der Glasvitrine schonmal etwas näher begucke. Der obligatorische Freitagsfisch liegt neben dem dazugehörigen Spinat leicht verschrumpelt anscheinend schon eine ganze Weile auf dem trockenen. Keine ahnung, ob ich mich für die lieblos panierte Flunder entscheiden kann... Meine Freundin zupft mich am Ärmel. Sie entschuldigt sich für ihr zu spät kommen. Weil ihre Freundin, die ihrerseits wiederum eine Freundin dabei hat, musste nochmal kurz aufs Klo und naja, da hätten sie eben warten müssen. Cheis probläm. Entgegne ich grossmütig. Die Mensa ist um die Zeit total überfüllt, keine Ahnung warum allen immer um Punkt zwölf der Magen knurrt. Und dann noch für vier. Mit voll beladenen Tabletts stapfen wir durch die Gänge, versuchen den Jacken aus zu weichen um ja keine runter zu reissen, drauf zu trampeln, zu stolpern, auf dem Apfelkompott aus zu rutschen, die Stirn an der Tischkante an zu schlagen und mit einer blutenden Platzwunde am Kopf ambulant behandelt werden zu müssen. Ein schreckliches Szenario, wir versuchen angestrengt es zu vermeiden. Irgendwo finden wir ein winziges Eckchen an einem 8er Tisch und da wir keinen der anderen Mitesser kennen, herrscht gefrässiges Schweigen. Bloss hinten in der Ecke. Da sitzt so ein Typ. Ungefähr Anfang zwanzig, braune Haare, seine Jacke hat er gar nicht erst ausgezogen so beschäftigt ist er mit seinem glitzernden glänzenden chromstählernen ipod, das er neben seinen Teller auf das Tablett gelegt hat. Da ungünstiger Weise seine Hände mit dem halten des Bestecks beschäftigt sind hat er sein Gesicht bis auf wenige Zentimeter an das Display heran geschoben wobei seine Nase der braunen Sosse, die seine Kartoffelrösti umschwemmt verdächtig nahe kommt. Aber das scheint ihn nicht weiter zu stören, falls er es überhaupt bemerkt. Wie im Halbschlaf spiesst er die kleinen Klumpen auf die Gabel um sie dann hektisch hinunter zu schlingen. Er könnte auch Katzenfutter auf seinem Teller haben, es würde vermutlich genauso schnell in seinem Magen landen. Ob er überhaupt merkt dass er in der Mensa ist ?Seine Fingerbewegungen mit denen er die Oberfläche traktiert steigern sich zu einer Art Mini - Akrobatik Performance. Plötzlich hält er inne. Da wir schon lange aufgehört haben uns zu unterhalten, tun wir es ihm nach und glotzen unumwunden und völlig absorbiert in seine Richtung. Auch wir halten den Atem an. Er hat offensichtlich eine Nummer gewählt. Der Ruf geht raus. Unser Tisch ist zu einem Mikrokosmos geworden. Wir horchen gemeinsam und andächtig in sein Telefon. Ja hoyciao, do isch de Mark – aha das also ist sein Name, hätte ich mir gleich denken können, Jungs mit Zopf im Nacken heissen meistens so – jo Du lose mal i bin grad ide Unimensa joa hure schiessdreck mitde Prüfige hey i has voll nöt verstande chra...ja i bin jetz det, i gang denn id ZB go lärnä chunscht du au mit dänne........ah ja isch guet im fall häh, gäll, schöni wuchäänd wünsch i dir.....joa merci vielmal..ciaociao Etwas verlegen widmen wir uns wieder unseren Fischstäbchen. Wieder wühlt er mit schnellen Fingerbewegungen in seinem Adressbuch, kramt seine mails durch auf der Suche nach einem Kontakt. Da muss doch einer sein, irgendeiner muss doch da sein in den Untiefen dieses Adressbuches. Ein Name, nur ein verdammter Name. Er sucht immer hektischer, akribischer. Wo sind sie nur all die flüchtigen Bekanntschaften, all die Smalltalks. Er möchte doch bloss eine Lerngruppe bilden. Heute Nachmittag, in der Bibliothek. Er will doch einfach nur irgendwo dazu gehören und nicht allein den unverständlichen Wust der da aus seinen Büchern quillt ertragen müssen. Nicht so einsam. Nicht so wie jetzt. Hier, in der Mensa. Das ganze Ausmass seiner Situation wird uns bewusst als auch der zweite Anrufer nach einer halben Minute aufgehängt hat. Das rhythmische Vibrieren seines Beines unter dem Tisch wird intensiver. Ein Körperteil, das schon lange aufgehört hat sich einvernehmlich dem synchronen Bewegungsablauf aller anderen Organe unter zu ordnen. Ein echtes Aussteiger
  1. Organ. Aber wurde die Revolte des ADS - Beins vom Besitzer überhaupt schon bemerkt ? Es wackelt und hopst unaufhaltsam rhythmisch weiter, schlägt zuweilen an die Tischplatte,woraufhin unsere Fischstäbchen dann jedes Mal lustig von ihren Tellern hüpfen. Warum laden wir unseren nervösen Mitstudenten nicht einfach zur nächsten Party ein ? Dort würde er sicher viele neue und vor allem reale Kontakte knüpfen können....aber wahrscheinlich würde er ohnehin nicht kommen, wäre vermutlich viel zu beschäftigt seine 2300 Facebookbekanntschaften zu pflegen. Nachdem wir fertig gegessen haben, nehmen wir noch einen gemeinsamen Espresso und verabschieden uns voneinander. Die Lerngruppen für heute Nachmittag warten schliesslich schon.
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